Verfassungsrecht auf Live-Übertragung einer Hinrichtung?

Ein amerikanisches Internetunternehmen zieht vor Gericht, um die Hinrichtung des Terroristen McVeigh übertragen zu dürfen

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Für das Entertainment Network (ENI), Betreiber von Porno-Websites wie VoyeurDorm.com oder DudeDorm.com, ist es ein Verfassungsrecht der Bürger, der Hinrichtung von Timothy McVeigh zuschauen zu dürfen. Der aus rechten Kreisen stammende McVeigh, der 1995 mit einem Bombenattentat auf ein Bürogebäude in Oklahoma City 168 Menschen getötet hatte und selbst zum Tod verurteilt wurde, hatte bereits auch selbst den Wunsch geäußert, dass seine Hinrichtung nicht nur schnell erfolgen, sondern auch durch die Medien übertragen werden soll.

Gestern hat ENI eine Klage beim Bezirksgericht in Indiana eingereicht, um die Erlaubnis zu erhalten, die Hinrichtung von McVeigh, die für den 16. Mai mittels einer Giftspritze geplant ist, live über das Internet übertragen zu dürfen. Nach der Begründung stelle der Fall eine Verfassungsfrage dar. In Frage gestellt wird, ob die Regierung den Zugang zu einem Ereignis von "überragendem öffentlichem Interesse" verhindern dürfe. Am 26. März hatte das U.S. Bureau of Prisons das Gesuch von ENI abgelehnt, die Hinrichtung übertragen zu dürfen. An die 1300 Journalisten hätten sich bereits angemeldet, um über die Hinrichtung zu berichten. Die Journalisten, die zur Hinrichtung zugelassen werden, haben zusichern müssen, ihre Beobachtungen den übrigen Medien zur Verfügung zu stellen. Der Verbot, die Hinrichtung direkt übertragen zu können, sei ein Kompromiss zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit an Hinrichtungen und dem Interesse des Justizministeriums, das Ereignis nicht zur Sensation werden zu lassen.

Für Derek Newman, den Rechtsanwalt, der ENI vertritt, verstößt die Ablehnung gegen die amerikanische Verfassung, da "die Menschen ein Recht darauf haben, die Umsetzung der Gerechtigkeit" gegen McVeigh zu verfolgen. Wenn die Regierung die Tötung eines Menschen "im Auftrag der Bürger" bezahlt, dann müsse diese auch der Öffentlichkeit gezeigt werden. Die Verhinderung einer "Reportage" über das Ereignis durch ENI einzig aus dem Grund, dass diese sensationslüstern sei, sei nicht verfassungskonform. Überdies lasse die Hinrichtung Fragen über Grausamkeit und unübliche Bestrafung entstehen: "Die Beobachtung durch die Öffentlichkeit der Hinrichtung selbst und ein transparenter Regierungsvorgang ist die Grundlage für eine Diskussion und Argumentation über Hinrichtungen durch die Staatsbehörden und die Verdienste eines solchen bedeutsamen Ereignisses".

Newman räumt zwar ein, dass es Grenzen des Rechts auf Veröffentlichung gebe, aber im Fall von McVeigh handele es sich um ein "großes Regierungsereignis", da seit den 60er Jahren das erste Mal die Bundesregierung wieder die Hinrichtung ausführt. Das Attentat sei zudem der größte terroristische Anschlag auf amerikanischen Boden und gegen die amerikanischen Bürger gerichtet gewesen. Eine "vorurteilsfreie Kamera" würde eine völlig andere Botschaft vermitteln als die Berichte von Reportern. Überdies seien bis 1936 die meisten Hinrichtungen öffentliche Ereignisse gewesen.

ENI versichert, man würde den Zugang zum Live-Webcast blockieren, indem man mit den Herstellern von Filtern zusammenarbeite und eine Kreditkarte zum Anschauen verlange. Die Gebühr von 1,95 US-Dollar wolle man einer Stiftung für die Opfer des Bombenanschlags zuführen.