Verborgene Parameter enden im Nirgendwo

Quanten-Erkenntnisse 75 Jahre nach Hiroshima

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Verborgene Parameter enden im Nirgendwo. So könnte man ein Ergebnis der Quantenphysik im 21. Jahrhundert titulieren, das sich von Albert Einsteins Vorstellungen immer mehr entfernt hat.

Vor mehr als hundert Jahren wurde damit begonnen, Atome und ihre Bauteile, sowie das Licht mit den Methoden der Quantenphysik zu beschreiben. Die Erkenntnisse aus den Experimenten standen im Widerspruch zur klassischen Physik. Es sollte nicht mehr alles einen Grund haben. Man beobachtet zufällige Ereignisse, die nur statistisch beschrieben werden können. Das einzelne Ereignis ist nicht vorhersehbar und es ist nicht vorher zu berechnen, ob und wann es stattfindet.

Radioaktive Kerne können ohne ersichtlichen Grund zerfallen, mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit, die man so angibt, dass man sagt, in welcher Zeit die Hälfte der Kerne zerfällt. Das ist die sogenannte Halbwertszeit, eine statistische Größe. Über den Zerfall eines einzelnen Atoms lässt sich keine Vorhersage machen.

Solche Erkenntnisse standen auch im Widerspruch zur allgemein gültigen Logik. Es war nicht abwegig zu vermuten, dass die klassische Logik trotzdem richtig ist und dass ein Grund für den spontanen Zerfall eines Atoms existiert, ein sogenannter verborgener Parameter. Albert Einstein war ein Anhänger dieser Denkweise und er formulierte seinen Zweifel an der Zufälligkeit so:

Gott würfelt nicht

Der Satz ist kein Beweis dafür, dass Einstein an Gott geglaubt hat, er wollte sagen: In der physikalischen Welt gibt es kein Ereignis, das dem Zufall überlassen ist. Es gibt kein Experiment, dessen Ergebnis ohne Grund so oder genau umgekehrt ausfallen kann. Diese Ansicht hat sich als falsch herausgestellt, doch sie ist auf der Welt unter denkenden Menschen auch im Jahre 2020 noch weit verbreitet.

Mit Albert Einstein als Leitfigur haben Legionen von Wissenschaftlern, Pseudowissenschaftlern, Logikern und Philosophinnen nach verborgenen Parametern gesucht. Dass sie keine gefunden haben, ist noch kein Beweis, dass es sie nicht gibt. Es ist generell äußerst schwer zu beweisen, dass es irgendetwas nicht gibt.

Erfolgreicher, als nach verborgenen Parametern zu suchen, ist es, die Dinge, deren Existenz nicht bewiesen ist, nicht zu berücksichtigen und sie gewollt oder ungewollt zu vergessen.

Genau das taten viele Physiker. Sie suchten nicht nach den verborgenen Parametern, sondern sie änderten ihr Denken und passten es der neuen Realität von Photonen, Elektronen, Protonen und Neutronen an. Sie lernten das Denken in Quanten und in Zufällen aus der atomaren Erfahrung, wie es die Physik seit Galileo Galilei vorschreibt:

Das Experiment ist entscheidend

Der Zerfall von Atomen hängt davon ab, welche Isotope eines Elements vorliegen. Uran 232 zerfällt schnell. Neutronenströme beschleunigen den Zerfall. Wenn man aus dem natürlichen Uran das Isotop 232 anreichert, kann es blitzschnell gehen. Andererseits kann man diesen Prozess drosseln durch den Einschub von Elementen, die Neutronen aufnehmen.

Die Ideen eines Atomreaktors und der Atombombe sind damit gleichzeitig geboren: Uran 232 anreichern, explosives Material unter Kontrolle halten, die Kontrolle schnell entfernen, explosive Teile zusammenfügen.

In diesen Tagen jährt sich zum 75. Mal der Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima im bereits militärisch besiegten Japan, dessen Kaiser damals noch nicht kapituliert hatte. Deutschland hatte kapituliert, weil die Sowjetarmee in Berlin stand.

Die Berechnungen der Atomphysiker, basierend auf den Grundlagen der Quantenmechanik, wurden so brutal wie nur möglich angewandt und sie gelten mit unschlagbar hoher Sicherheit. Nach den beiden Bombenabwürfen der USA sind viele tausend Atomwaffen gebaut worden, man hält sie zurück, doch es ist todsicher, dass sie losgehen, wenn man sie zündet.

Die wesentlich langsamere und kontrollierte Kernspaltung in Atomkraftwerken zur Gewinnung von Prozesswärme wird nach zwei verheerenden Unfällen hoffentlich irgendwann eingestellt.

Quantenphysik und Erkenntnis-Theorie

Inzwischen sind die Experimente der Physiker wesentlich intelligenter geworden; sie dienen der Erkenntnis und der höheren Technik, nicht der Zerstörung und radioaktiven Energie. Es ist inzwischen sogar gelungen, den Nachweis zu bringen, dass es die verborgenen Parameter der Quantenphysik nicht gibt. Im Gegenteil. Die klassische Logik muss ausgeblendet werden. Ereignisse ohne Ursache, die sich statistisch korrekt beschreiben lassen, gibt es genug.

Es ist in vielen Bereichen, nicht nur in der Quantenphysik, angesagt, nicht-kausale Zusammenhänge zur Kenntnis zu nehmen und dieses Denken auch anzuwenden, wenn es einen Grund geben könnte, den man aber nicht kennt oder nicht erfahren kann. Der Denkzwang, hinter allem, was sich statistisch entwickelt, einen Steuermechanismus oder eine steuernde Macht zu suchen, geht oft am Ziel vorbei.

