Universitätscomputer an Terroristen verkauft?

Ein Supercomputer, der die Urknalltheorie beweisen soll, ist mehrfach von Einbrechern demontiert worden - sicher nicht aus Interesse am Ursprung des Universums

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Wiederholte Diebstähle von Komponenten eines von Großbritanniens größten Wissenschaftsrechnern legen einen schwer wiegenden Verdacht nahe, berichtet der New Scientist in seiner aktuellen Ausgabe. Wissenschaftler warnen davor, dass die Diebe das Computerhirn möglicherweise an den Irak oder die al-Qaida für geheime Waffentestsimulationen verkaufen wollen.

Ursprünglich hielt Professor Carlos Frenk, Leiter am Institute for Computational Cosmology (ICC) der Universität von Durham, die Einbrecher für gewöhnliche Gelegenheitsdiebe, die nicht einmal genau wissen, was sie da stehlen. Beim ersten Einbruch in das ICC am 18. Dezember gingen diese nämlich äußerst rüde vor und brachen die Platinen mit Hilfe von Schraubenziehern heraus, was ihnen nur teilweise gelang und wobei einige der massiven Platinen zu Bruch gingen. Frenk nahm an, die Einbrecher hätten wohl erst hinterher realisiert, dass ihr verpfuschter Versuch die Beute wertlos gemacht hatte.

Der attackierte Computer ist die an die 2,5 Millionen Euro teure so genannte Cosmology Machine, die ihre Arbeit im Juli 2001 aufgenommen hat. Speziell dafür konstruiert die Entwicklung des Universums und die Entstehung der Galaxien zu simulieren, kann die Cosmology Machine nicht weniger als 456 Milliarden Berechnungen pro Sekunde durchführen.

Als trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen vier Tage später erneut ins Institut eingebrochen wurde, wuchs der Verdacht, dass die Platinen gezielt auf Auftrag von bestimmten Klienten gestohlen worden sein könnten. Ein dritter Einbruchsversuch im Januar schlug fehl. Trotzdem wurden die Sicherheitsmaßnahmen erneut angepasst, um auch einen weiteren möglichen Einbruch zu vereiteln.

Etwa acht Räuber waren es, die dann Anfang Februar ins Institut einbrachen. Diesmal nahmen sie alle Platinen mit, auch die zuvor beschädigten, die dort noch auf ihre Reparatur warteten. Als sie von einem Sicherheitsbeamten überrascht wurden, drohten sie ihn zu erschießen. Dass die Einbrecher immer mehr riskieren, legt die Vermutung nahe, dass sie ihre vorher erstandene Beute bereits an den Mann gebracht haben. Keine legitime Organisation würde jedoch solch einzigartige und leicht identifizierbare gestohlene Ware kaufen.

Diese Computer sind perfekt dafür geeignet, Waffen zu erforschen. Was hier vor sich geht, sollten die Behörden sehr ernst nehmen.

Professor Carlos Frenk

Da die Diebe diesmal auch die beschädigten Platinen mitgenommen haben, müssen ihre Klienten über genügend Elektronik und Wissen verfügen, um diese zu reparieren. Außerdem ist spezielles Equipment erforderlich, um die Platinen, die inkompatibel mit herkömmlichen Computern sind, laufen lassen zu können.

Solch ein Supercomputer ist für Terroristenorganisationen interessant, weil er vielfältig einsetzbar ist: zur Simulation von Kernreaktionen genauso wie um die Auswirkungen eines biologischen Terroranschlags zu berechnen, indem die Verbreitung der Infektion in der Bevölkerung simuliert wird.

Heutzutage kann man keine Waffe - sei es nun eine biologische, nukleare oder chemische - ohne dementsprechende Computerunterstützung effektiv anwenden.

Professor Frenk

Universitäten gelten als einfacheres Ziel für Computer-Klauer als Militärlabors, die wie Festungen gesichert sind. Dennoch bezweifeln manche der Fachleute, dass sich der ganze Aufwand überhaupt lohnen würde. "Das kann man auch einfacher haben", meint Daryl Landeg von Großbritanniens Einrichtung für Atomwaffen in Aldermaston. Wer schon über solche Kapazitäten verfüge, für den könnte ein Großteil der Arbeit auch "mit einem Haufen PCs, die mit einem anständigen Netzwerk verbunden sind und mit offizieller Software laufen", erledigt werden.

Die Polizei von Durham, die an dem Fall zusammen mit der Londoner Polizei arbeitet, will keine Einzelheiten über die Ermittlungen bekannt geben.

Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, die Organisatoren zu Identifizieren. Sollte sich der Verdacht bestätigen, diese Computer könnten für Waffenkontrolle oder so etwas missbraucht werden, würde das nicht mehr in unseren Zuständigkeitsbereich fallen, sondern in den des Auswärtigen Amts.

so ihr Sprecher

Die Universums-Simulationen müssen jetzt erst einmal warten, bis die anstehenden Reparaturen am Computer durchgeführt worden sind. Die Sicherheitsvorkehrungen in der Universität von Durham sind ein weiteres Mal erhöht worden.