"Verbraucher vor sich selbst zu schützen, geht mir ein bisschen zu weit"
Die FDP-Vize-Bundesvorsitzende Katja Suding über die Klimapolitik der Liberalen, was für eine Jamaika-Koalition entscheidend werden dürfte
Katja Suding ist der FDP-Shooting Star der letzten Jahre. 2011 führte sie die Hamburger FDP nach acht Jahren wieder über die 5-Prozent-Hürde. Nach den Knock-Outs der Bundes-Liberalen um 2013 gelang unter ihrem Vorsitz in Hamburg 2015 danach dann auch das bundesweite Comeback der Partei mit Patrick Lindner. Im Wahlkampf damals vollführte sie mit einem Playboy-Shooting einen unkonventionellen Medien-Hype.
Suding verteidigte 2015 ihr Direktmandat in Blankenese/Altona für die Hamburger Bürgerschaft, was für kleine Parteien sehr selten ist - für die Wahlen zum neuen Bundestag ist sie Spitzenkandidatin der Hamburger FDP und auch erneut Direktkandidatin. In Berliner Politik-Kreisen gilt sie als Top-Favoritin für einen Ministerposten in der neuen Bundesregierung.
"Wir sind gerade dabei, die Welt zu verändern", erklärte Angela Merkel nach Fukushima und läutete damit die Energiewende und die globale Klimadiskussion auf weltpolitischer Ebene ein. Während vor allem die Neuen Ökonomien z.B. aus der Internetwirtschaft diese Neuausrichtung der globalisierten Wirtschaft unterstützen, warfen sogenannte "Klima-Skeptiker" aus allen politischen Richtungen weltweit den sogenannten "Klima-Befürwortern" vor, alleine aus den Berichten des IPCC heraus eine Weltuntergangs-Stimmung zu interpretieren, die keine nachweisbare wissenschaftliche Grundlage habe. Den "Neocon"-Klima-Kritikern wird hauptsächlich vorgeworfen, aus monetär-strukturellen Gründen alte Industrien zu verteidigen. Andererseits gibt es personelle Verflechtungen z.B. durch Aufsichtsratsposten in Green Energy-Unternehmen bei Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen.
Durch die Präsidentschaft von Donald Trump, den VW-Dieselskandal, diverse Lebensmittelskandale und scheinbar vermehrte Unwetter-Ereignisse ist auch in Deutschland die Diskussion um Öko-Themen neu entflammt. In den letzten Wochen konzentrierte sich dieser Wahlkampfstreit zwischen FDP und Grünen - dokumentiert von der Online-Plattform Klimaretter, einer Lobby-Organisation der Energiewende-Unternehmen.
"Die Erneuerbare-Energien-Branche braucht mehr Markt und weniger staatliche Regulierung"
Alle reden vom Wetter - und fast alle meinen, der Klimawandel war in diesem Sommer quasi der indianische Regenmacher. Manche aus der FDP behaupten nun das Gegenteil. Warum das denn?
Katja Suding: Der Klimawandel ist eine Tatsache, das ist klare Position der Freien Demokraten. Die Diskussion über seine Ursachen und insbesondere die Frage, wie stark der menschliche Einfluss dabei ist, muss erlaubt sein - genau wie die Debatte über adäquate Reaktionen.
In den 80ern galten Ökos als Spinner, heute gelten die "Klimaskeptiker" als Spinner, gar als Ketzer am reinen Glauben des Zeitgeistes. Gibt es denn nach Ihrer Einschätzung klare Fakten oder eben nur Prognosen?
Katja Suding: Es gibt eine Debatte auch um die IPCC-Berichte. Und daraus resultieren unterschiedliche Einschätzungen, was zu tun ist. Wir Freie Demokraten stehen jedenfalls zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens.
: EEG-Verlierer aber sind z.B. einfache Haushalte, die hohe Stromkosten dadurch bezahlen. Würde sich diese Entwicklung unter Schwarz-Gelb fortsetzen?
Katja Suding: Die Erneuerbare-Energien-Branche braucht mehr Markt und weniger staatliche Regulierung. Das wurde auch gerade auf der Husumer Windmesse ziemlich einhellig gefordert. So können dann auch die Erzeugerkosten und am Ende die Strompreise im Zaum gehalten werden.
Von FDP-Politikern wurde mehrfach ein Abbau der Subventionen für "Öko-Unternehmen" gefordert. Retten die nicht die Welt, wie viele glauben?
Katja Suding: Subventionen - für welche Branchen auch immer - sind Marktverzerrungen mit Steuermitteln. Sie sollten deshalb immer nur zeitlich begrenzt und in sachlich begründeten Ausnahmefällen gewährt werden. Die Erneuerbare Energien-Branche löst sich gerade aus dem Subventionsgriff und das ist gut so: Ihre Produkte setzen sich am Markt durch und brauchen so immer weniger staatliche Unterstützung.
Unternehmen wie Tesla gelten als besonders cool, weil sie ganz neue Autos erschaffen wollen. Würden Sie sich so ein Auto kaufen?
Derzeit nicht: Zu teuer und zu unausgereift. Ich bin aber sehr gespannt, was die deutschen Hersteller an vergleichbaren Fahrzeugen in nächster Zeit auf den Markt bringen.
Deutschland ist wohl das einzige Land, in dem es z.B. in Baden-Württemberg quasi eine "Müllpolizei" gibt: Ordnungsämter kontrollieren Hausmüll auf sog. "Fehleinwürfe". In einigen Städten gibt es Mieter-Kurse der Stadt für Flüchtlinge, in denen u.a. das korrekte Mülltrennen gelehrt wird. Ist das wirklich sinnvoll?
Katja Suding: Ich halte das für übertrieben.
Das bekannte Klimafolgenforschungs-Institut aus Potsdam geht davon aus, dass die Flüchtlingswelle seit 2015 nur eine kleine Vorhut dessen ist, was durch den Klimawandel entstehen wird. Ist das realistisch oder Panikmache?
Katja Suding: In jedem Fall gibt es derzeit keine Anzeichen, dass die Zuwanderung nach Europa und Deutschland geringer wird. Deshalb braucht Deutschland endlich ein Zuwanderungsgesetz, damit wir uns abseits von Asylgründen qualifizierte Fachkräfte für unseren Arbeitsmarkt aussuchen können.
Die Frage des Klimawandels ist sehr emotional aufgeladen. Wie erklären Sie sich das denn?
Katja Suding: Die unterschiedliche Bewertung von Fakten führt zu unterschiedlichen Einstellungen, die bei manchen Menschen und politischen Gruppierungen zu Glaubenssätzen mutieren. Das hilft weder der Debatte noch der politischen Entscheidungskultur weiter.
Auf St. Pauli oder Berlin ist es fast schon schwierig, noch eine Currywurst aus Fleisch zu bekommen, dafür gibt es in einigen Kiezen einen Vegan-Imbiss neben dem anderen. Ist das nun fortschrittlich oder nicht?
Katja Suding: Der Fortschritt liegt hier wohl im Auge (oder Gaumen) des Betrachters.
Und die sog. Lebensmittel-Ampel ... Sind die Leute wirklich zu dumm zum Essen?
Katja Suding: Verbraucherschutz ist wichtig. Aber Verbraucher vor sich selbst zu schützen, geht mir ein bisschen zu weit.
Und fliegen Sie noch mal auf die Malediven, bevor die untergehen?
Katja Suding: Im Moment bereite ich mich darauf vor, nach der Bundestagswahl als Hamburger Abgeordnete häufig nach Berlin zu pendeln, im Regelfall mit dem Zug - das reicht erst Mal an Reisetätigkeit.