Vier Wochen in einem Asylbewerberheim
Seite 2: Psychisch hat mich der Selbstversuch immer wieder an meine Grenzen gebracht
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: Wie sind Sie psychisch und physisch mit dem Leben in dem Asylbewerberheim fertig geworden, welche Folgen hatte das Experiment für Sie?
Caroline Walter:: Also gesundheitlich ging es mir nach dem Aufenthalt nicht sehr gut. Unser Gemeinschaftsbad war stark verschimmelt, wir mussten jeden Tag diesen beißenden Schimmel Geruch einatmen. Seitdem leide ich immer wieder unter schlimmen Hautallergien, die ich vorher nicht hatte. Zum anderen bekam ich im Heim eine Krätzeinfektion durch Krätzemilben, die in die Holzhäuser gelangt sind. Eine Infektion, die auch häufig in nicht gut geführten Pflege- und Altenheimen in Deutschland auftritt. Die gesundheitlichen Folgen waren schon heftig.
Psychisch hat mich der Selbstversuch immer wieder an meine Grenzen gebracht, diese ganzen Schicksale zu hören, die Verzweiflung hautnah zu erleben und zu sehen, was dieses lange Warten mit diesen Menschen macht. Es gab aber auch Situationen, in denen man begreift, dass wir nicht erwarten können, dass sich sofort alle nach unseren Regeln verhalten, dass sie sofort wissen, wie unsere Gesellschaft funktioniert, was wir an "Ordnung" erwarten. Manche brauchen in dieser Hinsicht mehr Unterstützung und Betreuung als andere.
In den letzten Jahren kam es zu einem Anstieg der Asylbewerberzahlen in der Bundesrepublik Deutschland. Wie auch zu Beginn der 1990er Jahre, kommt es an den Orten, an denen Flüchtlingsunterkünfte errichtet werden sollen, teilweise zu heftigen Protesten der Anwohner. Haben Sie Verständnis dafür, dass Anwohner auch kritisch auf die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft reagieren, besonders wenn es sich um eine kleine Ortschaft handelt oder um einen sozialen Brennpunkt?
Caroline Walter: Ich habe Verständnis für die Angst vor dem Unbekannten, ich habe aber kein Verständnis für Vorurteile oder die pauschale Kriminalisierung von Asylbewerbern, die oft stattfindet. Ich habe so unterschiedliche Menschen und Charaktere in unserem Heim kennengelernt, die es verdient haben, dass man sich ihre Geschichte anhört. Wenn es Probleme gibt mit einem Heim, falls es tatsächlich zu laut ist oder der Müll vielleicht herumliegt, dann kann man das angehen, wie man es in jedem deutschen Mietshaus auch tut.
Was mich aufregt, ist, wie wenig neugierig wir auf diese Menschen sind. Die Deutschen sind Weltmeister im Verreisen, da kann es nicht exotisch genug sein, da müssen Einheimische als Fotomotiv herhalten, aber kaum kommen Menschen, vor allem mit dunkler Hautfarbe hierher, gehen sofort alle Rollläden runter und der Angstpegel rauf. Ich denke, da muss sich jeder von uns fragen, wovor wir eigentlich wirklich Angst haben. Meistens ist es ja so, wenn man dann direkten Kontakt hat, eine Flüchtlingsfamilie kennenlernt, verschwinden diese Ängste. In unserem Heim gibt es jetzt sehr viele Bürger, die sich ehrenamtlich engagieren.
Ich halte auch nichts davon, zu sagen, ein Heim in dieser oder jener Gegend würde nicht passen. Ich glaube, es geht hier um ein Miteinander, an das sich alle gewöhnen oder damit auseinandersetzen müssen. Auch an sozialen Brennpunkten muss es möglich sein, Asylbewerber zu integrieren, weil wir sonst Bezirke oder Regionen haben, in denen sich Fremdenfeindlichkeit weiter ausbreiten wird - aufgrund fehlender Kontakte. An sozialen Brennpunkten ist eher die Frage, wie bringt man die Flüchtlinge unter und in welcher Zahl.
Halten Sie denn die aktuelle Debatte für hilfreich?
Caroline Walter: Was mir dabei auffällt, es werden derzeit auch viele Probleme vermischt. Zum Beispiel, die Probleme mit der Zuwanderung von Arbeitsmigranten aus Bulgarien und Rumänien und daraus entstehende Konflikte, die nichts mit Asylbewerbern zu tun haben. Das wird aber nicht differenziert.
Innerhalb der EU muss es zu einer gerechteren Aufteilung kommen
Befürchten Sie eine weitere Verschärfung des Asylrechts in der EU aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen wie vor rund 20 Jahren?
Caroline Walter:: Ich denke nicht, dass es zu einer Verschärfung kommen wird oder auch muss. Letztlich kann man sagen, dass Deutschland in einer sehr "komfortablen" Situation ist. Durch die "Drittstaatenregelung" werden sehr viele Asylbewerber in Deutschland abgelehnt, das bedeutet, wenn ein Flüchtling seinen Fuß auf einen sicheren Drittstaat gesetzt hat, kann er in Deutschland im Grunde kein Asyl mehr beantragen, weil der Drittstaat wie zum Beispiel Italien oder Polen für das Asylverfahren zuständig ist.
Wir tragen also gar nicht die Hauptlast, wie immer behauptet wird. Deshalb glaube ich, muss es innerhalb der EU zu einer gerechteren Verteilung kommen. Länder wie Italien oder Griechenland sind völlig überfordert mit den steigenden Flüchtlingszahlen, was dazu führt, dass Asylbewerber dort unter katastrophalen Verhältnissen leben müssen. Die Berichte werden in Deutschland hingenommen und trotzdem schieben wir nach Italien ab. Hier ist dringender Handlungsbedarf. Es würde auch helfen, wenn Deutschland seine Defizite in der Asylbürokratie abbauen würde. Die lange Verfahrensdauer bei den Asylanträgen ist nicht hinnehmbar und hätte schon längst in Angriff genommen werden können. Es wäre auch wünschenswert, wenn nicht jedes Bundesland eine eigene Asylpolitik betreiben würde.
Abschließend, stehen Sie noch mit einigen der Menschen in Kontakt, die Sie in dem Flüchtlingsheim kennengelernt haben?
Caroline Walter: Ja, ich habe noch engen Kontakt zu mehreren Flüchtlingen aus dem Heim und erfahre so sehr viel über ihre Suche nach Arbeit oder den Stand ihres Verfahrens. Ein afghanischer Asylbewerber, der in unserem Film vorkam, hat gerade einen tollen Schulabschluss gemacht.