Vorerst rausgeredet
Mit einer groß angelegten Kampagne bereitet Karl-Theodor zu Guttenberg sein Comeback vor und verspricht, er sei nur "vorerst gescheitert"
Wenn ein Prominenter nach einem Skandal massiv in der öffentlichen Kritik steht, stehen ihm einige Strategien offen, um nach einer Weile als geläuterter Mensch wieder auf die große Bühne zurückzukehren. Derzeit lassen sich diese Strategien am Beispiel des ehemaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg beobachten. Nach dem lange verschleppten Rücktritt von seinen politischen Aufgaben tauchte der bis zuletzt von Bild und Zeit unterstützte Politstar KT samt Familie in den USA unter. Nach nicht einmal einem Jahr ist er nun wieder zurück - mit einer aufwändigen Imagekampagne.
Die zeitliche Abfolge ist schon bemerkenswert: Zunächst taucht zu Guttenberg im kanadischen Halifax als "Distinguished Statesman" auf dem Halifax Security Forum auf - optisch komplett verwandelt und betont medienscheu. Nur nach Protest dürfen Pressevertreter einige Zeit mit dabei sein, wenn zu Guttenberg auf dem Security Forum die Regierung, der er noch vor nicht allzu langer Zeit selbst angehörte, lautstark kritisiert - und sich dabei selbst implizit als bessere Alternative aufbaut. Mit den Medien reden will der Inszenierungskünstler da schon gar nicht.
Zu Guttenberg möchte demonstrieren, dass er ein anderer Mensch geworden ist. Jemand, der nicht mehr an die Mikrofone drängt. Jemand, der seine gegelten Haare hinter sich gelassen hat und nun vor allem eins ist: ein seriöser politischer Kopf. Selbst die Brille ist verschwunden.
Mit einer Neuinszenierung der eigenen Person hat zumindest diese letzte Veränderung nichts zu tun, behauptet zu Guttenberg. Eine indische Ärztin in den USA hat, so erklärt er das in seinem Interview-Buch, herausgefunden, dass er sie eigentlich gar nicht bräuchte. Zu Guttenbergs Augen seien besser geworden. Der Freiherr, so soll das wohl heißen, ist zu einem noch perfekteren Menschen herangereift, als er ohnehin schon war.
Timing
Am 23. November überschlagen sich dann die Ereignisse. Die Staatsanwaltschaft Hof bringt eine Pressemitteilung heraus, wonach das Verfahren gegen zu Guttenberg wegen Urheberrechtsverletzungen in seiner Dissertation eingestellt wird. Der wirtschaftliche Schaden, der entstanden sei, sei zu gering, so die Staatsanwaltschaft. Mit einer Zahlung von 20.000 Euro an die Kinderkrebshilfe hatte zu Guttenberg das Verfahren gegen ihn beendet - und den Termin selbst gesetzt. Denn dass die Staatsanwaltschaft diese Pressemitteilung direkt nach der Überweisung in die Welt setzen würde, das war zu Guttenberg bekannt.
Da ist es dann wohl auch kein Zufall, dass just am gleichen Tag eine Pressemitteilung des Herder-Verlags kommt, in der ein Buch "über die Voraussetzungen für die Rückkehr eines immer noch enorm populären Politikers" angekündigt wird.
Das Buch ist der vorerst letzte Schritt auf seinem Weg zurück in die Öffentlichkeit. Die Gehhilfen, derer sich zu Guttenberg dabei bedient, sind die gleichen, die ihn auch in der heißen Phase der Plagiatsaffäre bis zuletzt stützten: "Die Zeit", deren Chefredakteur Giovanni di Lorenzo das Interview für das Buch führte und dessen Blatt mit einem Vorabdruck aus dem Buch die Diskussion um den gefallenen Star anheizte, und die "Bild", die dem Freiherrn seit Beginn seiner großen Karriere äußerst zugetan ist. "Ich mag diesen Typen, der wieder aufsteht.", bezieht Bild-Kommentator Franz Josef Wagner eindeutig Stellung.
Laut Bild ist das Buch vor allem eines: eine Abrechnung mit sich selbst.
Auch die öffentliche Selbstkritik gehört zu den Standards der Selbstinszenierung, will man nach einer Affäre wieder zurück in Amt und Würden gelangen.
Wohldosierte Selbstgeißelung und scharfe Kritik an anderen
Tatsächlich findet diese Selbstgeißelung im Interview mit di Lorenzo statt - allerdings so wohldosiert, dass keine Narben zurückbleiben werden. Gleich zu Beginn spricht Guttenberg scheinbar offenherzig von seinem eigenen Hochmut, von Eitelkeit und seiner schlampigen Arbeitsweise. Seine Textfragmente für die Dissertation will zu Guttenberg auf derart vielen Computern und Disketten verstreut haben, dass er nicht mehr wusste, woher welcher Schnipsel stammte.
Selbst der Artikel aus der FAZ, der als Einleitung seiner Dissertation herhalten muss, ist angeblich versehentlich in der Arbeit gelandet. Der Gedanke "e pluribus unum", mit dem die Einleitung beginnt, habe ihn so fasziniert, dass er schon zu Beginn seiner Arbeit entsprechende Textfragmente sammelte. Eine Version dieses Textes will er zudem selbst geschrieben haben - inklusive Fußnoten. Und genau mit diesen selbstverfassten Zeilen will der Freiherr den FAZ-Artikel verwechselt haben. Bei der breiten Masse soll diese Erklärung verfangen. Immerhin hat schon jeder einmal schludrig gearbeitet, Dinge verwechselt.
