Verpflichtende Tests für Heimkehrer aus Corona-Risikogebieten
Corona-Sommer in Deutschland: Gurkenflieger, Mini-Ischgls, drohende Pleitewellen und ein erneutes Vorpreschen Söders
Was für ein Sommer. Manche Inlandsreiseziele sind überfüllt, berichtet wird von einem "Massenansturm der Inlands-Touristen". Andererseits wird vor Reisen ins Ausland gewarnt - wegen der Risikogebiete: viele "Mini-Ischgls" (Söder), die eine Masseninfektionen nach sich ziehen könnten. Und groß ist die Bangigkeit vor den Herbstmonaten, wo sich in den Innenstädten die Pleitewelle bei den Kaufhäusern und Gaststätten zeigen wird, wie befürchtet wird, und allgemein die Aussichten auf die dunkleren Monate Oktober, November, Dezember die Nerven ins Schwingen bringen.
Die Unsicherheit ist spürbar. Aus einem Erntebetrieb in Bayern werden "Masseninfektionen" berichtet. Zugleich gab es Meldungen über eine Ansteckungswelle am österreichischen Wolfgangsee, dazu ist die Rede von zahlreichen "Risikogebieten" im Ausland - als ein zentrales Kriterium hierfür nennt das Robert-Koch-Institut mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner letzten sieben Tagen, bzw. nicht weiter definierte "qualitative Kriterien" in einem zweiten Schritt. Söder will demgegenüber Corona-Risikogebiete künftig präziser ausweisen.
Der bayerische Ministerpräsident nahm die "Masseninfektionen" und die "Mini-Ischgls" zum Anlass für eine Pressekonferenz am Montagvormittag. Er blieb bei seiner Linie, die laut einer Umfrage unter den "Führungsspitzen Deutschlands" mehr als 80 Prozent überzeugt hat: gesetzliche Mittel ausweiten, härtere Strafen für Verstöße gegen Hygienevorschriften in Aussicht stellen (allen Betrieben, die sich nicht an die Maßnahmen halten, droht ein Bußgeld von 25.000 Euro statt vorher 5000 Euro) - und zum "Brav-Sein" ermuntern.
"Warum muss man in Risikogebiete fahren?"
"Warum muss man in Risikogebiete fahren?", lautet ein Schlüsselsatz Söders. Zum Credo, dass man doch besser im schönen Heimatland bleiben soll, gehört die Warnung: "Corona ist nicht vorbei", niemand dürfe sich täuschen: "Corona kommt schleichend zurück, leider aber mit aller Macht."
Was die Auslandsreisenden betrifft, steuert Söder eine Ausweitung von Pflichttests für die Wiedereinreisenden an. An Flughäfen sollen Tests verpflichtend werden. Der bayerische Ministerpräsident hätte aber auch gerne mehr Tests für Ankommende auf Hauptbahnhöfen und an den Autobahnen. Allerdings gehe dies mit größeren Schwierigkeiten bei der Umsetzung einher als bei den Flughäfen, wo Abreise- und Zielort der Reisenden genau ersichtlich sind, räumte er ein.
Der Franke ist nicht der einzige, der verpflichtende Tests für Einreisende zum Sommerthema erhoben hat, in Frankreich gab es ebenfalls derartige Ankündigungen, eingegrenzt auf Risikoländer, und auch in der Bundesrepublik plädierten mehrere Politiker (viele aus der CSU) für die Einführung verpflichtender Tests.
Bundesgesundheitsminister Spahn verwies jedoch darauf, dass die rechtlichen Hürden dafür recht hoch sind. "Das ist ja ein Eingriff in die Freiheit, jemanden zum Test zu verpflichten", zitiert ihn die Tagesschau. Die meisten Bundesländer, so die Tagesschau, hätten festgestellt, dass eine solche Verpflichtung rechtlich schwierig wäre.
Daran kommt auch Söder nicht vorbei. Die verpflichtenden und kostenlosen Tests an den Flughäfen würden erst gestartet, sobald es das rechtliche Ok vom Bund gebe. Indessen will er an den großen Grenzübergängen in Bayern, etwa bei Kiefersfelden, "Tests ausbauen", wie auch an den Hauptbahnhöfen in Nürnberg und München.
Die Vorbereitungen für die neuen Teststationen liefen bereits, so der Ministerpräsident. Ob verpflichtende Tests juristisch einwandfrei seien, müsse erst bundesweit bestätigt werden, doch das Testen nach Reisen in Risikogebieten gebiete laut Söder "der gesunde Menschenverstand". Im Rückblick auf die erste Infektions-Welle müsse man auch sagen: "Hätte es die Faschingsferien nicht gegeben, sähe die Lage jetzt wohl anders aus." Umso mehr müssten sich Urlauber überlegen, ob Reisen in Risikogebiete derzeit wirklich nötig seien.
OVB-Online
In dem Zusammenhang wusste Söder wiederholt die Pionierrolle Bayerns herauszustellen. Nicht nur sei man in Bayern wieder mal Vorreiter bei den Maßnahmen, wo andere Bundesländer nun nachzögen. Man solle in dem Zusammenhang auch bedenken, dass in Bayern die Schulferien gerade erst gestartet sind, während anderswo die Urlauber bereits wieder möglicherweise infiziert zurückgekehrt seien. In anderen Worten: Bayern macht vor, wie es richtig geht.
Eine Frage nach den Kosten winkte er auf der Pressekonferenz mit einer Pauschalantwort ab. Summen nannte er keine; der Frage, wie sehr Steuerzahler belastet werde, wich er aus.
Arbeit im Gurkenflieger
"Aufgeschreckt" wurden Söder und seine Gesundheitsministerin Melanie Huml durch Ansteckungen von Erntehelfern auf einem Gemüsebauernhof. Über ein Drittel der 500 Erntehelfer soll sich mit Sars-CoV-2 angesteckt haben. In Medienberichten ist von "Masseninfektionen" die Rede.
Aufmerksamkeitsheischende Begriffe wie dieser erhöhen natürlich den Druck auf Behörden und Politik. Dazu kommt auch, dass analog zu den Schlagzeilen und Berichten über Ansteckungen in Schlachtereibetrieben nicht nur die Hygienebedingungen in den öffentlichen Blick geraten, sondern auch die Arbeitsbedingungen in diesem Niedriglohnbereich. Man kann die Erntearbeit auf den Gurkenfliegern mit nettem Erstaunen präsentieren wie bei der Sendung mit der Maus, Erwachsene, die körperliche Arbeit kennen, sehen die anstrengende Akkordarbeit im Liegen mit anderen Augen.
Laut Gesundheitsministerin Huml seien die Hygienemaßnahmen, was die Arbeit betreffe - beim Abstand und der Reihenfolge der liegenden Erntehelfer - befolgt worden, wie sich aus Protokollen herauslesen lasse; sie deutete aber an, dass ein enges Zusammensein der Arbeiterinnen und Arbeiter nach dem Erntedienst eine Rolle gespielt haben könnte. Das will man nun genauer untersuchen. "Wir können nicht jede Stunde und Minute kontrollieren."
Mittlerweile steht der Hof im Landkreis Dingolfing-Landau unter Quarantäne. Melanie Huml (CSU) kündigte eine "Testoffensive für große Bauernhöfe" an.