Versagen beim Klimaschutz: Trägt nur Verkehrsminister Wissing die Verantwortung?

Nein, betont ein neues Rechtsgutachten. Wissing mag über "Klima-Blabla" schimpfen und untätig sein – die Verantwortung trägt die Bundesregierung als Ganzes. Was der Grund dafür ist.

Dem Klimaschutz fühlt sich die Bundesregierung verbunden – das betont sie zumindest immer wieder. Wirtschaftsminister Robert Habeck und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (beide Grüne) werben aktuell auf ihrer Reise durch Brasilien und Kolumbien für mehr Klimaschutz.

Das Problem an der Sache: Zuhause in Deutschland versagt die Bundesregierung selbst beim Einhalten der Klimaziele. Drei Jahre infolge wurden die Ziele für den Verkehrs- und Gebäudesektor nicht eingehalten.

Und wenn das Umweltbundesamt am Mittwoch seine Prognose zur Treibhausgasbilanz 2022 vorstellen wird, dürfte die Serie fortgesetzt werden.

Die Grünen im Bundestag gehen zumindest im Verkehrssektor fest von einem Scheitern aus. "Alles andere wäre eine Überraschung", erklärte Fraktionsvize Julia Verlinden laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) am Sonntag.

Und den Schuldigen hat sie auch schon ausgemacht: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Dieser habe nach wie vor nirgendwo erklärt, wie er das Problem wirkungsvoll angehen wolle. Wissing sei "beim Klimaschutz mit dem Bummelzug unterwegs und sitzt da auch noch im letzten Wagen", so Verlinden weiter.

Doch so einfach ist das Versagen der Bundesregierung beim Einhalten der eigenen Klimaziele nicht zu erklären, zeigt ein neues Rechtsgutachten. Die Entwicklungsorganisation Germanwatch hatte es bei der Kanzlei Günther (Hamburg) in Auftrag gegeben.

Das Ergebnis: Die Bundesregierung als Ganzes hat gegen das Klimaschutzgesetz verstoßen. Sie habe es versäumt, die Einhaltung der im Klimaschutzgesetz vorgeschriebenen Emissionsminderungsziele sicherzustellen, heißt es bei Germanwatch.

Hintergrund des Gutachtens ist, dass sich die Bundesregierung im Klimaschutzgesetz das Ziel gesetzt hat, dass Deutschland bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral sein soll. Damit das Ziel erreicht wird, wurden für einzelne Sektoren ein Emissionspfad vorgeschrieben. Wenn mehr Treibhausgase produziert werden, sind die zuständigen Ministerien verpflichtet, Sofortprogramme zu entwickeln, mit denen im Folgejahr eine Rückkehr zum festgelegten Pfad möglich wird.

Im April 2022 hatte der Expertenrat für Klimafragen festgestellt, dass in den Sektoren Verkehr und Gebäude die zulässigen Emissionsmengen überschritten wurden. Daraufhin legten sowohl das Verkehrsministerium als auch das Wirtschafts- sowie das Bauministerium im Juli Sofortprogramme vor.

Daraufhin prüfte der Expertenrat beide Programme und kam zu dem Urteil: Das Sofortprogramm für den Verkehrssektor sei "schon im Ansatz ohne hinreichenden Anspruch" und erfülle "nicht die Anforderung an ein Sofortprogramm".

Das Programm der anderen beiden Ministerien wurde etwas besser beurteilt. Rein rechnerisch könnte der Gebäudesektor auf den Zielpfad zurückkehren. Aber das Erreichen des angestrebten Ziels wurde als "nur teilweise wahrscheinlich" bewertet.

Das Gutachten betont, dass die Verantwortung aber nicht nur bei den Fachministerien liegt, sondern bei der Bundesregierung als Ganzem. Sie habe die Pflicht, beim Versagen der Ministerien schnellstmöglich ein Sofortprogramm zu verabschieden, das die Einhaltung des Klimaschutzgesetzes sicherstelle. "Letztlich liegt es in der Verantwortung des Bundeskanzlers, rechtzeitig einen zielführenden Beschluss herbeizuführen", erklärte Ulrich Wollenteit, Verfasser des Gutachtens.

"Die Bundesregierung muss nun schnellstmöglich sicherstellen, dass sich ein solcher Rechtsbruch nicht wiederholt", betonte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Wenn die am Mittwoch erscheinenden Daten des Umweltbundesamtes bestätigen, dass im Verkehrssektor erneut die Emissionswerte deutlich überschritten wurden, sei die Bundesregierung als Ganzes in der Pflicht. Zur Not müsse der Bundeskanzler seiner Richtlinienkompetenz nutzen, um ein wirksames Sofortprogramm durchzusetzen.

Dass auf Wissing in dieser Frage nicht unbedingt Verlass ist, machte er auf einem Parteitag in Rheinland-Pfalz deutlich. Man könne das Land "nicht mit Klima-Blabla" voranbringen, sagte er laut dpa, sondern nur mit konkreten Vorschlägen. Er betonte dabei, dass die Bedeutung des Autos künftig nicht abnehmen, sondern leicht steigen werde, weshalb auch der Verkehr auf den Straßen weiter zunehmen werde.

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