Verfassungsschutz und US-Geheimdienste unter einer Decke
Vor allem der CIA werden vom deutschen Inlandsgeheimdienst Daten geliefert, angebliche Terrorbekämpfung muss als Rechtfertigung für die gute Zusammenarbeit herhalten
Der schon unter der schwarz-gelben Bundesregierung praktizierte Unwille, die anlasslose Massenüberwachung der Kommunikationsdaten von Deutschen seitens der amerikanischen und anderer Geheimdienste zu beenden, hat die schwarz-rote Regierung fortgesetzt. Es wird Druck auf den Untersuchungsausschuss wegen der geplanten Anhörung von Snowden ausgeübt und schon einmal erklärt, dass die Aufklärungsbereitschaft sehr begrenzt sein wird. Der Generalbundesanwalt wollte schon alle Vorermittlungen einstellen und konnte sich dann nur dazu durchringen, lediglich Ermittlungen wegen des abgehörten Kanzler-Handys aufzunehmen, die vermutlich gleich wieder im Sand verlaufen werden (Der Generalbundesanwalt, der zum Jagen getragen werden musste). Der BND wird mehr Geld erhalten, um noch umfangreicher etwa auch in sozialen Netzwerken lauschen zu können. Und der Bundesverfassungsschutz, der eigentlich auch Auslandsspionage abwehren soll, liefert lustig und immer mehr Daten an die amerikanischen Geheimdienste.
Die Zusammenarbeit funktioniert offenbar auch nach den Snowden-Enthüllungen noch prächtig. Wie aus Geheimdokumenten, die NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung zugespielt wurden, hervorgeht, hat der Verfassungsschutz im ersten Quartal dieses Jahres bereits Daten in 400 Fällen an die Amerikaner weitergegeben. 2013 sollen in insgesamt 1163 Fällen vertrauliche Daten vom Inlandsgeheimdienst weitergereicht worden sein. In den letzten vier Jahren, in denen die Terrorbedrohung in Deutschland nicht gerade sprunghaft angewachsen ist, hat sich die Zahl verfünffacht. Gegenüber NDR, WDR und SZ bestätigte der Verfassungsschutz die Zusammenarbeit, man halte sich dabei strikt an die Gesetze. Dass beim Datensammeln gerne mal über die Stränge gehauen, wurde erst vor kurzem wieder deutlich: 40 Prozent der Daten des Verfassungsschutzes Niedersachsen müssen gelöscht werden.
Leider scheint aus den Dokumenten, in die NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung der Öffentlichkeit keinen Einblick gewähren, nicht hervorzugehen, wer davon betroffen ist. Klar dürfte nur sein, dass es sich um Deutsche oder um Ausländer handelt, die sich in Deutschland aufhalten. Im Ausland ist der BND zuständig, der auch eng mit den US-Geheimdiensten zusammenarbeitet und vermutlich auch Daten liefert, die der tödlichen Jagd auf Terrorverdächtige oder Aufständischen mittels US-Drohnen dienen. NDR, WDR und SZ vermuten, dass beispielsweise Mobilfunknummern, Verbindungsdaten und Informationen zur Ein- und Ausreise Verdächtiger weitergegeben werden.
Der Verfassungsschutz arbeitet offenbar primär mit der CIA oder dem FBI, nicht mit der NSA wie der BND zusammen. Die meisten Anfragen zur Weiterreichung von Daten kamen vom "Joint Issues Staff", zu dem auch der "Special Collection Service" gehört, der das Handy der Kanzlerin abgehört hat. Die Frage ist, inwieweit das Parlamentarische Kontrollgremium über die Datenweitergabe informiert wurde. Der Verfassungsschutz soll aber auch mit einer "Testversion" des NSA-Massenüberwachungsprogramms XKeyscore ausgestattet worden sein, der BND benutzt es weiterhin.
Update: Hans-Christian Ströbele erklärte heute nachmittag: "Die heutigen Berichte bezüglich Datenübermittlungen an auswärtige Geheimdienste haben mich überrascht. Ich will darüber nun rasche Aufklärung von den deutsche Diensten. Ich habe daher heute beim Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums beantragt, auf dessen nächster Sitzung die Präsidenten der Dienste darüber Bericht erstatten zu lassen."
Das würde bedeuten und bestätigen, dass das Kontrollgremium eigentlich keines ist und die Geheimdienste zumindest teilweise außerhalb der parlamentarischen Kontrolle arbeiten.
Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen hatte zwar das Abhören unter Freunde leise bedauert, aber erst kürzlich wieder versichert, wie wichtig die Zusammenarbeit mit den amerikanischen Geheimdiensten sei. Nach Angaben der SZ erhält der Verfassungsschutz jedes Jahr mehr als 1000 Datensätze von den Amerikanern, das wäre dann ein "ausgewogener" Austausch. Schuldig bleiben BND und Verfassungsschutz bislang die Antwort auf die Frage, wie wichtig der Informationsaustausch wirklich ist, um dafür die massenhafte Verletzung des Grundgesetzes in Kauf zu nehmen.