Vergib niemals die Chance auf Sex oder einen Fernsehauftritt!

Campus Watch: Online-McCarthyismus und eitle PR-Athletik

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Das Bemerkenswerte an der Aufregung, die Daniel Pipes und sein Middle East Forum mit der kürzlich gegründeten Website "Campus-Watch" entfacht hat, liegt weniger darin, dass man es hier mit einem neuaufgelegten McCarthyismus zu tun hat, sondern dass sie, statt einen Streit der Ideen, wie von Pipes lautstark gefordert, ein sattsam bekanntes Aktion-Reaktions-Schema mit den derzeit gängigen Polarisierungen in Gang gesetzt hat. Sie folgt den üblichen Aufmerksamkeitsgesetzen, produziert inhaltlich überhaupt nichts Neues und findet ihre Höhepunkte in Hahnenkämpfen, in denen das allgemeine Kriegsgeraune die affektive Ladung bereitstellt, um das Gegenüber eben nicht mit Argumenten zu überzeugen, sondern verbal nieder zu schnabeln, zu hacken oder zu picken.

Der Mann hat eine Mission zu erfüllen, und er tut dies mit vollem Einsatz: Daniel Pipes, Chefaufklärer in Sachen Zivilisation versus Islam und Vorsitzender des Middle East Forums, befindet sich schon seit geraumer Zeit im Krieg gegen den militanten Islam, dessen Bedrohung er, wie er sich in seinen Newsletters gerne rühmt, bereits lange vor dem 11. September 01 erkannt hatte. Pipes ist nicht zimperlich mit seinen Worten. Übertreibungen und pauschale Verdächtigungen liegen ganz oben in seinem Repertoire. So nannte er beispielsweise die Führer der meisten muslimischen Institutionen in den USA "unamerikanische, fremde Elemente", die im Verdacht stünden, "einen Geheimplan zu nähren, dessen Ziel es ist, aus den Vereinigten Staaten ein muslimisches Land zu machen". Wo immer er auftritt - allein im letzten Jahr absolvierte die spezial-force-unit Pipes über 500 Auftritte bei Radio- und Fernsehsendern an der home-front USA -, sorgt er für heftige Reaktionen und lauten Streit mit seinen Interviewpartnern.

Campus-Watch ist sein neuester PR-Coup. Innerhalb einer Woche wurden 80.000 Hits registriert. Nicht besonders viel. Bemerkenswert aber war die Resonanz der amerikanischen Medien. Binnen vierzehn Tagen entzündete sich in bekannten amerikanischen Blättern wie der New York Times, der Newsweek, der Time, der Washington Post, dem Wall Street Journal und im Fernsehsender CNN eine Debatte darüber, ob die "Dossiers" über verdächtige Professoren, die Pipes auf seiner Website aufgelistet hatte, eine Art "CyberMcCarthyismus" seien oder ein legitimes, weil auf der Redefreiheit fußendes Instrument, das auf den schwelenden Antisemitismus in den Universitäten der USA aufmerksam mache.

Die Website, so die offizielle Erklärung Pipes, wurde ins Leben gerufen, um amerikanische Interessen auf dem Campus zu verteidigen. Eingeschlossen in diese Interessen sei auch die fortwährende Unterstützung von Israel.

Einerseits ginge es darum, Universitätsprofessoren der Middle East Studies auf die Finger zu sehen, da sie nach Auffassung von Pipes und anderer einschlägiger Experten in ihrer Arbeit "große Fehler" begingen, indem sie den Islam verhamlosen. Andrerseits wolle man auch etwas gegen einseitige, tendenziöse, meist antiisraelische Lehrmeinungen zum Nahostkonflikt unternehmen, weswegen auf Campus-Watch eine Liste derjenigen Universitätsinstitute erscheint, bei denen solche Tendenzen beobachtet würden. Des Weiteren werden Studenten dazu eingeladen, Professoren der Fakultäten, die sich mit dem Nahen Osten beschäftigen, der Website zu melden, sollten diese in ihren Vorträgen, Seminaren etc. "vorurteilsgeprägte" Aussagen oder Ansichten über den Mittleren Osten, den Islam oder generell über Außenpolitik äußern.

