Waffenexporte in Kriegsgebiete: Deutschland an vorderster Front
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Datenbank "ExitArms" schlüsselt weltweite Rüstungslieferungen in Krisenregionen auf. 41 Hersteller mit Sitz in der Bundesrepublik versorgen 16 Konfliktparteien
Keine deutschen Waffen in Krisengebiete? Eine seit Wochenanfang im Internet abrufbare Datenbank straft eine wiederholt bemühte Behauptung Regierender in Deutschland Lügen. Allein zwischen 2015 und 2020 waren hiesige Rüstungsunternehmen in mehr als 200 Fällen an Transaktionen im direkten Umfeld laufender kriegerischer Konflikte beteiligt.
Die Bandbreite der Geschäfte reichte dabei von der Lieferung schweren Kriegsgeräts, von Kleinwaffen über die Bereitstellung von Radarsystemen bis hin zu Maßnahmen der Instandsetzung und Modernisierung vorhandener Anlagen.
Hervorgeht dies aus dem Verzeichnis "ExitArms", einem gemeinschaftlichen Projekt der Nichtregierungsorganisationen Facing Finance und Urgewald, das am Montag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die beiden Initiativen mit Sitz in Berlin beziehungsweise in Sassenberg östlich von Münster engagieren sich für den Schutz von Menschenrechten und der Umwelt.
"ExitArms" greift auf Zahlen des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri zurück und ergänzt diese um in "akribischer" Eigenrecherche gewonnene Erkenntnisse. Dabei werden speziell jene Staaten und Konzerne ins Visier genommen, die an Rüstungslieferungen an Kriegsparteien beteiligt sind. Perspektivisch wollen Facing Finance und Urgewald auch die Namen der Finanziers offenlegen, sprich die Banken, Fonds und Investmentgesellschaften, die mit Krediten und Aktienkäufen die wehrtechnische Produktion und Forschung unterstützen.
Profiteure beim Namen genannt
Der Blick beschränkt sich bei all dem auf solche Auseinandersetzungen, die gemäß Definition des Heidelberg Institute for International Conflict Research ("Heidelberger Konfliktbarometer") "ohne Mandat der Vereinten Nationen geführt werden".
Dies betrifft namentlich 26 Regionen – mit entweder grenzüberschreitenden oder innerstaatlichen Konflikten –, angefangen mit Armenien, Aserbaidschan und Brasilien über Ägypten, Indien, Irak, Israel und Pakistan bis zur Türkei. Weil UN-mandatiert tauchen Krisenherde wie Afghanistan, Syrien oder Mali nicht in der Liste auf. Kaum eine Rolle spielt die Ukraine, weil der russische Angriffskrieg nicht in den Betrachtungszeitraum bis Ende 2020 fällt.
Im Unterschied zu den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung, die die amtlich genehmigten Ausfuhren nicht näher präzisieren, nennt die Datenbank die Profiteure der Rüstungsdeals beim Namen.
Laut einer Medienmitteilung lässt sich so die gesamte Lieferkette auf Unternehmensebene, "vom Design bis hin zum Transport der fertigen Waffe beziehungsweise des fertigen Waffensystems" nachzeichnen. Die Regierung verkneift sich hingegen Angaben zum Hersteller und macht lediglich bei Kriegswaffen spezifische Angaben zum Typ, nicht aber bei der Rüstungstechnik, wozu bloß eine Einteilung nach Obergruppen existiert.
Zum Start führt "ExitArms" rund 500 Unternehmen auf, die direkt, über Tochtergesellschaften oder Joint Ventures an knapp 1.400 Rüstungsexporten beteiligt waren. Dabei sind 33 Kriegsparteien beliefert worden, die in 52, größtenteils innerstaatliche Kriege involviert gewesen waren. Die Kriegsparteien, die am stärksten beliefert wurden, waren demnach Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Ägypten sowie Indien und Pakistan. Diese Staaten sind auch in jene drei Kriege verstrickt, die mit den meisten Waffen versorgt wurden: der in Libyen, im Jemen sowie der Kaschmir-Konflikt.
Jemen: El Dorado der Rüstungsindustrie
Ein wahres El Dorado für die globale Rüstungsindustrie ist der Jemen. Insbesondere seit dem Eingreifen der durch Saudi Arabien angeführten Militärallianz auf Seiten der Regierung in Sanaa vor sieben Jahren laufen die Geschäfte bombig wie nie. Zwischen 2015 und 2020 gingen dort mehr als 600 Transaktionen mit Tötungsgerät und allem, was dazu gehört, vonstatten. Hauptempfänger waren mit großem Abstand das Regime in Riad sowie die VAE, bei den Lieferländern liegen die USA, Großbritannien und Frankreich ganz weit vorne.
Die BRD – ob mit einheimischen Unternehmen oder über Auslandstöchter – mischt ebenfalls eifrig mit. Knapp 40 Transaktionen schlüsselt die Datenbank auf, zweimal mit dabei ist die Daimler AG (Dieselmotoren), zweimal auch die Hensoldt AG (Radarsysteme), viermal Airbus, darunter ein Geschäft mit 23 leichten Helikoptern, und achtmal Rolls Royce. Dazu verkaufte die Flensburger Fahrzeugbau GmbH vier Bergepanzer an die VAE, Rheinmetall zwölf "Fuchs"-Spürpanzer an Kuwait, Thyssen-Krupp vier Fregatten an Ägypten und H3-Aerospace mehrere Militärflieger an Jordanien.
Dabei gehört es ausdrücklich zu den politischen Grundsätzen der Bundesregierung, von Exporten von Kriegswaffen in Länder abzusehen, "die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind, sofern nicht ein Fall des Artikels 51 der VN-Charta vorliegt", oder "in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden". Laut Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien könne es Ausnahmen "nur im begründeten Einzelfall, der öffentlich nachvollziehbar dokumentiert werden muss", geben.