Von Persien zum Iran
Die richtigen Arier
Seit Monaten geistert sie durch Internet und Emailketten: die Theorie von der "Einflüsterung des Namens Iran durch die Nazis". Nach dieser Theorie soll der persische Botschafter in Berlin glühender Anhänger des Nazi-Regimes und insbesondere von Hitlers Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht gewesen sein. Schacht habe die persische Regierung überzeugt, das Land in "Iran", in farsi: Land der Arier, umzubenennen, weil sich der Schah Reza Khan vollkommen mit den rassistischen Zielen des Dritten Reiches identifiziert habe. Als Quellennachweis wird ein Professor Eshan Yarshater erwähnt.1
Die Theorie klingt gut und zeitgemäß, rückt sie doch den Iran in Nazinähe. Sie hat nur einen Haken: sie stimmt nicht. Richtig ist, dass aus Persien 1935 offiziell "Iran" wurde. Richtig ist auch, dass dies auf das alte farsi-Wort Aryan (der Edle, der Arier) zurückgeht. Falsch ist, dass die Namensänderung auf Wunsch der Nazis geschah. Das Gegenteil ist der Fall.
Waren da Fälscher am Werke? Auf jeden Fall lohnt sich ein Blick in die Geschichte, konkret: in die Akten des Auswärtigen Amtes. Dies hat offensichtlich jener Professor Yarshater unterlassen.
Der Besuch Schachts in Teheran, im November 1936, geschah spontan und auf deutschen Wunsch. Die persische Seite hatte "politische Probleme" befürchtet und wollte ihre Beziehungen zur UDSSR nicht gefährden. Auf Drängen der Deutschen sprach am Ende nicht der Schah die Einladung aus, sondern nur der Präsident der Nationalbank. Die iranische Haltung sei "nicht angemessen", empörte sich der deutsche Botschafter in einem "Geheim" gestempelten Bericht vom 16. November 1936 an Berlin: "Ich protestierte und wies darauf hin, dass Schacht von den anderen Regierungen eingeladen worden und von den Staatsoberhäuptern empfangen worden ist."
Der Besuch kam trotzdem zustande. Der Iran wollte Technologie für Bewässerungsprojekte und schickte nach dem Kauf von Gewehren der Firma Fritz Werner in Höhe von zwei Millionen Reichsmark Stipendiaten des persischen Kriegsministeriums zur Lehre in deutsche Waffenfabriken. Und Nazi-Deutschland wollte persische Mineralien, Nickel und Erdöl.
Vor allem aber interessierte sich Berlin für die strategische Lage Teherans, denn auch wenn die Sowjetunion erst fünf Jahre später angegriffen werden sollte, es lockten die Ölvorkommen des Kaukasus, in Baku:
Rasch und vernichtend kann Baku nur mit Bombengeschwadern angegriffen werden. Von indischen und Bagdader Flughäfen aus ist Baku nicht zu erreichen, teils weil der Aktionsradius der Flugzeuge dazu nicht ausreicht, teils weil Gebirgshöhen von 3-4.000 m zu überwinden wären, welche beladene Bombenflugzeuge nicht zu erklimmen vermögen. Bequem erreichbar für Bombenflugzeuge ist Baku nur vom Teheraner Flugplatz aus.
Schacht bekam nur Gesprächspartner dritter Wahl und musste, um mit dem Schah eine halbe Stunde Höflichkeiten auszutauschen, viele Stunden über unbequeme Bergstrassen in dessen Winterresidenz fahren. Das deutsche Flugzeug konnte dort nicht landen und das Angebot der iranischen Luftwaffe, Schacht hinzubringen, lehnte die Botschaft ab, weil man ihn in einer offenen Maschine über 4000 Meter hohe Pässe fliegen wollte. Es gab kein Entgegenkommen der persischen Seite, und, stellte der deutsche Gesandte in einem Memo bitter fest, am nächsten Tag weilte seine Majestät, der Schah, wieder in Teheran - "knappe 22 Stunden nach der Rückkehr des Herrn Reichsbankpräsidenten und am Vortage seiner Abreise, wiewohl mir seinerzeit im Außenministerium erklärt worden war, er werde noch längere Zeit abwesend sein. Man kann nicht sagen, dass den Gästen eine auffallende, prononciert freundliche Aufnahme durch die Regierung zuteil geworden sei."
Und dann die Affäre Lindenblatt! Ein deutscher Jude, der in Persien ab 1929 die Nationalbank aufbauen sollte. Ob er, wie ihm vorgeworfen wurde, Geld unterschlagen hatte oder nur Opfer von Intrigen am Hof wurde, geht aus den Akten nicht eindeutig hervor. Lindenblatts Vertrauter war Hofminister Teymoutec gewesen, der während eines Deutschland-Besuchs gestürzt worden war. Teymoutec wurde zu fünf Jahren schwerem Kerker verurteilt und starb später eines "natürlichen Todes". Auch Lindenblatt erhielt eine Gefängnisstrafe, weil er trotz aller Warnungen aus seinem Urlaub nach Teheran zurück gekehrt war, um für sein Recht zu kämpfen. "Es war total ungeschickt, wie das AA die Angelegenheit gehandhabt hat, man hätte Lindenblatt in Deutschland den Prozess machen sollen, das hätte hier einen guten Eindruck gemacht", heißt es in den Akten.
Ein weiteres Ärgernis war für den Schah, dass auch nach der Machtergreifung in Berlin persische Oppositionelle, zusammen mit der Kommunistischen Partei, Kampagnen gegen den Schah organisieren durften und von der Gestapo geduldet wurden. Diese Toleranz sollte sich erst später, ab 1967, durch die Berliner Polizei ändern.
Das Fass zum Überlaufen brachte die Entscheidung der Nazis, ein Monopol für das Ariersein zu verkünden - das Markenzeichen der Perser seit dreitausend Jahren. Da musste der Leibarzt von Reza Khan, vor seinem Besuch in Berlin 1935 eine "besondere Genehmigung" einholen, weil er Jude war und für seinen geliebten Schah Medikamente einkaufen wollte. Eine Zumutung für den Pfauenthron!
An deutschen Universitäten wurden persische Studenten, schahtreue junge Männer der Militärakademie, allein wegen ihres Äußeren, Opfer rassistischer Angriffe. Die Akten des AA und der deutschen Gesandtschaft in Teheran berichten, wie sie von Schlägertrupps der SA, den selbsternannten "Ariern", gedemütigt, öffentlich als "Polakken" beschimpft und von der Gestapo inhaftiert werden. Regelmäßig mussten sich die deutschen Diplomaten im persischen Außenministerium entschuldigen.
Die Namensänderung von Persien in Iran war wohl eher ein unfreundlicher Hinweis des Schah an Hitlers Adresse, wer hier Arier ist und wer nicht. "Eingeflüstert" wurde da nichts.