Wag The Turkey
Update mit Berichtigung: Bush-Blitzvisite im Irak: Abendessen im Morgengrauen
Da der Gehirnwäsche aus Brainwashington mit journalistischen Mitteln so wenig beizukommen scheint wie mit juristischen - dass die Terroranschläge des 11.9 nach 2 Jahren kaum tiefer aufgeklärt sind als nach 2 Wochen, interessiert keinen Richter, dass Kriegsgründe aus Lügen und Fiktionen gesponnen werden, keinen Journalisten - , wenn also mit Fakten offenbar nichts auszurichten ist gegen die Propagandamaschine des Bush-Regimes, dann vielleicht mit Satire, Fiction, Fakes? Auch hier dürfte es schwer sein, die Realität in ihrem Wahnwitz zu überbieten.
Berichtigung:
Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die "Washington Post" in ihrem ersten Artikel über die Untold Story die Landezeit Bushs versehentlich mit 5 AM statt PM angegeben hat, worauf sich Wayne Madsen in seinem "Wag The Turkey"-Artikel bezog. Der Vorwurf, dass Präsident Bush seine Truppe zur Unzeit mit Truthahn abfüttert, muss also zurück genommen werden.
Dennoch hat Bushs Propagandaoperation bei den Pressekommentatoren zu Hause zu einem Sturm der Entrüstung geführt. Für Rick McArthur, Herausgeber des "Harpers"-Magazin war die gesamte Aktion ein gefährliches Signal, wie sehr Berichterstattung aus Washington zum Hofjournalismus.
verkommen ist.
Als George W. Bush kürzlich kundtat, dass jeder neue Anschlag auf US-Soldaten im Irak doch nur beweise, welch großartige Fortschritte man bei der Befreiung des Landes mache, schickte man um der nationalen Sicherheit willen nicht sofort zwei Männer im weißen Kittel, sondern bewilligte neue Mittel. 87 Milliarden, da hätte man eine Menge Öl bei den Irakis kaufen können, aber dann wäre das Geld bei ihnen gelandet und nicht bei Halliburton, Bechtel, Dyncorp ... insofern macht der Wahnsinn Sinn. Je unsicherer der Irak, desto sicherer die Beute für die "corporate cronies".
Als Vizeverteidigungsminister Wolfowitz mit seinem Stab unlängst in Unterhosen aus seinem Hotel in Bagdad flüchten musste, das im Morgengrauen mit Raketen beschossen wurde, obwohl er dem Irak doch "Freiheit und Demokratie" bringen wollte, forderte ihn niemand wegen seiner offensichtlich verfehlten Visionen zum Rücktritt auf. Stattdessen bekundete Bush am 4. November, die "Terroristen und Killer" wollten, "dass wir weglaufen. Aber Amerika wird nicht weglaufen."
Als Bush vor einem halben Jahr im Top-Gun-Kostüm zur Siegesfeier auf der "Abraham Lincoln" antrat, war nicht nur die ganze Show Leni-Riefenstahl-like inszeniert, die Zeremonienmeister des Weißen Hauses hatten auch das Banner mit der Parole "Mission accomplished" kameragerecht aufhängen lassen. Ende Oktober, zweihundert tote und tausende verletzte GIs später, will man von der erfüllten Mission nichts mehr wissen - das Banner sei eine Idee der Schiffsbesatzung gewesen. So wenig der regierende Hühnerfalke den Mut in der Fliegerhose hat, zu seinem Gerede von gestern zu stehen, so wenig hat er den Mut, der Tragik seiner Politik ins Auge zu sehen. Bei keiner der Beerdigungen der mittlerweile 400 gefallenen US-Soldaten haben sich Bush oder ein Top-Offizieller bis dato blicken lassen. Dafür kondolierte er verstohlen den Hinterbliebenen britischer Soldaten, fernab vom heimischen TV, wo Särge und Beerdigungen "off limits" sind. Aber dafür "Turkey" ein tolles Thema ist.
Der geheime Blitzbesuch Bushs in Bagdad Ende November sorgte dann auch weltweit für Schlagzeilen. Nicht weil er politisch irgendetwas bewegt hätte oder der Friedensprozess im Nahen Ost davon auch nur einen Millimeter vorangebracht worden wäre, sondern als Fototermin: Solidarität mit der Truppe, der Commander in Chief serviert seinen Soldaten das Thanksgiving-Dinner. Dass der Besuch seit Monaten unter ganz ganz doller Geheimhaltung geplant worden sei, selbst Frau Laura und die Eltern nichts gewusst hätten und das clevere Weiße Haus zu Tarnungszwecken sogar noch die Speisefolge des offiziell geplanten Familienessens veröffentlichte, diese aufregenden Details wurden dann haarklein und ausführlich berichtet.
Dass es sich bei dieser Truthahn-Mission aber um eine Wag The Turkey-Nummer gehandelt hatte, sparten die Medien allesamt beflissen aus. Warum, leuchtet unmittelbar ein, wenn man sich erstens den Zeitplan anschaut - die Air Force One landete um 5 Uhr 20 Ortszeit in Bagdad und war zweieinhalb Stunden später schon wieder in der Luft - und sich dann die Frage stellt, wie Truthahn mit Soße, Kartoffelbrei und Beilagen schmecken - morgens um sechs!
Den 600 Soldaten und Angestellten, die im Morgengrauen aus dem Bett geholt wurden und sich in einer Flughafenhalle als Überraschungsgäste versammeln mussten, um sich mit Truthahn stopfen zu lassen, stellte man die Frage natürlich nicht - die Antworten wären womöglich nicht druckreif ausgefallen. So wenig wie der historische Vergleich, dass sogar Hitler 1940 in Paris, bei seinem ersten Blitzbesuch nach dem "Blitzkrieg", offenbar genügend Sicherheit für eine Sightseeing-Tour vorfand, während sich der "Befreier" des Irak nur wie ein Dieb in der Nacht ein- und ausschleichen kann - um sein Fußvolk mit Abendessen im Morgengrauen zu belästigen.
Immerhin, die von 9-11 in Trance versetzte Bevölkerung in den USA scheint langsam aufzuwachen, zumindest jene 10%, die dort noch Zeitung lesen. Nachdem der Kolumnist der New York Times Nicholas Kristof kürzlich den Mangel an einem geeigneten Namen für den Irak-Krieg beklagt hatte, erhielt über 4.000 Vorschläge. Alle, die er zitiert, zeugen von Humor und Einsicht, von "Operation Oops: We did it again" bis "Mission Implausible: A Job well Spun". Mir gefiel "Operation Iraqi Liberation" - man beachte das Akronym - am Besten, wobei nach Thanksgiving natürlich jetzt ein neuer Favorit aufgetaucht ist: Wag The Turkey. Eigentlich, und weil der ganze Schrecken nur noch mit Lachen zu ertragen ist, müsste das Ganze natürlich aber ein mehrteiliges komisches Großepos werden: Die nackte Kanone 9,11.