Doch zu Guttenberg beschränkt sich nicht auf diese seltsame Art der Selbstkritik, sondern er tritt kräftig nach. Teilweise in kleinen Nebensätzen, wenn er behauptet, dass einige der Autoren, bei denen er abschrieb, "selbst nicht ganz korrekt gearbeitet haben". Doch Guttenberg geht weit darüber hinaus, greift mit scharfen Worten seine Kritiker an. Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung habe ihm "unreflektiert aus blanker Bosheit" vorgeworfen, er sei ein Blender. Prantl habe seinen Doktorvater Peter Häberle in einem Artikel sogar als Kronzeugen gegen ihn "missbraucht".
Der Kommission seiner Universität in Bayreuth, die sich mit den Plagiatsvorwürfen beschäftigte, warf er vor, nicht unabhängig gearbeitet zu haben, wie es die Staatsanwaltschaft getan habe. Ihr Urteil, er habe vorsätzlich getäuscht, will zu Guttenberg nicht anerkennen. Immerhin sei die Kommission nicht mehrheitlich mit Juristen besetzt gewesen. Zudem könne man Qualität und Quantität der Übernahmen aus fremden Texten auch als Beweis dafür sehen, dass es kein bewusstes Vorgehen war. Einen derart großen "Blödsinn" hätte er niemals bewusst angestellt, so die Verteidigungslinie des Ex-Ministers.
Auch Oliver Lepsius muss sich harte Vorwürfe gefallen lassen. Er ist der Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater in Bayreuth und warf dem gescheiterten Doktor im Frühjahr vor, ein Betrüger zu sein. Ein Vorwurf, an dem Lepsius bis heute festhält. Für Guttenberg ist dieser Vorwurf jedoch nur zusammengezimmert, er zeuge nicht von großer juristischer Kunstfertigkeit. Auch den Grund für den Betrugsvorwurf meint zu Guttenberg zu kennen. Mehrfach behauptet er in dem Buch, Lepsius wolle sich von der Opposition zum Verfassungsrichter wählen lassen.
Nicht einmal plagiiert will zu Guttenberg haben. Er habe ja nicht das ganze Buch eines anderen abgeschrieben und zu seinem eigenen erklärt, so seine Begründung.
Selbst die Wissenschaftsgemeinde steht teilweise hinter ihm, behauptet zu Guttenberg. Von ihr habe er "zahlreiche aufmunternde Zurufe" erhalten, die seinen "Erklärungen Glauben schenkten". Bei den Doktoranden wirbt zu Guttenberg um Verständnis. Die meisten schrieben ihre Dissertation nicht neben einem politischen Mandat, deshalb müsse man da faire Maßstäbe anlegen.
Eine Strategie, die aufgehen könnte
Für die Fehler, die bereits vor seinem Einzug in den Bundestag passiert sind, muss Guttenbergs Mitarbeit im Familienbetrieb herhalten. Denn schon die hat ihm angeblich kaum Luft für die Dissertation gelassen.
Guttenbergs Familienunternehmen musste von Beginn an immer dann herhalten, wenn der Freiherr einen Beweis für seine Qualifikationen brauchte. Dabei wusste zunächst niemand, was dieses Unternehmen überhaupt macht. Selbst sein eigenes Ministerium nicht - und behauptet fälschlicherweise, es handele sich um einen Baustoffhandel. Am Ende stellt sich heraus: das Unternehmen verwaltet das familieneigene Vermögen.
Es wäre interessant zu wissen, was daran so herausfordernd ist, dass nebenher keine Zeit mehr für eine Dissertation bleibt. Denn dass Reichtum vom wissenschaftlichen Arbeiten abhält, erklärt sich nicht von selbst. Di Lorenzo verzichtet jedoch auf Nachfragen, und so begleitet den Leser die Mär von der im Familienunternehmen erworbenen Wirtschaftskompetenz eine ganze Weile durch das Buch, um immer mal wieder aufzutauchen.
Guttenbergs Strategie könnte aufgehen. Zwar hat er den überwiegenden Teil der Medien noch nicht wieder auf seiner Seite. Der Jubeljournalismus, der vor dem Bekanntwerden des Plagiatsfalls in einem großen Teil der Medienlandschaft stattgefunden hat, wirkt jedoch offenkundig bis heute. Auf der Amazon-Bestsellerliste hat sich zu Guttenberg jedenfalls bereits auf Rang 5 hochgearbeitet (Stand 29. November, 10:30). Eine zweite Auflage dürfte bald in Druck gehen.
Der neue, gewandelte zu Guttenberg ist dabei aber ganz der Alte. Nach wie vor beherrscht er die Kunst der Inszenierung perfekt. Das Timing der Ereignisse, mit denen er sich wieder ins Spiel bringt, beweist das. Der Hang zur Selbstüberhöhung, erreicht durch die Erniedrigung Anderer, ist nach wie vor äußerst ausgeprägt. Dazu kommt seine Art, banale Tätigkeiten wie ein Praktikum bei einer Tageszeitung bis heute zur freien journalistischen Arbeit hochzustilisieren, um eine große Kulisse aufzubauen.
Für einen Boulevardstar bringt zu Guttenberg perfekte Qualifikationen mit. Für eine Wiederkehr in die Politik, wie er sie, möglicherweise mit einer eigenen politischen Partei, im Interview andeutet, sind diese Eigenschaften jedoch abträglich. Auszuschließen ist seine baldige Wiederkehr jedoch nicht. Vorerst.
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