Das Ziel ist, die Dinge zu verstehen. Man versteht sie am besten so, wie sie sich zeigen, nicht wie es der eigene Kopf oder eine Autorität oder Tradition und die herrschende Meinung vorschreiben.

Die Quantenphysik hat uns sehr schräge Zusammenhänge präsentiert, genau wie die gleichzeitig entstandene Jazzmusik. Es gibt sogar elementare Ereignisse, die keine eindeutige Lokalität haben, die also die Kategorie des Raumes nicht zur Kenntnis nehmen, die an zwei verschiedenen Orten stattfinden und doch das gleiche Ereignis sind.

Verschränkte Photonen, ewige Zwillinge im Weltall

Verschränkte Photonen bewegen sich in entgegengesetzte Richtungen und egal, wie weit sie sich voneinander entfernen, sie bleiben ein einziges Quantenereignis, beschrieben durch eine einzige Schrödinger-Gleichung.

Diese Dinge werden experimentell bestätigt, mit der Statistik großer Zahlen und sie gelten auf beliebige Distanzen. Es ist wahrscheinlich, dass sich verschränkte Photonen seit Milliarden Jahren im Weltall bewegen und ihr Quantenzustand hat sich nie geändert.

Um das im Kopf auszuhalten, sagt man sich am besten, dass Photonen gar keinen Ort als Teil ihrer Realität besitzen, ein Ort ist da, wo sie auftreffen und eine Reaktion auslösen, zum Beispiel den Quantensprung eines Elektrons. Photonen haben einen Ort ihrer Entstehung und gegebenenfalls einen Ort ihrer Vernichtung, dazwischen sind sie nur eine Frequenz, eine Richtung und Energie mit Lichtgeschwindigkeit, also Licht.

Realität ist weniger, als man denkt

Mit verschränkten Photonen lässt sich statistisch nachweisen, dass die Annahme eines verborgenen Parameters, falsch ist. Dieser Nachweis funktioniert nach einer komplizierten Logik, quantitativ formuliert in der sogenannten Bellschen Ungleichung. Die Bellsche Ungleichung müsste immer erfüllt sein, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den verborgenen Parametern und der Lokalität verschränkter Photonen bestünde.

Diese verborgene Parameter müsste in der Lage sein, nach eigenen Gesetzen einmal dies und einmal das zu bewirken, und so die Korrelation der Ereignisse (die Abhängigkeit der statistischen Ergebnisse voneinander) zu verringern, also mehr Zusammenhang herzustellen. Aber die Korrelationen der Messergebnisse an verschränkten Photonen sind größer als die klassische Annahme zulässt.

Die verschränkten Photonen sind, wie schon erwähnt, eine Einheit, die durch eine einzige Schrödingergleichung korrekt beschrieben wird. Die Bellsche Ungleichung ist nicht erfüllt, die Photonen folgen der Logik der Verschränkung, sie sind an verschiedenen Orten, aber identisch.

Schwer vorstellbar, doch statistisch nachgewiesen

Der menschliche Verstand wehrt sich gegen solche Erkenntnisse und das ist nicht verwunderlich, er besteht ja aus lebendigen Zellen. Das ist eine ganz andere Welt. Das Gehirn bildet die Realität draußen nur ab, es kann sie nicht nachvollziehen, weil es eine völlig andere Konsistenz hat. Und doch ist es in der Lage, immer mehr Dinge zu verstehen, wenn es anfangs auch schwer fällt, harte Fakten zur Kenntnis zu nehmen.

Was Albert Einstein vermutete, ist falsch. Es gibt keine verborgenen Parameter in der fundamentalen Welt der Quanten. Die Realität ist so einfach, wie sie sich präsentiert. Oft fehlen Zusammenhänge, nach denen wir gesucht haben:
Es fehlt der Grund,
es fehlt die Lokalität,
es fehlt ein zeitlicher Ablauf,
es fehlt die Möglichkeit der genauen Beobachtung,
es fehlt das einzelne Ereignis.

All das kann in der Quanten-Realität fehlen und wer danach sucht, verschwendet Zeit, nicht physikalische Zeit, sondern Lebenszeit.

Wenn man das zur Kenntnis genommen hat, kann man daraus einiges lernen. Quantenphysik sagt viel über die Grundlagen der Wahrnehmung. Die Quantenlogik ist genauso gültig wie die herkömmliche Logik der Mathematik und Philosophie, sie ist ein fundamentaler Teil der Erkenntnis von Wirklichkeit.

Quantenlogik lehrt uns, nicht immer nach dem Grund zu suchen, nicht immer nach einem Verursacher zu suchen, nicht immer nach einem Ort der Entstehung zu suchen. Und nicht nach Göttern und Teufeln zu suchen, die dahinter stecken.

Es gibt möglicherweise auch bei auffälligen und weit verbreiteten (statistischen) Ereignissen in der Menschenwelt keine verborgenen Parameter und das heißt, es gibt auch wahrscheinlich niemanden, der als Verursacher oder Teil einer geheimen Regentschaft dahinter steckt.

Gott würfelt nicht. Der Teufel hat aber auch nicht Würfel heimlich gezinkt.

Rob Kenius ist Systemkritiker und betreibt die Webseite kritlit.de.

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