Waffenhändler oder Geiselbefreier?
Der Syrer Monzer Al Kassar: Ein Mann mit vielen Freunden, auch in Deutschland
Der Syrer Monzer Al Kassar wird im November in New York vor Gericht stehen, weil er Maschinengewehre, Handgranaten, Bodenluftraketen und Munition im Wert mehrerer Millionen Dollar an die kolumbianische Guerilla FARC verkauft haben soll. Dies meldet jetzt das Compliance-Unternehmen World-Check. In welchem Kontext dies zur Freilassung von Ingrid Betancourt steht, wird nicht mitgeteilt.
Al Kassar war im Juni von Spanien an die USA ausgeliefert worden. Vergangenes Jahr fiel er auf amerikanische Agenten herein, die sich als kolumbianische Rebellen ausgegeben haben sollen, schreibt die Nachrichtenagentur Associated Press (AP). Demnach soll Kassar auch der Verschwörung und Geldwäsche angeklagt werden. Er selbst gibt an, unschuldig im Sinn der Anklage zu sein.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters verlangte sein Anwalt Ira Sorkin Zeit, um nach Rumänien, Beirut und Spanien reisen zu können. Sorkin war früher selbst Staatsanwalt und Direktor der US Securities and Exchange Commission. Die Anklageschrift wirft Al Kassar vor, die vermeintlichen FARC-Rebellen nach Bulgarien und Rumänien eingeladen zu haben, wo die Waffen produziert wurden. Bei dem Waffenhandel sollen ihm der Chilene Felipe Moreno Godoy und der Libanese Tareq Mousa Al Ghazi geholfen haben.
Beide wurden auf Betreiben der US-Anti-Drogen-Einheit DEA von der rumänischen Regierung ausgeliefert. Ein einmaliger Vorgang. Moreno hatte zuvor noch einen Journalisten des amerikanischen Fernsehens NBC in einem schwarzen BMW zu Kassars Marmorpalast im spanischen Marbella kutschiert. Die Aktion gegen Al Kassar scheint Teil einer weltweiten Operation zu sein, glaubt Anthony Davis vom Fachdienst Jane's. Zeitgleich war nämlich der russische Waffenhändler Viktor Bout in Thailand von DEA-Agenten festgenommen worden, die sich als kolumbianische FARC-Guerilla ausgegeben hatten, um Igla-Flugabwehrraketen zu kaufen. Auch die renommierte Federation of American Scientists (FAS) weist auf die Verbindung hin, die zwischen den Festnahmen der mutmaßlichen Waffenhändler Bout und Kassar bestehen.
Der Asien-Experte Bertil Lintner sieht durch den US-Einsatz die thailändisch-russischen Verhandlungen über Öl- und Gas-Lieferungen sowie über weitere Güter gefährdet. 2007 berichtete der Spiegel über die „Operation White Terror“ des FBI gegen Waffenhändler, die die rechtsgerichteten Paramilitärs AUC in Kolumbien belieferten. Im vergangenen Jahr hat die US-Justiz nämlich den Bananenproduzenten Chiquita angeklagt, weil er zwischen 1997 und 2004 sowohl an die AUC als auch an die FARC Schutzgelder in Höhe von 1,3 Millionen Euro bezahlt haben soll. Zentraler Agent des FBI sei der Deutsche ehemalige Stasi-Spitzel und NVA-Mann Bernd Schlegel gewesen, schrieb der Spiegel. Der DDR-Agent köderte die Kolumbianer mit Waffen aus der DDR und Russland. Sein Honorar habe er jedoch nur zur Hälfte erhalten, die andere gebe es erst nach der nächsten Aktion, hieß es prophetisch im vorigen Jahr.
Lascher Umgang mit "einem der gefährlichsten Männer der Welt"
Wenn Al Kassar, auch bekannt unter den Namen Abu Munawar und Al Taous, vor dem Bundesgericht erscheinen wird, kommen vielleicht noch andere Verbrechen zur Sprache. Richard Marquise, der frühere FBI-Beamte, der die Lockerbie-Ermittlungen leitete, empfahl dem Justizministerium, Kassar auch nach Lockerbie zu befragen. In seinem Schreiben bezog er sich auf die Behauptung des früheren israelischen Agenten Juval Aviv, Al Kassar habe als Mittler zwischen Iran und der amerikanischen Regierung im sogenannten „October Surprise Project“ gehandelt, bei dem Waffen für den Iran gegen die Freilassung der amerikanischen Geiseln. Als Belohnung habe er Heroin aus dem Bekaa-Tal auf Flügen der amerikanischen Fluglinie Pan Am über Frankfurt in die USA liefern dürfen. Dabei sei die Drogenlieferung durch die Bombe ausgetauscht worden, die über Lockerbie explodierte.
