Unterliegt das Fernsehen der Zukunft einer Kontrolle?
Die Aufnahme- und Kopiermöglichkeit von Fernsehinhalten könnte stark eingeschränkt werden
Der TV-Konzern Viacom hat die Videoplattform YouTube wegen Urheberrechtsverletzungen auf eine Mrd. Dollar Schadenersatz verklagt. Viacom will seine teuer produzierten Shows lieber selbst verkaufen, als sie im Netz auf diversen Video-Plattformen kostenlos wieder zu finden. Aber damit stehen sie nicht alleine, eine Klagewelle überschwemmt Videoportale, es geht um den Schutz von Inhalten. In diese Schlammschlacht hinein brach vergangene Woche eine Meldung aus der Musikindustrie, die alle aufhorchen ließ.
Die unter starken Umsatzeinbrüchen leidende Musikindustrie hat sich für einen revolutionären Schritt nach vorne entschlossen. Den Anfang macht das britische Musiklabel EMI, gemeinsam mit dem erfolgreichen Computerriesen Apple. Sie heben den Kopierschutz für Musikfiles auf. Schon ab Mai können die Musik-Files ohne Digital-Rights-Management im iTunes Music Store in den Formaten AAC, WMA oder MP3 herunter geladen werden.
Die Digitale Rechteverwaltung (DRM) ist ein Verfahren, mit dem die Verbreitung digitaler Medien kontrolliert werden kann. Es wird vor allem bei digital vorliegenden Video- und Audioaufnahmen, aber auch im Softwarebereich eingesetzt, um eine gewisse Kontrolle über die Nutzung der Daten auszuüben. Das ungetrübte Kopiervergnügen für Freunde und Verwandte wurde somit eingeschränkt bzw. Regeln unterworfen. Ohne DRM können die Songs nun auf allen gängigen MP3-Playern abgespielt und beliebig oft gebrannt werden.
Rechte-Einschränkungen beim TV-Konsumenten
Während in der Musikindustrie sich vielleicht ein neuer Lösungsansatz abzeichnet, indem die Daten teurer werden, dafür aber ohne lästigen Kopierschutz, wählt die Filmindustrie den Weg der Einschränkung. Seit einiger Zeit befasst sich das DVB-Konsortium (eine internationale Vereinigung aus über 260 Fernsehanstalten, Filmstudios, Technologie- und Softwareunternehmen und der Netzwerkindustrie aus über 35 Ländern, um u. a. globale Digital Video Broadcasting Standards festzulegen) mit dem Thema des Rechtemanagements für das in Zukunft vorherrschende digitale Fernsehzeitalter.
Die neuen technischen Entwicklungen erlauben es heute dem TV-Konsumenten, relativ einfach die Lieblingsfernsehsendung in ungetrübter Qualität aufzunehmen und nicht nur wieder auf einem Bildschirm abzuspielen, sondern auf Wunsch auch im Computer zu bearbeiten und diese neue Version an einen Freund zu versenden. Den persönlichen Innovationen sind dabei nur geringe technische Grenzen gesetzt – dies soll aber in Zukunft nicht mehr so einfach möglich sein. Die neuen Entwicklungen planen Einschränkungen, so die EFF (Electronic Frontier Foundation), die sogar das einfache Aufnehmen von ganz normalen Fernsehsendungen, -filmen und -shows nur mit entsprechenden Auflagen und ggf. nur gegen Bezahlung ermöglichen sollen.
Globale Verteidigungsstrategie gegen das Kopieren in ungetrübter Qualität
Auf Drängen der amerikanischen Film- und Fernsehstudios sowie einiger großer privater Fernsehanstalten plant nun das Digital Video Broadcasting-Projekt (DVB) einen neuen DRM-Standard (CPCM) für das digitale Fernsehen einzuführen. Bisher wehrten sich vor allem die großen Studios in Hollywood vergeblich, privaten Nutzern das Kopieren von Filmen auf eine Videokassette bzw. CD zu verbieten. Nun nutzen sie die zukünftige digitale Fernsehtechnik und die Arbeiten des DVB-Konsortiums für eine globale Verteidigungsstrategie gegen das Kopieren in ungetrübter Qualität.
Bisher wurden nur Standards definiert, wie die digitalen Signale zu empfangen sind. In Zukunft kommt hinzu, was man überhaupt noch mit dem entsprechenden Signal im Haus machen kann bzw. darf. Einen ersten Entwurf dazu gab es schon im Jahre 2003 unter dem Titel CPCM: Content Protection und Copy Management. Je nach Kopierschutzvorgabe (zusätzliche Daten, die im Datenstrom mitgeliefert werden) ist dann unter Umständen eine Aufnahme überhaupt nicht mehr möglich, denn der entsprechende Inhalt wurde vom Anbieter als geschützt und somit unkopierbar technisch „gekennzeichnet“.
