Von Kennedy bis Schulze: Wie aus Freiheit Pflicht wird

Freiheitsschulze. Bild: Dominik Butzmann, CC BY-SA 3.0
Grüne für neuen Zwangsdienst von 18 bis 67. Unter dem Deckmantel der Freiheit soll jeder seinen Beitrag leisten. Ein Kommentar zu geistigen Mobilmachung.
Verteidig' meine Freiheit mit der Waffe in der Hand
Und mit der Waffe in den Händen deiner Kinder
Damit von deinen Kindern keines bei der Arbeit je vergisst
Was Freiheit ist!
Georg Kreisler
Katharina Schulze und Florian Siekmann von der Spitze der bayerischen Grünen-Landtagsfraktion haben mit ihrem Vorschlag eines verpflichtenden "Freiheitsdienstes" für alle Menschen zwischen 18 und 67 Jahren die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht neu entfacht.
Demnach soll jeder Bürger mindestens sechs Monate entweder Wehrdienst, Dienst im Bevölkerungsschutz, bei Feuerwehr oder Hilfsorganisationen oder Gesellschaftsdienst leisten.
Schon abgeleistete Dienste oder bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten sollen angerechnet werden. Ob das Festkleben auf Straßen oder die Beschädigung von Kunstwerken im Zuge von Klimainitiativen auch dazugehört, scheint im politischen Berlin bislang nicht ausdiskutiert.
Ein wenig Kennedy in München
"Was kannst du für dein Land tun?", solle man sich jedenfalls fortan fragen und für den bündnisgrünen "Freiheitsdienst" begeistern. Die Reminiszenz an John F. Kennedys berühmten Aufruf suggeriert hehre Motive. Doch bei genauerer Betrachtung entpuppt sich der wohlklingende Begriff als wahnhafter Etikettenschwindel.
Lesen Sie auch
Habeck-Absage: Wie ein TV-Duell mit AfD-Kandidatin Weidel hätte enden können
Habecks wunder Punkt: Warum der LNG-Gipfel im Wahlkampf der Grünen stört
Die endgültige Zähmung der Grünen
Politisch instinktlos: Robert Habeck hat die tiefen Teller nicht erfunden
Grüne ohne linken Flügel: Wer wird die neue Zielgruppe?
Denn der "Freiheitsdienst" ist zumindest auch geeignet, gravierende sozialpolitische Fehlentscheidungen der Vergangenheit und Gegenwart zu korrigieren und die Folgen des Fachkräftemangels im Gesundheits- und Sozialwesen auf dem Rücken der Mehrheitsbevölkerung auszubügeln.
Massive Einschnitte in Leben, Familien, Karriere
Für die jetzigen Kinder und Jugendlichen, für Familien hätte die Einführung eines solchen Pflichtdienstes weitreichende Konsequenzen. Ausbildung oder Studium müssten unterbrochen oder hinauszögert werden.
Familien wären massiv betroffen, Karrieren und Lebensplanung müssten unterbrochen werden. Es ist ein beispielloser Akt, der dort gefordert wird; eine Art Mobilmachung ohne Krieg. Von Wahlfreiheit und individueller Lebensplanung kann keine Rede sein, wenn der Staat jeden Bürger zwingt, sich in seinen Dienst zu stellen.
Der einen Profite, der anderen Pflichten
Dies alles geschieht in einem atemberaubenden Tempo. Während die Rüstungskonzerne angesichts einer immer dramatischer heraufbeschworenen Bedrohungslage mit Milliardenumsätzen rechnen können, sollen ganze Generationen zum Dienst an der Waffe, zum Dienst für den Staat oder in profitorientierten Gesundheitseinrichtungen gezwungen werden. Alles für die Freiheit. Aber wessen Freiheit eigentlich?
Dabei darf nicht vergessen werden, welch zentrale Rolle schon der Zivildienst zu Zeiten der Wehrpflicht für das Funktionieren des Sozialstaats spielte. Im Jahr 2002 waren in Deutschland 119.400 Zivildienstleistende in Wohlfahrtsverbänden, Krankenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen tätig.
Rückblick auf den Zivildienst
Insgesamt haben seit 1961 rund 1,7 Millionen junge Männer diesen Dienst geleistet. Der Einsatz von "Zivis" war für den Staat äußerst kostengünstig. Im Rettungsdienst des DRK kostete ein Zivi zuletzt nur 300 bis 400 Euro pro Monat, während ein Rettungsassistent mindestens 2.500 Euro erforderte. Durch die Abschaffung der Wehrpflicht 2011 fiel dieses System wie ein Kartenhaus zusammen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnte nach dem Wegfall des Zivildienstes vor einem erhöhten Arbeitsaufwand für Pflegekräfte und einer Reduktion der Menschlichkeit in der Pflege. Bis heute sind die Folgeprobleme massiv spürbar, das Pflegesystem gleicht einem riesigen Flickenteppich, Pflegekräfte werden von Brasilien bis in die Ukraine angeworben.
Der als Ersatz eingeführte Bundesfreiwilligendienst konnte die Lücken nur notdürftig stopfen. Statt der 76.000 Zivis pro Jahr strebte er lediglich 35.000 Freiwillige an. Nüchtern betrachtet subventionierte der Zivildienst das Sozialsystem und profitorientierte Einrichtungen wie private Pflegeheime, indem er ihnen billige Arbeitskräfte zur Verfügung stellte.
n Die genannten Grünen-Politiker wollen diesen Zustand mit ihrem "Freiheitsdienst" nun nicht nur wiederherstellen, ohne Ross und Reiter zu nennen. Sie wollen das Zwangssystem massiv ausdehnen, auf alle – noch einmal – von 18- bis 67 Jahre.
Irgendwie praktisch, so eine "wachsende Bedrohungslage".