Besonders lautstark reagierten die Kritiker Pipes auf dessen Veröffentlichung von "Dossiers" über Professoren, die sich solcher Aktivitäten schuldig gemacht haben. Die Veröffentlichung von "schwarzen Listen" und die Wortwahl würden an nationalsozialistische Methoden erinnern, hieß es. In den "Dossiers", die mittlerweile vom Netz genommen wurden, konnten die Besucher der Webseite Kurzbiographien, Artikel und andere nützliche Informationen, wie z.B. die Mailadresse und die Bürotelefonnummer von z.T. sehr bekannten Professoren nachlesen, die bei Pipes und seinem Watch-Team in Ungnade gefallen waren. Wie etwa Professor John Esposito, der die Liste lange Zeit anführte, weil er Präsident Bushs Äußerung, es gehe um einen Kampf zwischen den Kräften des Guten und des Bösen, für religiös und wenig differenziert ("as it leaves no middle-ground for anyone") hält und dies öffentlich geäußert hatte.

Hamid Dabashi, einem prominenten Columbia-Professor auf der Blacklist von Pipes, wird vorgeworfen, dass er ein Seminar unterbrach, um mit seinen Studenten eine politische Versammlung auf dem Campus zu besuchen. Die neue Prominenz durch Campus-Watch hatte, wie es heißt, unangenehme Folgen für die Professoren: Esposito und andere wurden nach Veröffentlichung ihrer Dossiers von Hass-Emails überschüttet.

Aber es gab auch die üblichen politisch-korrekten Solidaritätserklärungen. Judith Butler, eine nicht nur in den USA sehr bekannte Gender-Studies-Professorin, wollte sich freiwillig auf die Liste setzen lassen und hundert weitere, weniger bekannte Lehrstuhlinhaber ebenfalls.

Dass die Debatte sich derart entzünden konnte, liegt unter anderem daran, dass (auch) hier zwei brisante Formeln (aber unterschiedliche Themen) miteinander zur Reaktion gebracht werden und schließlich kaum mehr voneinander zu trennen sind: der Krieg gegen den Terrorismus und der Antisemitismus - und wenig Grauzone dazwischen.

Tatsächlich gibt es genug Indizien für Antisemitismus in amerikanischen Universitäten. Das so genannte "Divestment movement", das einseitig israelische Menschenrechtsverletzungen verurteilt und Schulen wie Universitäten dazu aufruft, Gelder aus Israel nicht anzunehmen, sondern sich derer zu entledigen (divest), sowie wiederholt beobachtete Sammelaktionen für palästinensische Untergrundorganisationen auf dem Campus, sorgten z. B. in Harvard dafür, dass sich dessen Präsident Lawrence H.Summers in einer oft zitierten Rede über antisemitische Tendenzen und Aktivitäten beunruhigte.

Campus-Watch und der Hardliner Pipes verdanken diesen Spannungen eine stetig wachsende Popularität in den Medien. Der Experte für Terrorismus, Islam, Irak, den arabisch-israelischen Konflikt, Saudi-Arabien usf. steht mindestens einmal pro Woche vor laufenden Kameras - "Take half of Gore Vidal's Advice when he says 'never miss a chance to have sex or appear on television'. Going on television regularly really does improve one's status in life." - und unterhält das Publikum mit markigen Sätzen über Professoren: "Sie sind Extremisten. Sie missbrauchen ihre Macht im Seminarraum."

Pipes verfolgt hehre Ziele, seine Methoden sind es nicht.

Was einen "Streit der Ideen initiieren soll(te)", so Pipes' Legitimation seiner provokanten Webseite, gerät in seinen Fernsehauftritten, siehe Debating Campus-Watch.org, meist zu einem rhetorischen Showdown, der üblen Verhörtechniken ähnelt.

Es mag Menschen geben, welche der Krieg und die Aufregung, die damit verbunden ist, von Langeweile und anderen inneren Miesepetrigkeiten ablenken kann, ähnlich wie in der großen Politik. Sobald sie sich im Krieg befinden,

haben sie eine Mission, eine Aufgabe, der sie sich mit Haut und Haaren hingeben können.

Frage: Ist Pipes ohne den militanten Islam möglich?

Anwort: Pipes persönliches Fazit ein Jahr nach dem 11.September:Mein Medien-Jahr

  1. 8 lange Artikel
  2. 80 kurze Artikel
  3. 110 TV-Auftritte
  4. 120 Vorträge
  5. 360 Erwähnungen in den Medien ("that I know of")
  6. 450 Radio-Interviews
  7. Zunahme der Newsletter-Abonnenten von 2000 auf 14000