Unter dem Stiefel

Seite 2: Herrschaftsinstrument Polizei und Kontrollinstanzen

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Der Polizei-Experte Martin Herrnkind berichtet, dass Polizisten, die Kollegen wegen Übergriffen und Gewalttaten angezeigt haben, Personenschutz gestellt werden musste, dass bei einem Beamten Vorkehrungen gegen Autobomben getroffen wurden, dass dem Kind eben dieses Beamten per Post vergiftete Süßigkeiten geschickt wurden.

"Robert", seit zwanzig Jahren Polizist, berichtet in dem Radiofeature, das Rassismus in der deutschen Polizei eher die Regel als die Ausnahme sei; sogar Kollegen mit Migrationshintergrund bekämen das zu spüren.

Solche Zustände, so hört man oft, könnten nur ernsthaft bekämpft werden, wenn in Deutschland endlich polizeiunabhängige Kontrollinstanzen geschaffen würden, wie es sie in anderen Ländern bereits gibt. Martin Herrnkind erwähnt zum Beispiel Großbritannien und Irland.

Dazu ist zu erwähnen, dass erst im Januar 2018 die britische "Independent Police Complaints Commission" durch eine ähnliche Institution mit ähnlichem Namen (IOPC) ersetzt wurde, weil ihre Nutzlosigkeit allzu offensichtlich geworden war. Die irische Parallelinstitution GSOC wirkt ebenfalls gelähmt und ineffektiv.

Nicht einmal milde Kontrolle ...

Aber in Deutschland möchte man nicht einmal eine solch milde Kontrolle der Polizei von außen ermöglichen. Im Gegenteil. Durch neue Polizeigesetze in Bayern, (siehe "Obacht Söder, mir san grantig!") in Nordrhein-Westfalen und NIedersachsen sollen die Möglichkeiten der dortigen Polizeien erheblich erweitert werden.

Der schon letztes Jahr neu in den Strafrechtskatalog aufgenommene Paragraf 114 StGB führt dazu, dass sich Betroffene noch schwerer mit Anzeigen gegen Polizisten tun, weil die Konsequenzen noch gravierender sein können, wenn "Racheanzeigen" der betreffenden Polizisten vor Gericht Erfolg haben. Es gibt Widerstand dagegen, aber nicht in der Breite der Gesellschaft.

Besonders in Deutschland ist es schwer zu vermitteln, dass die Polizei immer hauptsächlich zwei Aufgaben hat. Sie erbringt einerseits soziale Dienstleistungen; andererseits ist sie ein Herrschaftsinstrument. Wenn diese beiden Aufgaben miteinander in Konflikt kommen, setzt sich in Deutschland der Herrschaftsaspekt nahezu immer durch.

Dazu kommen die Verbrechen, die aus der Lust individueller Polizisten am Herrschen und Beherrschen entstehen, und die regelmäßig geleugnet werden, um dem "Ruf der Polizei nicht zu schaden". Eine Kontrolle der Polizei von außen wird in diesem Zusammenhang fast als Sakrileg betrachtet. Der Abwehrreflex ist so stark, dass man auch sagen könnte: Deutschland ändert sich erst, wenn die Polizei nicht mehr heilig ist.

Erst wenn Polizisten genauso kritisiert werden können wie jeder andere, und den Gesetzen selbst wirklich unterworfen sind, deren Einhaltung sie garantieren sollen, können sie behaupten, im Interesse der gesamten Öffentlichkeit zu handeln. Ob das überhaupt möglich ist in einer kapitalistischen Klassengesellschaft wie der unseren, die Herrschaftsinstrumente so dringend nötig hat, kann bezweifelt werden.