Unzumutbare Arbeitsbedingungen auf der EXPO
Tariffreies Gebiet, Stundenlohn von 4,23 DM und akute Gesundheitsgefährdungen
Die ersten Lohnzettel haben es an den Tag gebracht. Viele Mitarbeiter arbeiten zu unvorstellbaren Niedriglöhnen, und zehn bis 14 Stunden sind an der Tagesordnung. Von Tänzern im Themenpark "Zukunft der Arbeit" wird dermaßen viel abverlangt, dass der Krankenstand immer höher wird. Einige sind so lädiert, dass sie ihr Pensum nicht mehr schaffen bzw. ihre zukünftige Karriere durch die unzumutbaren Arbeitsbedingungen gefährdet sehen. Inzwischen verhandelt die IG-Medien mit den Themenparkverantwortlichen über neue Tarifverträge.
Gesundheitsgefährdende und ausbeuterische Tanzvorführungen Schon auf einer Pressevorführung wurde besorgt nach den Arbeitsbedingungen der Tänzer und Tänzerinnen im Themenpark "Zukunft der Arbeit" gefragt. Damals war man sich sicher, dass die Belastung für die Tänzer nicht zu hoch sei. Doch nun klagt die Hälfte über Muskel- und Sehnenbeschwerden. Manche schaffen in den Nachmittagsvorstellungen nicht einmal mehr die von der Choreographie vorgeschriebenen Sprünge, weil ihnen dazu schlichtweg die Kraft fehlt. Grund für die Beschwerden sind die vielen Vorstellungen auf einem zudem noch ungeeigneten Bodenbelag. Krankschreibungen sind inzwischen an der Tagesordnung.
In ihrer Not haben sich die Künstler an die Gewerkschaft IG-Medien gewandt, um ihre Arbeitsbedingungen nachhaltig zu ändern. Auch das Einkommen stimmt nicht mit den Leistungsanforderungen überein. Knapp 4.000 DM erhalten die Tänzer für sieben Shows á 50 Minuten pro Tag. Im Wechsel von drei Tagen haben sie frei, sind jedoch zum Training verpflichtet. Nicht zur Arbeitszeit soll eine dreiminütige Umzugspause zählen. Für vergleichbare Vorführungen erhalten Gruppentänzer üblicherweise zwischen 3.000 DM und 4.000 DM pro Vorführung. Die Verhandlungen über einen neuen Haustarif spitzen sich indes zu, denn wenn die Gruppen reduziert werden, um so die Belastung für den Einzelnen zu senken, dann sehen die EXPO-Macher eine Verletzung des Vertrages. Auch der DGB ist an dem Themenpark "Zukunft der Arbeit beteiligt. Dieser hat nun schon einmal vorsorglich wegen Nichterfüllung des Vertrages eine Rate der Partnerzahlungen in sechsstelliger Höhe einbehalten.
Ausländische Arbeitnehmer werden ausgenutzt
Zunehmend wird von ausländischen Arbeitnehmern berichtet, die über unzumutbare Arbeitsbedingungen klagen. So empörten sich nach Angaben der Hannoverschen Allgemeinen (HAZ) 42 ungarische Mitarbeiter der Gastronomiekette "Celtic Tiger L.P." über ihre Juni-Abrechnung. Statt einer vereinbarten Nettosumme von 1.100 DM bis 1.300 DM erhalten sie nur einen Bruttolohn, bei dem ihnen lediglich 888 DM übrig bleiben und das bei 60 Stunden Arbeitszeit. Vereinbart waren ursprünglich - wie auf dem Lohnzettel ausgewiesen - 40 Stunden. Das macht dann gerade noch einen Stundenlohn von 4,23 DM. Üblich sind in der Branche 13,60 DM.
Für die Gastronomiekette sollen auf dem EXPO-Gelände mehr als 500 Mitarbeiter tätig sein. Die Gewerkschaft "Nahrung-Genuss-Gaststätten" sieht allerdings keine Möglichkeit einzugreifen, da das EXPO-Gelände tariffreies Gebiet sei. Über ähnliche Zustände berichtet die HAZ von der Palästinensischen Behörde. Hier sollen einige Mitarbeiter aus der Slowakei für nur 600 DM im Monat arbeiten. Lange Arbeitzeiten von 12 bis 14 Stunden sind hier ebenfalls an der Tagesordnung. Nicht nur die niedrigen Löhne sind den Gewerkschaftlern ein Dorn im Auge, sondern auch die Tatsache, dass Mitarbeitern einfach neue Verträge zur Unterschrift vorgelegt wurden. Jetzt wird nur noch auf Stundenbasis gearbeitet und wenn kein Bedarf ist, müssen z.B. die rumänischen Mitarbeiter auch zu Hause bleiben und verdienen nichts.
Tariffreies Gebiet?
Die EXPO selbst kann man für den Umgang mit den Mitarbeitern nicht verantwortlich machen. Sie hat die Vertragshoheit in der Regel an Subunternehmen abgegeben. Auch hier zeigen sich immer weitere Verflechtungen, so dass eigentliche Ansprechpartner im Tarifgefüge fehlen. Zynisch bemerkt Inez Kühn von der IG-Medien in einem Telefongespräch: "Das ist doch nur eine Dokumentation, wie man sich in Zukunft die Arbeitswelt vorzustellen hat".
Besonders ausländische Arbeitnehmer sind in der Regel nicht gewerkschaftlich organisiert, so dass hier auch kein Schutz gewährleistet ist. Dennoch sieht es Frau Kühn als politische Aufgabe an, sich zum Schutz der Arbeitnehmer auf der EXPO einzusetzen. Besonders an die Tarifverhandlungen mit den Tänzern will sie absolut kompromisslos herangehen. "Die Gesundheit der Tänzer gilt es insbesondere zu schützen und mehr als drei Shows pro Tag sind ihnen nicht zuzumuten", mit dieser Kernforderung geht sie heute Nachmittag in die Verhandlungen. Aber es geht nicht nur um die Arbeitszeiten, sondern ebenso um Urlaubsregelungen und eine Sprechergruppe, die unter dem gleichen besonderen Schutz wie ein Betriebsrat steht. An den Finanzen kann es nicht liegen, denn den Partnern des Themenparks ist eine "ordentliche Summe abgenommen worden", so Frau Kühn. Solche Arbeitsbedingungen waren ganz bestimmt nicht im Interesse der Partner im Themenpark Zukunft der Arbeit. Gerade eine Weltausstellung in einem modernen Sozialstaat wie der Bundesrepublik sollte aber wohl kein tariffreies Gebiet sein. Am 2. September findet übrigens der Tag der Gewerkschaften statt.