WM-Vergabe an Katar nichtig?
FIFA-Ethikkommission soll Bestechungsverdacht nachgehen
Domenico Scala, der Vorsitzende der Audit- und Compliance-Kommission der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) hält eine Nichtigkeit der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 an das Emirat Katar für möglich. Damit widerspricht er FIFA-Präsidenten Sepp Blatter, der weiterhin betont, sein Verband werde die WM in dem Golfstaat trotz immer lauterer Kritik "durchziehen".
Voraussetzung für eine Nichtigkeit der Vergabe und eine daraus folgende Neuausschreibung wäre, dass die Untersuchungskammer der Ethikkommission des Weltfußballverbandes bis zum Abschluss ihrer Nachforschungen im Frühjahr zum Ergebnis kommt, dass vor oder während der Abstimmung im Herbst 2010 nachweislich bestochen wurde. Um das herauszufinden, dürfen die beiden Leiter der Untersuchungskammer - der amerikanische Jurist Michael Garcia und der Zürcher Staatsanwalt Cornel Borbély – unter anderem Kontoauszüge von Fußballfunktionären anfordern. Ob und wie oft sie das bisher machten, ist allerdings noch ihr Geheimnis.
Auch zu anderen Ermittlungsdetails schweigt sich die Ethikkommission aktuell aus. Aber auch ohne Einsicht in Kontoauszüge fallen einige Merkwürdigkeiten ins Auge, die Hinweise auf Korruption sein können (aber nicht müssen). So bekam beispielsweise Laurent Platini, der Sohn des Präsidenten der Union of European Football Associations (UEFA), wenige Monate nach der Abstimmung einen ausgesprochen gut dotierten Posten bei der Staatsfondsfirma Qatar Sports Investment (QSI), die am 23. November 2010 mit viel Geld den Fußballverein Paris St. Germain übernahm.
Das kam angeblich nicht nur dem damaligen französischen Staatspräsidenten, sondern auch mehreren anderen Akteuren sehr zupass. Michel Platini, der an der Abstimmung über die WM-Vergabe 2022 teilnahm, soll es aber ganz unbeeindruckt gelassen haben: Er droht Medien mit Gerichtsklagen, wenn sie seine "Integrität bei dieser Abstimmung infrage stellen". Gegen einen anderen hohen Fußballfunktionär, der auf einer Reise in Katar zwei goldene Luxusuhren im Wert von etwa 100.000 Euro geschenkt bekam, erwirkte ein deutsches Amtsgericht inzwischen einen Strafbefehl. Auch hier ist bislang noch nicht klar, ob Gegenleistungen für diese Geschenke flossen und wie sie aussahen.
Fest steht lediglich, dass wahrscheinlich einige der bei den WM-Bauarbeiten zwischen 2010 und 2012 ums Leben gekommenen 700 indischen Bauarbeiter noch leben könnten, wenn Katar weniger Geld in europäische Vereine, ausländische Manager oder goldene Geschenke gesteckt und dafür mehr in bessere und sicherere Arbeitsbedingungen investiert hätte. Alleine zwischen dem 4. Juni und dem 8. August 2013 sollen 44 Nepalesen ihr Leben für das Spektakel gelassen haben. Bis zum Abschluss der Bauarbeiten rechnet man trotz der Medienaufmerksamkeit, die die Lebensabschnittssklaven mit einkassierten Pässen mittlerweile in Europa erregten, mit weiteren 400 Toten. Der Luxusuhrempfänger mit dem Strafbefehl macht sich deshalb Sorgen, dass man die Kritik an Katar "übertreibt" und weist ganz offen auf geschäftliche Interessen hin, die auf dem Spiel stünden.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.