Von der Shoah zum CO2-Ausstoß
Seite 2: KFZ und KZ
Abgesehen von der peinlichen Konzentration auf das CO2 ist auch die Verbindung von Automobilproduktion und deutschem Nationalsozialismus nicht so abwegig, wie jetzt die Kritiker von Rathke es hinstellen. Tatsächlich haben Historiker und Soziologen am Beispiel des Volkswagen den Zusammenhang von KFZ und KZ herausgearbeitet.
In polemischer Form hat sich der Deutschlandkritiker Eike Geisel den Begriff "Otto Normalvergaser" für die ganz gewöhnlichen Deutschen ausgesucht, ohne die die Shoah nicht möglich gewesen wäre.
"Jüdisches Leben in Deutschland - völlig normal mittlerweile? ''Zumeist ein Hochsicherheitstrakt, vom Kindergarten bis zum Synagogenbesuch.'' Deutsche Intellektuelle? ''Immer auch Stellenanwärter.'' Die Bürger? ''Otto Normalvergaser'' glaubte, ''dass Auschwitz gewissermaßen ein - vielleicht etwas überzogener - Akt putativer Selbstverteidigung gewesen war''
Eike Geisel
Damit wandte sich der Publizist schon sehr früh gegen eine bestimmte Form des deutschen Shoah-Gedenkens, dass nicht im Interesse der Jüdinnen und Juden, sondern der deutschen Staatsraison zelebriert wird. Dagegen wendet sich auch der israelische Soziologe Nathan Sznaider, der in einem Taz-Interview erklärte, er fände es sinnvoller, wenn über den Orten der deutschen Vernichtung Gras wachsen würde, als wenn sie immer wieder restauriert werden. Auf Nachfrage des konsternierten Journalisten bekräftigte Sznaider:
Ich glaube nicht, dass die Erinnerung an diese Schrecken wachgehalten wird, indem man sich Attrappen von Gaskammern oder Baracken oder Schienen am Originalschauplatz anguckt. Das ist so eine Fetischisierung des Materials. Ich empfinde das eher sogar als eine merkwürdige Form von Gegenerinnerung. Weil es ja wirklich der Ort war, an dem Menschen zu Material gemacht worden sind. Und jetzt materialisieren wir die Erinnerung. Für mich ist das eine primitivere Form der Erinnerung. Von mir aus können diese Orte einfach verschwinden.
Und stattdessen - Gras drüber wachsen lassen?
So wie es sprichwörtlich heißt. Das heißt nicht, dass man es vergessen soll, aber über den Ort soll Gras wachsen. Es gibt dort einen Berg von Brillen, den man sich anschaut. Das grenzt meiner Meinung nach an äußerste Geschmacklosigkeit.
Nathan Sznaider, Taz
Würde ein Wahlkandidat einer Partei in Deutschland solche Überlegungen anstellen, wäre die Empörung groß und Austrittsforderungen nicht weit. Nun sollen die deutschlandkritischen Betrachtungen eines Nathan Sznaider nicht mit den populistischen Schnellschüssen eines deutschen Jungpolitikers auf eine Stufe gestellt werden.
Doch die wohlfeile Empörung und die Forderung nach einem schnellen Parteiausschluss, ohne sich erst einmal die Mühe zu machen, die Äußerungen von Rathke zu sichten und zu bewerten, zeigen, dass hier keine politische Auseinandersetzung stattfinden soll. Hier hat jemand die deutsche Staatsräson gestört und dafür soll er gemaßregelt wurden. Mit einem aufklärerischen Umgang mit regressiven Inhalten in der Linken und in der Klimabewegung hat das nichts zu tun.
Aufklärung statt Ausschluss
Da hätte die Partei ihren Junggenossen tatsächlich mal etwas historisches Wissen angedeihen lassen können. Empfehlenswert wäre ein Besuch des Films Nacht und Nebel von Alain Resnais. Es war einer der ersten Filme über die Shoah, und er war so eindringlich, dass die damals mit Altnazis durchsetzte westdeutsche Botschaft in Frankreich gegen den Film intervenierte.
Eine Aufführung des Filmes vor wenigen Tagen in der Berliner Volksbühne zeigte, dass der Film auch heute noch nichts von seiner Eindringlichkeit verloren hat. Er hätte vielleicht den jungen Klimaaktivisten vor Augen geführt, wie absurd es ist, von der Shoah zum CO2-Ausstoß zu kommen.