Verlangt Merkel ein Referendum in Griechenland?
Helle Aufregung herrscht in Griechenland über einen Anruf von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim griechischen Staatspräsidenten Carolos Papoulias
Die Kanzlerin verlangte vom Präsidenten, wie das Präsidialamt bestätigte, dass dieser den kommissarisch das Land bis zu den Neuwahlen am 17. Juni regierenden Premier Panagiotis Pikrammenos dazu bewegt, zusätzlich zu den Wahlen ein Referendum pro oder contra Euro durchzuführen. In einer ersten Reaktion verkündete Dimitris Tsiodras als kommissarischer Regierungssprecher: "Es ist offensichtlich, dass dieses Thema nicht in die Kompetenz der kommissarischen Regierung passt."
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der in Athen weilt, bestätigte, dass es "einige europäische Staaten gibt, die ein Referendum wünschen. Tatsächlich aber sind die Wahlen das Referendum". Griechische Spitzenpolitiker wie der ehemalige Umweltminister Ioannis Maniatis von der PASOK zeigten sich entsetzt: "Erst hat Merkel durch ihre Haltung den IWF nicht nur nach Griechenland, sondern auch nach Europa gebracht - und nun dieser ungeheuerliche Affront."
Kommentatoren sehen in dieser erneuten Auflage eines Euroreferendums eine Steilvorlage für einen Wahlsieg des SYRIZA. Alexis Tsipras, der Vorsitzende des SYRIZA, meinte: "Frau Merkel hat es sich angewöhnt die politische Führung Griechenlands so anzusprechen als wäre das Land ein Protektorat. Dieses Recht haben die Herren Venizelos und Samaras mit ihrer Haltung und ihren Briefen (den eidesstattlichen Versicherungen zum Sparkurs – Ergänzung des Übersetzers) gegeben." Er ergänzte: "Das griechische Volk wird an Frau Merkel die ablehnende Antwort mit den Wahlen des 17. Juni geben und die Memoranden des Sparzwangs, der Unterwürfigkeit und der Ehrlosigkeit beenden und somit den Weg für positive Entwicklungen in ganz Europa frei machen."
Für Samaras von der Nea Dimokratia war der Referendumsvorschlag "unglücklich". Das griechische Volk brauche kein Referendum, "um sein Bekenntnis zum Euro zu beweisen". Und er sagte weiter: "Aber das griechische Volk hat ein Recht darauf, von seinen Partnern geachtet zu werden." Panos Kammenos, der Gründer und Vorsitzende der Unabhängigen Griechen twitterte über seinen persönlichen Account: "Deutschland kann, wenn es wünscht im eigenen Hoheitsgebiet Referenden abhalten und aus der Eurozone austreten. Wir haben dieses Dilemma nicht."
Vom bei den letzten Wahlen knapp gescheiterten Sammelbündnis LAOS kam eine offizielle Stellungnahme: "Der Vorschlag von Frau Merkel ist nicht nur eine unannehmbare Einmischung sondern auch ein provokanter Fehler der deutschen Politik, der uns erzürnt." Die Kommunisten reagierten ebenso: "Die KKE verwirft die Erpressung zum Referendum, das A. Merkel mit der Frage "Euro oder Drachme" haben will, und prangert sie an."
Grund für die ganze Aufregung war eine offizielle Stellungnahme des Präsidialamts zum Telefonanruf und die vom kommissarischen Regierungssprecher Dimitris Stroikos herausgegebene Pressemeldung:
Premier Panagiotis Pikrammenos hat nach einem Telefonanruf des Präsidenten der griechischen Republik, Karolos Papoulias, die politischen Parteiführer Antonis Samaras, Vorsitzender der Nea Dimokratia, Alexis Tsipras, Vorsitzender der SYRIZA Parlamentsfraktion, Evangelos Venizelos, Vorsitzender der PASOK, Panagiotis Kammenos, Vorsitzender der Unabhängigen Griechen, Aleka Papariga, Generalsekretärin der Kommunistischen Partei Griechenlands, Nikolaos Michaloliakos, Generalsekretär der Chryssi Avgi und den Vorsitzenden der Demokratischen Linken Fotis Kouvelis angerufen und diese über den Inhalt eines Telefonats des Präsidenten der Republik mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel informiert.
Frau Merkel hat die Unterstützung der EU für die Bemühungen der Griechen zur Krisenbewältigung erneut zugesichert. Sie hat auch die Bereitschaft der EU zur Unterstützung von Wirtschaftsaufbaumaßnahmen und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Europa erwähnt. Die Frage des Wirtschaftswachstums ist das Zentralthema des außerordentlichen Spitzentreffens der EU am 23. Mai in Brüssel.
Darüber hinaus hat sie dem Präsidenten Gedanken über ein parallel zu den Wahlen abzuhaltendes Referendum mit der Frage nahe gelegt, ob die griechischen Bürger den Verbleib in der Eurozone wünschen. Es ist jedoch offensichtlich, dass dieses Thema die Kompetenz einer kommissarischen Regierung überschreitet.
Pressemitteilung der kommissarischen Regierung
Zunächst kam aus Berlin ein Dementi, die Kanzlerin, die während des diplomatischen Schlagaustauschs bereits auf der Reise zum NATO-Gipfel in Chicago war, habe die ihr vorgeworfenen Äußerungen nie gemacht. Postwendend antworteten die griechischen Ämter: "Das Präsidialamt antwortet auf die Dementis des Bundeskanzleramts, dass die Verlautbarung des Büros Pikrammenos in vollem Umfang den Tatsachen entsprechen." Der Regierungssprecher erklärte: "Kein weiterer Kommentar zur bereits vorliegenden Meldung."
Somit steht fest, dass eine Seite lügt. Ist es Kanzlerin Merkel oder der griechische Präsident samt seinem kommissarischen Premier. Die Aufregung gleicht frappant dem Wirrwarr um das von Ex-Premier Giorgos Papandreou im vergangenen November vorgeschlagene Referendum zum gleichen Thema (Quo vadis Graecia?). Papandreou verlor bekanntlich nach seinem Vorstoß Amt und Würden.