Urlaubsparadies Tschurjumow-Gerassimenko

Die Erde, der Mond und der Komet P67, wie sie unter denselben Lichtverhältnissen aussehen würden. Bild: Credit: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA & Gordan Ugarkovich (Earth); Robert Vanderbei, Princeton Univ (Moon); ESA/Rosetta/NAVCAM (67P/C-G)

Die Auswertung der ersten Daten der Rosetta-Sonde zeigt, dass der Komet P67 eine überraschend vielgestaltige Struktur besitzt - sogar mit Dünen kann Tschurjumow-Gerassimenko aufwarten

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Der Himmel ist schwarz, weil es keine Atmosphäre gibt. Der Astronaut, der seinen Fuß auf die Oberfläche des Kometen P67 setzt, hat das Gefühl zu schweben. Die 100 Kilogramm, die er samt Raumanzug auf der Erde auf die Waage brächte, wirken hier wie ein einziges Gramm. Sich zu orientieren ist genauso kompliziert wie sich zu bewegen. Wo Sonnenlicht hinfällt, erkennt der Astronaut eine dunkle Oberfläche. Im Schatten ist es auf P67 dunkel wie nirgends sonst, weil das Material des Kometen kaum reflektiert.

Dass er sich auf einem nur wenige Kilometer großen Himmelskörper befindet, kann der Weltraumforscher nicht erkennen, weil die Schwärze des Kometen nicht von der Schwärze des Alls zu unterscheiden ist. Die Steinwüste ist an manchen Stellen von Strukturen bedeckt, die aussehen, als hätte jemand schlampig Staub gewischt. Anderswo zeigen sich flache Dünen, obwohl hier oben noch nie ein Wind geweht hat.

Kometen gehören zweifellos zu den Objekten in unserer näheren kosmischen Umgebung, die seit der Entstehung des Sonnensystems von ihrer Umwelt am wenigsten verändert wurden. Bis sich tatsächlich ein Mensch von ihrer Tauglichkeit für einen Abenteuer-Urlaub überzeugen kann, dürften noch ein paar Jahrhunderte vergehen. Bis dahin müssen wir mit den Augen der Rosetta-Sonde und ihres Landers Philae vorlieb nehmen. Das Wissenschaftsmagazin Science stellt jetzt eine ganze Reihe von Beobachtungen vor.

Gruben, die Material in den Raum spucken. Manche sind nicht aktiv; manche dagegen werden laut Science wieder tätig. Bild: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA

Den Anfang macht dabei Virtis, ein Spektrometer, das im Bereich sichtbaren und infraroten Lichts arbeitet. Es hat den Aufbau des Kometenkerns genauer untersucht. Dabei fallen vor allem dunkle, nur wenig reflektierende, eisen- und kohlenstoffhaltige Komponenten auf, Minerale, die nichtflüchtige organische Moleküle enthalten. Stickstoff-Komponenten spielen hingegen kaum eine Rolle.

Auch Wassereis findet sich zumindest auf der der Sonne zugewandten Oberfläche kaum. Dabei ist die Oberfläche sehr homogen. Das lässt die Forscher vermuten, dass die Wechselwirkung mit kosmischer Strahlung nur eine unwesentliche Alterung erfolgt.

Aufnahme eines von zwei "Lobes" des Kometen aus 8 Kilometer Entfernung. Bild: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA

Das Instrument Osiris fotografiert den Kometen im sichtbaren und infraroten Bereich. Es hat dabei aus einer Entfernung von rund 30 Kilometern eine Auflösung von 80 Zentimetern pro Pixel erreicht. 70 Prozent der Oberfläche des Kerns konnten bisher auf diese Weise kartografiert werden. Dabei zeigten sich erstaunlich wenig Einschlagkrater - ein einziger konnte identifiziert werden.

Der Komet ist offenbar zumindest teilweise von einer 1 bis 5 Meter dicken Staubschicht bedeckt, die sich auch auf scheinbar senkrechten Flächen findet. Der Staub muss eine ganz andere Struktur als auf der Erde haben, weil die millimetergroßen Teilchen kaum vom Kometen angezogen werden. Die Forscher vermuten deshalb, dass sich im dieser Schicht sogar Polymere bilden könnten, also mehrkettige Moleküle.

Erosionen auf einem Kliff. Bild: Osiris

Dabei finden sich sogar Strukturen wie etwa Dünen oder Windschatten. Mangels Atmosphäre kann kein Wind dafür verantwortlich sein. Vielmehr dürften bei chemischen Reaktionen entstehende Gase (wenn auch von sehr niedriger Dichte) den Staub bewegt haben. Unter der Staubschicht beziehungsweise in einigen Regionen direkt an der Oberfläche hat Osiris gröberes Material entdeckt.

Einen anderen Prozess, der das Antlitz von P67 verändert, hat Miro im Blick. Das Instrument beobachtet P67 im Mikrowellenbereich und sieht dabei, wie P67 durch seine Annäherung an die Sonne allmählich ausgast, also flüchtige Stoffe aus seinem Inneren verliert. Dieser Vorgang begann offenbar schon früher, als man zunächst angenommen hatte.

Windähnliche Verformungen, hervorgerufen durch Gase; Bild: Osiris

Bis P67 im Sommer seinen sonnennächsten Punkt erreicht, werden die Forscher sicher noch weitere Hinweise auf die Entstehung des Sonnensystems erhalten. Was danach aus P67 wird, ist unklar: Schon 1959 hat ihn eine Begegnung mit Jupiter auf eine neue, deutlich sonnennähere Bahn als zuvor geführt.