Selbst wenn eine Kopiererlaubnis (einmal/mehrmals) bestehen sollte, kann nach einigen internationalen Vorstellungen diese soweit eingeschränkt werden, dass auf mobilen Empfangsgeräten über eine so genannte „geography control“, die über GPS laufen soll, eine außerhäusliche Abspielmöglichkeit nicht mehr gegeben ist. Es scheint, dass dem Ideenreichtum, was den Schutz von Inhalten angeht, keine Grenzen gesetzt sind.
“Der Markt wird das von alleine regeln."
Telepolis sprach mit Dr. Georg Lütteke, Leiter AG Technik im Fachverband der Consumer Electronics im ZVEI (Zentralverband der Elektrotechnik und Elektronikindustrie e.V.) über das Thema Kopierschutz für das zukünftige digitales Fernsehen:
In Zukunft soll ein sog. CPCM auf Wunsch großer Hollywood-Studios neben Amerika und Asien auch in Europa eingeführt werden. Wie sieht dafür die aktuelle Situation in Europa und Deutschland aus?
Georg Lütteke: Die Mitglieder des internationalen DVB-Konsortiums arbeiten schon seit einigen Jahren, im Zuge der Digitalisierung des Rundfunks, an einem so genannten CPCM, also einem technischen Standard, der im Konsens aller Mitglieder verabschiedet wurde, um die Rechte der Contentanbieter, aber auch die Interessen des Verbrauchers, zu wahren. Aktueller Stand ist, dass in Kürze ein Teil der Gesamtspezifikation über den so genannten „Authorised Domain“ verabschiedet wird.
Können wir davon ausgehen, dass diese Kontrolle der Aufnahme und Kopieanfertigung für den TV-Konsumenten in den nächsten ein bis zwei Jahren auch in Europa, respektive Deutschland, eingeführt wird?
Georg Lütteke: Der Zeitpunkt einer Markteinführung ist noch offen. Es können derzeit noch keinerlei Aussagen getroffen werden, ob und wann welche Content- und Copy-Einschränkungen einführt werden. Es wird von Seiten des DVB-Projekts nur eine Spezifikation verabschiedet werden, die dann eingesetzt werden kann, wie die Marktverhältnisse es zulassen.
Es wird außerdem nicht eine generelle Content- und Copy-Vorgabe geben, sondern es sind Abstufungen vorgesehen, je nachdem, was der Rechteinhaber vorsieht (keine/eine/unbeschränkt). Grundsätzlich gilt aber, dass eine Kopie nur für den Eigenbedarf angefertigt werden darf.
Meines Wissens nach üben gerade die großen Hollywood-Studios besonderen Druck aus, um eine strengere Kontrolle über ihren Inhalt auszuüben. Ist das richtig?
Georg Lütteke: Aus kommerziellen Gründen haben die großen Hollywood-Studios schon immer ein großes Interesse daran gehabt, die Distribution ihrer Inhalte eng zu kontrollieren.
Bedeutet die Einführung des CPCM für die Industrie und den Verbraucher, dass neue Geräte produziert und gekauft werden müssen?
Georg Lütteke: Mir ist nicht bekannt, dass die vorhandenen Produkte im Markt davon betroffen sind. Wenn es darauf Einfluss hätte, würde dieser Kopierschutz nicht verabschiedet werden.
Die Musikindustrie scheint da gerade einen anderen Weg zu gehen und den Kopierschutz zum Teil (EMI und Apple) wieder aufzuheben. Es scheint, dass diese enge Rechtekontrolle im Musikbusiness nicht so fruchtet.
Georg Lütteke: Es kommt immer darauf an, in welchem Rahmen und mit welcher Stringenz das Ganze durchgesetzt werden soll. Der Markt wird das von alleine regeln. Das DVB-Konsortium bietet nur eine technische Lösung zur Verteilung und zur Kontrolle der Inhalte an. Der Anbieter muss entscheiden, in welcher Tiefe er dem Konsumenten Reglementierungen des Inhaltes zumutet. Es muss eine gesunde Balance zwischen TV-Konsument und Rechteinhaber hergestellt werden.
Könnte eine mögliche Umsetzung so aussehen, dass der Fernsehzuschauer auch für Inhalte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Aufnahme- und Kopierbeschränkungen zu erwarten hat?
Georg Lütteke: Nein, da gibt es eine ganz klare Position der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und die besagt, dass deren Content auch in Zukunft keiner Einschränkung unterliegen wird, was den privaten Aufnahme- und Kopiermodus betrifft.