Vorhang auf für Merkel 2.0
Olaf Scholz ist Kanzlerin. Vor zwei Jahren wollte ihn die eigene Partei nicht als Chef haben
Es ist vollbracht: Olaf Scholz ist formell von seinem SPD-Parteifreund und Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue zum neunten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland ernannt worden.
Gewöhnungsbedürftig ist das vor allem für Feministinnen, die zum Ende der 16-jährigen Regierungszeit von Angela Merkel (CDU) augenzwinkernd erklärt hatten: "Nur weil Männer jetzt auch Kanzlerin werden können, müssen wir nicht gleich das Wort ändern." Ansonsten dürfte sich aber weniger ändern, als manche Menschen gehofft oder befürchtet haben.
Scholz ist vor seiner Ernennung in geheimer Abstimmung im Bundestag zum Regierungschef gewählt worden – dabei gab es 395 Ja- und 303 Nein-Stimmen sowie sechs Enthaltungen und drei ungültige Stimmen. Der 63-jährige Ex-Finanzminister der Großen Koalition unter Angela Merkel hat somit zwar die notwendige Mehrheit, aber doch weniger Ja-Stimmen erhalten, als die von ihm geführte Ampel-Koalition insgesamt Mandate hat: SPD, Grüne und FDP verfügen zusammen über 416 Sitze. Allerdings fehlten insgesamt 29 Abgeordnete krankheitsbedingt. Die nötige "Kanzlermehrheit" lag bei 369 Stimmen.
Erfolgsgeheimnis: Im Wahlkampf nicht unangenehm aufgefallen
Bei seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten hatten Scholz und seine Partei noch als weitgehend chancenlos gegolten: Die SPD hatte in Umfragen zunächst hinter Unionsparteien und Grünen gelegen. Deren Kanzlerkandidaten Armin Laschet und Annalena Baerbock erwiesen sich dann aber als so wenig überzeugend, dass Scholz kaum mehr tun musste, als nicht unangenehm aufzufallen.
Dabei hatte ihn die eigene Partei nicht als Chef haben wollen: Als er 2019 mit Klara Geywitz für den Vorsitz kandidierte, unterlag das Duo den Sozialdemokraten Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, denen die Basis eher eine Erneuerung jenseits der "Groko"-Politik zugetraut hatte. Manche Mitglieder waren dann auch bitter enttäuscht, als Esken und Walter Borjans die Kanzlerkandidatur von Scholz unterstützten.
Amtseid vorsichtshalber ohne Gott
Beim Amtseid, den er heute schließlich ablegte, verzichtete Scholz auf den Zusatz "so wahr mir Gott helfe", was aus der Sicht von Atheistinnen und Agnostikern auch ein zu offensichtliches Hintertürchen gewesen wäre. So lautete die Formel schließlich:
Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.
Daran ist er nun theoretisch zu messen. Aber im Fall seiner Vorgängerin hat das ja auch nicht mehrere Amtszeiten verhindert. Denn die SPD hatte stets Gegenkandidaten ohne Gegenentwurf aufgestellt. Zum Zuge kam sie erst, als Merkel nicht mehr antreten wollte.
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