Von jedem Haus einen Nachschlüssel

Das FBI fordert vereinfachte Überwachungsmöglichkeiten für jegliche Internet basierte Kommunikation

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In Deutschland hat der Bundestag gerade das neue Telekommunikationsgesetz verabschiedet und damit zumindest den Wünschen der Internet Service Provider Rechnung getragen, diese angemessen für ihre Hilfe bei der Abfrage von Kundendaten zu entschädigen. Bezüglich der Überwachung der Telekommunikation wünschen sich aber zumindest Bayern und Hessen schon weitere Befugnisse. Ähnliche Wünsche äußerte jetzt das Federal Bureau of Investigatin gegenüber der Federal Communications Commission.

Für die Strafverfolger stellt die Telekommunikation, insbesondere über das Internet, ein Problem dar. Das Überwachen dieser Kommunikationsformen ist zeitaufwändig und wird nicht selten durch Verschlüsselung erschwert oder gar unmöglich. Wie ZDNet nun berichtete, hat das FBI einen 85-seitigen Vorschlag an die FCC gerichtet, welcher die Abhörmöglichkeiten des FBI stark vereinfachen und erweitern soll. "Die Wichtigkeit und Dringlichkeit dieser Aufgabe kann nicht überschätzt werden", heißt es in dem Schreiben:

Die Möglichkeiten der Strafverfolgung auf der Ebene des Staates, der Länder und der Kommunen, wichtige elektronische Überwachung auszuführen, sind heute beeinträchtigt.

Da dieser Vorschlag von der Regierung unterstützt wird, nehme ihn die FCC, die vom Sohn des Außenministers Colin Powell, Michael Powell, geleitet wird, sehr ernst, heißt es weiter.

Ähnlich wie in Deutschland sehen Internet Service Provider hohe Kosten auf sich zukommen, wenn man den Wünschen des FBI nachkommt. Breitband-Anbieter wären dann gezwungen, die Richtlinien des Communcation Assistance for Law Enforcement Act zu beachten, was bisher nur den Telekommunikationsgesellschaften sowie den Telefongesellschaften, die ihre Netze auch für das Anbieten von Breitbandverbindungen nutzen, vorgeschrieben war. Was den Datenschützern und Bürgerrechtlern jedoch weitaus mehr Probleme bereitet als die Kosten, die auf die ISPs zukommen könnten, ist, dass sich das umfassende Vorschlagswerk des FBI auch auf Programme und Dienste beziehen könnte.

Rechtsexperten sind der Meinung, dass der Vorschlag, wenn er angenommen wird, die Firmen dazu zwingen würde, Hintertüren in Instant Messaging Programme oder Voice over IP-Protokolle einzubauen (FBI dringt auf bessere Lauschmöglichkeiten für Internettelefonie). Auch Microsofts "Live Game Service" würde von dieser Regelung nicht ausgenommen werden. Dienste oder Programme anzubieten, die nicht über eine solche Hintertür verfügen, würde somit "den rechtlichen Ansprüchen nicht mehr genügen". Theoretisch müsste also jeder Veröffentlichung eine Prüfung durch die entsprechenden Behörden vorangehen. Open Source-Programme, welche dem Anwender die Hintertür offenbaren und deren Umgehung bzw. Ausklammerung möglich machten (oder eine solche Hintertür gar nicht erst hätten), wären automatisch in einer rechtlichen Grauzone. Phil Zimmermanns Warnung wäre somit Realität: "Wenn Privacy verboten würde, könnten nur Gesetzlose Privacy haben."

Marc Rotenberg vom Electronic Privacy Information Center sieht die Forderungen des FBI deshalb auch als zu weit gehend an. "Die Federal Communications Commission sollte ernsthaft darüber nachdenken, wo das FBI bei seiner Regulierung neuer Techniken die Grenzen zieht." Der Forderungskatalog der Strafverfolger ist allerdings nicht verwunderlich, denn das Überwachungssystem Carnivore/DCS1000 wird mittlerweile durch die von PSST oder X-IM genutzte Verschlüsselung ausgehebelt. Eine Woche, bevor das FBI seine Wunschliste einreichte, hatte Niklas Zennstrom von Skype erst gegenüber ZDNet mitgeteilt, dass selbst dann, wenn das FBI Skype abhörte, auf Grund der Verschlüsselung lediglich ein "Kauderwelsch" zu hören sein würde.

Den Forderungen des FBI ohne Vorbehalte nachzukommen, hieße nicht nur die nächste Key Escrow-Debatte zu eröffnen, sondern den Clipper-Chip einzuführen. In den Mailinglisten fallen die Kommentare bezüglich der Wunschliste der Strafverfolger entsprechend spöttisch aus:

Strafverfolger haben natürlich einen größeren Aufwand, wenn Verschlüsselung eingesetzt wird, oder stehen sogar vor verschlossenen Türen. Das heißt aber nicht, dass sie nun Türschlüssel verbieten können oder von jedem Haus einen Nachschlüssel bekommen.

Nicht zuletzt wären entsprechende Regelungen auch ein erneuter Ansatzpunkt für diejenigen, die eine Zertifizierung sämtlicher Dienste und Programme fordern.