Vorsicht bei Zwischenlandung in den USA

Ausländer, die auf internationalen Flügen in den USA umsteigen müssen, haben praktisch keine Rechte und müssen mit Übergriffen bis hin zur (leichten) Folter rechnen

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Wie es um die Rechte eines Ausländers steht, der gar nicht einmal in die USA einreisen, sondern dort nur ein Flugzeug wechseln muss, um weiterzufliegen, kam sozusagen als Nebenprodukt in einem Prozess heraus. Dabei ging es um eine der berüchtigten Entführungen von mutmaßlichen ausländischen Terroristen in ein Land, das bekannt dafür ist, Folter anzuwenden (Schweden und die CIA-Praxis des Verschleppens von angeblichen "Terroristen" in Folterländer, Haftbefehl für CIA-Agenten). Die CIA oder andere amerikanische Sicherheitsbehörden wollen sich nicht selbst die Finger schmutzig machen, sollen aber auch schon einmal einige Fragen mitliefern, die sie beantwortet haben wollen. Besonders dreist war dies im Fall des kanadischen Bürgers Maher Arar, der 2002 im Kennedy International Airport beim Umsteigen festgenommen und nach Syrien verschleppt wurde, wo man ihn folterte. Arar wurde nach 10 Monaten (!) wieder freigelassen, Syrien und Kanada sehen ihn keiner terroristischen Verbindung für verdächtig, die US-Regierung will nach dem "state secret privilege" nicht die Beweise vorlegen, warum sie Arar für einen Terrorverdächtigen hält. Nun führt Arar einen Zivilprozess gegen die US-Regierung.

Bei einer Anhörung von Mary Mason vor dem Gericht in New York erklärte die Staatsanwältin, die die US-Regierung vertritt, dass Durchreisende in den USA kaum irgendwelche Rechte genießen. Ahar wurde beispielsweise in New York in Einzelhaft gehalten. Man hat ihm den Schlaf und Essen entzogen und ihn tagelangen Verhören unterworfen, ohne dass ihm gestattet wurde, mit einem Rechtsanwalt zu sprechen. Nicht ganz beruhigend versicherte Mason, dass ausländische Durchreisende das Recht hätten, keinem "schweren körperlichen Missbrauch" unterworfen zu werden. Sie sind also verschont vor schwerer Folter, aber das ist auch schon mehr oder weniger alles. Das würde freilich auch denjenigen nicht mehr helfen, die in ein anderes Land gebracht werden und dort verschwinden.

Ausländer, die gar nicht die Absicht haben, in die USA einzureisen, stehen nämlich unter Generalverdacht. Sie müssen, falls verlangt, beweisen, warum sie keine Gefahr für die USA darstellen und deswegen einreisen dürften. Wer in einem Flughafen seinen Ausweis vorlegt, so die gefinkelte Auskunft, verlange in gewisser Weise die Erlaubnis, in das Land einreisen zu dürfen, auch wenn er gar keine andere Wahl hat, als sich gegenüber den amerikanischen Sicherheitskräften zu identifizieren. Wenn Durchreisende als gefährlich betrachtet würden, könnten sie keine Verfassungsrechte wahrnehmen, selbst wenn sie in ein amerikanisches Gefängnis kämen – und dort, siehe oben, peinlichen Befragungen oder einer "torture lite" unterzogen werden. Das sei deswegen rechtens, erzählte Mason dem Richter David Trager, weil die Ausländer, rechtlich gesehen, sich überhaupt nicht in den USA befänden.

"The burden of proof is on the alien to demonstrate his admissibility," Ms. Mason said, "and he did not do that."

"Do you do this to all people on a connecting flight?" Judge Trager asked, raising his eyebrows.

"Yes, all have to show admissibility," Ms. Mason replied.

Damit ist wohl noch einmal ein Tiefpunkt der US-Regierung bei der Auslegung von Verfassungs- und Menschenrechten und damit der Verbiegung des Rechtsstaates erreicht. Mason meinte, Arar habe nicht bewiesen, dass er in die USA einreisen dürfe, also ist rechtens, was ihm geschehen ist. Auf jeden Fall müssen nun prinzipiell alle Durchreisenden, die auf US-Flugplätzen zwischenlanden, damit rechnen, in Bushs Land der Freiheit ohne Anklage festgenommen zu werden, keinen Anwalt hinzuziehen zu können und einem Essens- und Schlafentzug, wenn nicht Schlimmerem, unterzogen zu werden.

Noch besser aber ist, dass das US-Justizministerium unter der Leitung von Gonzales, der als Rechtsberater des Weißen Hauses bereits die Wege für die Folterung von Gefangenen in Guantanamo, Abu Ghraib und anderswo ebnete, der Meinung ist, dass selbst dann, wenn eine solche Person gefoltert würde, der folternde US-Bürger nicht rechtlich belangt werden könnte. Der Torture Victims Protection Act würde nämlich, so das Justizministerium, nur für Opfer gelten, die von Nicht-US-Bürgern gefoltert wurden oder die dies zugelassen haben. Man würde aber, so erklärte Cynthia Magnuson, eine Sprecherin des Justizministerium, "nicht foltern, die Folter exportieren oder Folter dulden".

Allerdings muss man dabei auch im Hinterkopf behalten, wie Folter einst vom jetzigen Justizminister definiert wurde. Die Zufügung von Schmerz allein konstituierte für ihn noch nicht Folter, da müssen schon Schmerzen "in der erforderlichen Intensität" vorliegen, wie sie von "einer schweren Verletzung wie einem Organschaden, einer Lähmung körperlicher Funktionen oder sogar dem Tod" ausgehen (Die US-Regierung und die Folter). Das lässt, wie man sehen konnte, einen großen Spielraum. Aber den sollen ja nur die wenigen "bad apples" genutzt haben.