Waffenlieferungen: Ukraine bekommt Langstrecken-Marschflugkörper

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Ukraine-Krieg: Großbritannien liefert Storm-Shadow-Raketen. Ukraine sichert Garantien über Verwendung zu. Russland hat kein Monopol auf Eskalationsdominanz mehr.

Gleich mehrere hochrangige westliche Offizielle haben gegenüber CNN bestätigt, dass Marschflugkörper des Typs "Storm Shadow" an die Ukraine geliefert wurden.

Die Raketen, von denen es heißt, dass sie auf ukrainischen Jets sowjetischer Bauart montiert werden können, haben eine große Reichweite, bis zu 250 Kilometer, heißt es im CNN-Bericht. Das bedeutet, dass sie russisches Territorium erreichen können – und die von Russland zu russischem Territorium erklärten, annektieren Gebiete im Donbass sowie die Krim.

[Update: Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace bestätigte vor Parlamentariern im Unterhaus, dass Storm-Shadow-Marschflugkörper "auf dem Weg in die Ukraine sind oder sich schon dort befinden" (AP). Über die Menge sagte er nichts.]

Eskalationspotential

Damit hätte die Ukraine Eskalationspotential. Die Eskalationsdominanz Russland wäre gebrochen. Das ist ein heikler Punkt, dem auf ukrainischer Seite mit Versprechen begegnet wird. Der US-amerikanische Sender zitiert einen westlichen Vertreter mit der Aussage, dass "Großbritannien von der ukrainischen Regierung die Zusicherung erhalten (habe), dass diese Raketen nur auf ukrainischem Hoheitsgebiet und nicht in Russland eingesetzt würden".

Angefügt wird, dass britische Vertreter in öffentlichen Erklärungen die "Krim häufig als ukrainisches Hoheitsgebiet bezeichnet haben": als "illegal annektiert". Wie Russlands Führung einen Raketen-Angriff auf Gebiete bezeichnen wird, die man als russisch deklariert hat, und vor allem, wie es einen solchen Angriff dann offiziell bewertet, ist eine der offenen Fragen, die mit der Lieferung aufkommen.

Großbritannien als Vorreiter

Bis zur heutigen Bestätigungsmeldung von CNN war noch offen, ob die Lieferung der "Storm Shadow" tatsächlich geschehen würde. Es gab einen offiziellen Hintergrund, der sie wahrscheinlich machte.

Beim International Fund for Ukraine (IFU), zu finden auf einer Seite der britischen Regierung, ist eine Ausschreibung für "Raketen oder Flugkörper mit einer Reichweite von 100-300 km; Land-, See- oder Luftstart. Nutzlast 20-490kg" zu lesen, die am 4. Mai geschlossen wurde.

Der IFU wird von Großbritannien geführt. Mit dabei sind Norwegen, die Niederlande, Dänemark und Schweden.

Die Washington Post hatte Anfang der Woche bereits von der Aussicht berichtet, dass die Ausschreibung günstig beantwortet werden würde, und zwar von Großbritannien selbst: Das Land bereite "die Entsendung von Langstreckenraketen in die Ukraine vor", wurde im Titel angekündigt.

Darunter heißt es, dass das UK mit seiner Vorreiterrolle auch Druck auf die US-Regierung ausübe, um Raketen mit größerer Reichweite zu liefern. Dabei geht es um die Boden-Boden-Raketen ATACMS (Army TACtical Missile System), die von Himars abgefeuert werden können. Bislang sträubt sich Washington, diese Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern an die Ukraine zu liefern.

Die Regierung Biden hat die ukrainischen Bitten um diese Waffen (…) unnachgiebig abgelehnt, wobei Pentagon-Beamte neben der Befürchtung einer Eskalation des Konflikts auch auf die knappen Vorräte in den US-Arsenalen verwiesen.

Washington Post

Ukrainische Garantien

Russland werde verlieren, wenn die Ukraine, Schlagkraft mit einer Reichweite von 300 Kilometer habe, weil es sich dagegen nicht verteidigen kann, wird der Verteidigungsminister der Ukraine, Oleksij Resnikow, mit einer früheren Aussage gegenüber der EU wiedergegeben. Wörtlich zitiert wird auch der Zusatz:

Die Ukraine ist bereit, alle Garantien zu geben, dass Ihre Waffen nicht in Angriffe auf russisches Territorium verwickelt werden.

Oleksij Resnikow, Washington Post

Im Krieg kann sich allerdings vieles ändern. Der Kriegsverlauf kann die Gültigkeit von Garantien sehr wohl auf die Probe stellen.

Der Marschflugkörper Storm Shadow wurde von Großbritannien zusammen mit Frankreich entwickelt. Dort wird er unter dem Namen "Scalp" eingesetzt. So zum Beispiel im August 2018 bei einem gemeinsamen Angriff der USA, Frankreichs und Großbritanniens auf syrische Militäreinrichtungen. Der Stückpreis wird von Wikipedia mit 770.000 bis 1,13 Millionen Euro angegeben, allerdings ohne Zeitpunkt des Preises.

Dass Großbritannien wie schon zuvor bei der Lieferung von Panzern eine Vorreiterrolle mit der Lieferung von Langstreckenwaffen einnehmen will, hatte Premierminister Sunak schon bei der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar angekündigt. Laut einem nicht namentlich genannten britischen Vertreter kann das Land eine solche Position "in einzigartiger Weise einnehmen". Da Russland es "ohnehin nicht sehr mag".

Selenskyj: Ukraine wartet noch auf Panzerlieferungen

Wie viele der Storm-Shadow-Marschflugkörper geliefert wurden, ob sie schon in der Ukraine sind und ob die Lieferung in Zusammenhang mit der Äußerung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj steht, dass man noch Zeit brauche, um die allseits erwartete Gegenoffensive zu starten, ist nicht bekannt.

Laut Selenskyj wartet die Ukraine noch auf Panzerlieferungen.

Die USA haben ihrerseits neues Militärhilfepaket im Wert von 1,2 Milliarden US-Dollar für die Ukraine angekündigt: "Luftabwehrsysteme, konventionelle Artillerie und Drohnenabwehrmunition, Satellitenbilddienste und Mittel für die militärische Ausbildung".