Ursachen der zahlreichen Konflikte im Vielvölkerstaat Myanmar

Seite 5: Einwanderer aus Indien - koloniales Erbe

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Zum kolonialen Erbe zählten auch Millionen Menschen, die aus Britisch-Indien eingewandert waren und zum Zeitpunkt der Entlassung Burmas in die Unabhängigkeit als eine Art Kollateralschaden zwischen den Fronten standen. Bereits 1931, am Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise und zu Beginn des Unabhängigkeitskampfes, kam es in Rangun zu einem Massaker an indischen Bewohnern der Armenviertel. Tausende Menschen starben. Nur sieben Jahre später kamen wieder mehrere hundert Inder bei Unruhen um.

Die antiindische Stimmung wurde zu einem fixen Bestandteil des burmesischen Nationalismus. Kurz bevor Rangun 1942 in die Hände der Japaner fiel und die Stadt bereits dem Bombenhagel ausgesetzt war, verließen vor allem die betuchten indischen Bewohner auf allen verfügbaren Schiffen Rangun Richtung Madras und Kalkutta. Später, als die japanischen Aggressoren in rascher Abfolge weitere Provinzen Burmas einnahmen, bewegte sich ein großer Treck von gut zweihunderttausend Menschen zu Fuß und auf Ochsenkarren Richtung Arakan und über die unwirtlichen Berge nach Manipur in Indien. Die meisten Inder wurden aber erst später, nach 1948, in mehreren Wellen aus dem Land vertrieben. Dabei wurde auch die Bildungselite des Landes dezimiert, Ärzte, Rechtsanwälte, Lehrer, die seit Generationen in Burma lebten, oft nur noch Burmesisch sprachen.

Regierungen, sowohl die zunächst demokratisch gewählte, als auch jene an die Macht geputschte, benutzten die Rassenunruhen, zettelten sie an, um von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken. Andererseits wurden Inder von Burmesen als Handlanger der Kolonialherren angesehen. Sie waren überproportional stark im britischen Militär, der Polizei und der Verwaltung repräsentiert und, ähnlich wie Chinesen, wirtschaftlich geschickter, besser vernetzt, hatten Kontrolle über große Teile der Industrie, der Geschäfte und Banken.

Geldverleiher und Händler aus der südindischen Kaste der Chettyars profitierten überdurchschnittlich von den steigenden Reisexporten und der wirtschaftlichen Expansion unter der britischen Herrschaft. Sie beschlagnahmten das Land von Reisbauern, wenn diese mit ihren Schulden im Rückstand waren und verkauften es an Spekulanten weiter. Die Chettyars waren, im Unterschied zu Burmesen, mit der Geldwirtschaft vertraut und wurden deshalb bei diesen rasch zu verhassten Sündenböcken. Aus Kalkutta und Chittagong wiederum kamen tausende bengalische Hindus und Moslems, darunter viele Rechtsanwälte, Lehrer und Ärzte. Die meisten Einwanderer waren aber bitterarm und suchten in den boomenden Städten und Reisanbaugebieten Burmas ein besseres Leben.

Historiker gehen davon aus, dass die überwiegende Anzahl der Moslems aus Bengalen, v.a. der heutigen Region Chittagong, in dieser Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs ab 1891 in das heutige Rakhaing kamen und somit direkte Vorfahren der heutigen Rohingya darstellen. Die Tamilen aus der damaligen Provinz Madras und arme Bauern aus Orissa bildeten nun die neue Arbeiterklasse für die Fabriken ihrer reichen Landsleute oder der schottischen Industriellen.

In den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts, strömten jedes Jahr bis zu eine halbe Million Einwanderer aus Indien ins Land. In Rangun, der damaligen Hauptstadt, aber auch in vielen anderen Städten der Kolonie machten die indischen Arbeitsmigranten bereits die Hälfte der Bevölkerung aus. Sie prägten das gesellschaftliche und kulturelle Leben, sie vermischten sich zunehmend mit den ethnischen Burmesen. Doch diese Einwanderung passierte unter einer fremden Herrschaft. Da die Briten auch die ethnischen Minderheiten gezielt bevorzugten, führte dies auf der Seite der stolzen Burmesen, die einst selbst halb Südostasien beherrschten und die sowohl diese neuen Fremden, als auch die Bergvölker verachteten, zu Unmut und Hass. Sie hatten längst kein Mitspracherecht mehr, wurden zusehends verdrängt, entfremdet, ihre Komplexe und ihre Wut wuchs und mit ihnen der Widerstand gegen die Kolonialmacht.