Viele Fragen

Schweizer Strategie gegen Cyberattacken noch nicht ausgereift

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Die Auswertung der Cyberkrisensimulation "Informo 2001" wirft mehr Fragen auf, als dass sie Antworten liefert. Militärischen "information operations" als ultima ratio wird von der Projektleitung eine klare Absage erteilt.

Fragen über Fragen. Die Auswertung des im Juni durchexerzierten Cyberkrisenszenarios "Informo 2001" liefert bisher kaum Antworten auf die Frage, wie die Schweizer Behörden im Verbund mit der Wirtschaft auf sogenannte KASII (Krisen, ausgelöst durch Störungen der Informationsinfrastruktur) reagieren sollen. Als wichtiger Nutzen der Übung beurteilten die Teilnehmer das Networking.

"In echten Krisen kann unmittelbar von diesem Kompetenzverbund und von den persönlichen Bekanntschaften realer Nutzen gezogen werden," schreibt Laurent F. Carrel, Projektleiter von Informo. Wann genau eine solche Krise eintritt, ist allerdings unklar. Insbesondere der Übergang vom Störfall zur Krise bleibt umstritten. Außerdem stellt sich die Frage nach der Definitionsmacht. Welche Stelle hat die Kompetenz seine Terminologie für verbindlich zu erklären?

In den Raum gestellt wird nun die Möglichkeit eines wissenschaftlichen Forschungsprogramms, das dieser Frage nachgehen soll. Ebenfalls nicht ausreichend definiert ist die Rolle des Sonderstabs, der als zentrales Gremium die strategische Führung in einer Krisensituation übernehmen soll. Zwar wird die Existenz einer solchen Körperschaft, wie sie im Juni testhalber im Einsatz gestanden hatte, von einer Mehrheit der beteiligten Akteure befürwortet, doch bleibt unklar, welchen Behörden der Sonderstab im Ernstfall beratend zur Seite stehen soll.

Im Bereich der internationalen Vernetzung wird die Frage nach einer möglichen Beteiligung der Schweiz an der Cybercrime Convention des Europarats aufgeworfen. Als wenig taugliches Instrument in außerordentlichen Lagen werden militärische "information operations" beurteilt, wie sie als ultima ratio im Rahmen des Sonderstabs vorgesehen sind. Strategieexperte und Informo Projektleiter Carrel sieht darin ein Relikt aus vergangenen Zeiten. "Die Definition der außerordentlichen Lage geht von einer funktionalen Definition aus, die nach wie vor einem mechanistischen Verständnis verhaftet ist, wie es zur Zeit des Kalten Krieges vorherrschte."

Insgesamt wird den militärischen Bemühungen kein gutes Zeugnis ausgestellt. Das Verteidigungsministerium VBS muss sich in diesem Zusammenhang von Informo-Projektleiter Carrel Intransparenz und mangelnde Koordination mit den anderen Bundesstellen vorwerfen lassen.