Unwägbare Risiken
Welche Versicherung stellt Policen im Bereich Genmanipulation aus?
Die europäische Union hat gerade den Anbaustopp von Gen-Tech-Pflanzen ab April 2004 aufgehoben, und die Verbraucher werden bald "Genfood" mit Kennzeichnung im Supermarkt kaufen können. In den USA sind genveränderte Lebensmittel schon längst Alltag, aber es gibt immer noch eine Menge ungeklärter Fragen. Eine davon ist die Frage, wie es langfristig mit der Sicherheit dieser Produkte aussieht und welche Versicherung Policen in diesem Bereich verkauft.
In den Vereinigten Staaten wird zurzeit darüber diskutiert, ob die "Food and Drug Administration" (FDA) künftig nicht auch genmanipulierte Nahrungsmittel prüfen sollte, bevor sie auf dem Markt zugelassen werden. Die FDA ist in den USA ein mächtiges Amt, das hohe Standards garantiert. Die FDA hat damit eine wichtige Rolle für den Verbraucherschutz inne. In ihrer Selbstdarstellung heißt es:
The FDA is responsible for protecting the public health by assuring the safety, efficacy, and security of human and veterinary drugs, biological products, medical devices, our nation's food supply, cosmetics, and products that emit radiation.
FDA's Mission Statement
Das gilt nur leider nicht für Genprodukte, weil die Behörde 1992 entschieden hat, dass genetisch veränderte Lebensmittel im wesentlichen gleichwertig ("substantially equivalent") sind und deshalb keine Extra-Zulassung brauchen. Eine Studie zeigte kürzlich, dass fast 90 Prozent der Amerikaner der Meinung sind, die FDA solle sie dennoch prüfen (vgl. Americans Oppose a Ban on GM Foods, But are also Strongly Supportive of a Regulatory Process Which Directly Involves the FDA).
Das gilt besonders, weil sich die Gentechnik immer weiter entwickelt und die Veränderungen im Erbgut von Agrarprodukten immer gravierender werden. Bereits jetzt finden sich in den USA genveränderte Zutaten in drei Viertel aller verarbeiteten Lebensmittel, von Cornflakes über Schokolade bis zu Nudeln.
Auch in Europa melden sich viele Stimmen, die befürchten, dass der Verbraucher unfreiwillig zum Versuchskaninchen für die Biotech-Industrie werden könnte. Bei einem Workshop über gentechnisch veränderte Nahrungsmittel in Wien warnte Ende November der bekannte Kritiker Dr. Arpad Pusztai:
Die Zulassungsverfahren basieren auf völlig unzureichendem Datenmaterial. Es wurden bisher keine klinischen Studien zur Risikoabschätzung von Genfood veröffentlicht. Mangelhafte Untersuchungen und fehlende Ergebnisse über die Schädlichkeit von Genfood sind kein Beleg für deren Unbedenklichkeit. Genfood müsste eigentlich nach denselben strengen Verfahren zugelassen werden wie Medikamente!
Mangelhafte Risikobewertung von Genfood
Tatsächlich ist die Risikobewertung ausgesprochen schwierig und das lässt nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Versicherer unsicher werden. Echte Langzeitstudien gibt es bisher kaum und jüngste wissenschaftliche Ergebnisse lassen aufhören. Eine neue amerikanische Studie zeigte, dass die Erträge mit genmanipuliertem Saatgut nicht gesteigert werden konnten und die Menge der verwendeten Pestizide zu- statt abnahm. Zudem leidet die biologische Vielfalt (vgl. Impacts of Genetically Engineered Crops on Pesticide Use in the United States: The First Eight Years. Auch eine neue wissenschaftliche Arbeit aus England ergab, dass genmodifizierte Pflanzen ganz klar ein Risiko für die Umwelt darstellen (vgl. Farm scale evaluation results - important new evidence on gm crops).
Dazu kommt, dass Genpflanzen sich ausbreiten und auf die umliegenden Felder überspringen, auch wenn sie dort nicht angekauft und nicht gewollt sind. Gegenüber dem Magazin Wired gibt Craig Culp, der Sprecher des Center for Food Safety in Washington zu bedenken:
Versicherer sollten darüber besorgt sein. Es braucht nicht viel, wenn man die normalen Vorgänge in einer Landschaft betrachtet und plötzlich finden sie sich in einer Situation wieder, dass sie wegen genetischer Kontamination eine Menge Geld auszahlen müssen.
Ob und wie genmanipulierte Nutzpflanzen sich selbst ausbreiten können, darüber wird immer wieder auch vor Gericht gestritten. Die Biotech-Industrie jedenfalls verkauft ihr Saatgut immer nur für eine Nutzung, wer Teile seiner eigenen Ernte im nächsten Jahr wieder aussähen will, muss erneut Lizenzgebühr bezahlen. Die Firmen sind mit Detektiven hinter den Bauern her, um das genau zu prüfen und wer erwischt wird, den verklagen sie sofort auf hohe Summen (vgl. Lizenzgebühren für jede einzelne Bohne). Der berühmteste Fall von angeblicher Gen-Unterschlagung ist der des kanadischen Bauern Percy Schmeiser, der inzwischen zusammen mit der Provinzregierung von Ontario vor den Supreme Court zieht, um die Patentierfähigkeit von genetischer Information grundsätzlich anzuzweifeln (vgl. Genetische Information soll nicht patentierbar sein).
Für eine Versicherung fast unwägbare Risiken. Die fünf wichtigsten britischen Versicherer erklärten jedenfalls im Oktober, sie würden keine Policen im Bereich Genmanipulation ausstellen. Die meisten großen amerikanischen Versicherungskonzerne wollten sich auf Anfrage von Wired dazu nicht äußern, aber Robert Hartwig vom Insurance Information Institute kommentierte:
Genetisch modifizierte Nahrungsmittel gehören zu den risikoreichsten von allen denkbaren Versicherungen, die wir heute ausstellen können. Und dafür gibt es gute Gründe. Keine Firma weiß, wohin der Weg der genetisch veränderten Nahrungsmittel uns in Bezug auf die menschliche Gesundheit oder die Umweltverschmutzung letztlich führen wird.
Die Frage ist auch, bis zu welcher Höhe die Versicherer bereit sind, eine Abdeckung anzubieten. Experten schätzen, dass es realistisch bis zu mehreren Milliarden gehen müsste, um wirklich langwierige Prozesse auf Schadensersatz komplett zu finanzieren.
Die entsprechenden Firmen leugnen ein Problem im Versicherungsbereich zu haben. Ein Sprecher von Monsanto ließ lapidar verlauten: "Wir hatten keine Schwierigkeiten, eine übliche Versicherung zu bekommen."