Der mögliche Lieferant des Zünders, Edwin Bollier, sollte im Rahmen des Todesermittlungsverfahrens Dr. Uwe Barschel vernommen werden. In den Akten der Lübecker Staatsanwaltschaft zum Fall Barschel findet sich auch eine sogenannte „Sonderakte Al Kassar“. Einen Monat vor der Verhaftung Al Kassars erschien das Buch „Deckname Dali“ des ehemaligen Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) Wilhelm Dietl. Darin beschreibt er, wie er auf Al Kassar angesetzt war, wie er wie in James Bond-Filmen dessen Akte auswendig gelernt habe, ihn mit Hilfe eines Observationsfotos des Bundeskriminalamts (BKA) auf einem Empfang der Österreichischen Botschaft in Damaskus identifizierte und ihn dann in Wien und Madrid traf.
Al Kassar sei Partner des bulgarischen Waffenvertriebs Kintex gewesen. 1995 sei er in Madrid vom Nationalen Gerichtshof vom Vorwurf freigesprochen worden, die Waffen zur Entführung der Achille Lauro geliefert zu haben. Danach sei er endgültig abgetaucht. 1995 schrieb ausgerechnet der Focus, dass Kassar „auf die bayerische Liberalität vertrauen durfte, als er 1988 wegen eines Paßvergehens für einige Tage in München einsaß. Al-Kassar kannte die Familie Strauß.“
Monzer Kassar ist in Syrien nicht irgendwer. Sein Vater war Botschafter des Regimes in Indien unter dem Vater des jetzigen Präsidenten. Jürgen Roth hat in seinem Buch „Schmutzige Hände. Wie die westlichen Staaten mit der Drogenmafia kooperieren“ über Kassar geschrieben, wie er von deutschen und französischen Behörden mit Glacéhandschuhen angefasst wurde, obwohl er laut Bundeskriminalamt "einer der gefährlichsten Männer der Welt" ist, weil er gute Beziehungen im Nahen Osten hat.
Auf 258 Seiten sind die Vorwürfe, die Al Kassar bereits in den 80 er Jahren gemacht wurden, im Buch „Der Pate des Terrors“ nachzulesen, das im Piper-Verlag erschienen ist. Geschrieben hat es der frühere Polizeibeamte Manfred Morstein unter einem Pseudonym bzw. mit Hilfe eines Ghostwriters. Er war Teil eines internationalen Ermittlerteams von Bundeskriminalamt und Interpol. Die Beamten kamen zu dem Ergebnis: „Die laufenden Ermittlungen zeigen eine tiefe Verstrickung aller vier Kassar-Brüder in kriminelle Aktivitäten, besonders aber die Unterstützung terroristischer Gruppierungen im Nahen Osten und Westeuropa, des internationalen Drogen- und Waffenhandels und international organisierten Handels mit gestohlenen Luxusfahrzeugen auf.“
Trotz der Erkenntnisse blieb Al Kassar unbehelligt. Und wenn er dennoch mal verhaftet wurde, blieb er nicht lange im Gefängnis. Der Autor schreibt, dass „eine namhafte deutsche Persönlichkeit am Pfingstmontag von Bayern nach Paris flog, um bei staatlichen Repräsentanten für Monzer Al Kassar zu intervenieren.“ Mit Erfolg. Al Kassar kam frei.
Immerhin habe er immer wieder die Freilassung von Geiseln im Libanon verhandelt. 1985 war Marcel Carton entführt worden. Er war Protokollchef der französischen Botschaft in Beirut. Die französische Regierung habe dem Iran versprochen, Waffen zu liefern, wenn man sich dafür einsetze, die Geiseln freizulassen. Mit der Lieferung der Waffen sei der Syrer Al Kassar betraut worden, heißt es in dem Buch. Dafür kamen Carton sowie Marcel Fontaine und Jean-Paul Kauffman frei. Danach war von den Vorwürfen gegen Kassar keine Rede mehr.
Jetzt kamen wieder Geiseln frei: Ingrid Betancourt, die Amerikaner Marc Gonzales, Thomas Howes und Keith Stansell sowie zehn weitere Geiseln. Kurz darauf lädt Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy zur Mittelmeerkonferenz und hofiert den syrischen Präsidenten Baschir al-Assad. Angesichts der Vorgeschichte darf man auf die Gerichtsverhandlung gegen den Syrer Monzer Al Kassar gespannt sein. Vielleicht geht sie ja so aus wie die Verfahren zuvor, und auch er ist bald ein freier Mann.