Wahlen in der Slowakei: Wird das Land neutral im Ukraine-Krieg?

Robert Fico empfängt Dmitri Medwedew (rechts) 2010 in der Slowakei. Bild: www.kremlin.ru / CC-BY-4.0

Parlamentswahlen an diesem Wochenende. EU- und Nato-Mitglied könnte aus Reihe der Ukraine-Unterstützer ausscheren. Das sind die Ursachen für den Politikschwenk.

An diesem Samstag werden die Wähler in der Slowakei zu den Urnen gerufen. Nach mehreren Jahren wirtschaftlicher und politischer Dauerkrise bürgerlicher Koalitionen und drei Premierministern in drei Jahren soll das Wahlvolk nun vorzeitig noch einmal entscheiden. Laut Umfragen hat Robert Fico die besten Aussichten, neu-alter Premier zu werden. Er regierte bereits von 2006 bis 2010 sowie von 2012 bis 2018 das mittelosteuropäische 5,5-Millionen-Einwohner-Land.

Vor allem in der Frühphase seiner Regierungszeit gab es zahlreiche Schmähungen in Deutschlands und Österreichs Presse und Politik für den populären Politiker. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung schrieb von seiner Regierungskoalition als einer "Tyrannei der Mehrheit", der Regierungsfernsehsender Deutsche Welle vom "Hugo Chávez Europas" und die konservative Wiener Tageszeitung Die Presse vom "Pjöngjang an der Donau". Auch heute überschlagen sich wieder die Plattitüden im deutschsprachigen Blätterwald: So schrieb die Süddeutsche Zeitung von "Liebesgrüßen nach Moskau" und die Schweizer NZZ von "Putins slowakischem Freund".

Seit Monaten führt die Smer (Slowakisch für "Richtung") die demoskopischen Befragungen an. Politisch ist die 1999 gegründete Partei schwer einzuschätzen. Lange Zeit galt sie als "linkspopulistisch" oder "linksnational" und ist auch bis heute Mitglied der sozialdemokratischen Parteienfamilie in der EU, aber alle diese oberflächlichen Betrachtungen werden der Partei nicht gerecht.

Vor allem ist es das politische Vehikel von Robert Fico. Der 1964 im westslowakischen Topoľčany geborene Politiker gründete die Smer 1999 als Abspaltung von der neoliberal gewendeten Partei der Demokratischen Linken (Strana demokratickej ľavice, SDĽ), die nach der Auflösung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei aus den Resten dieser entstanden war. Die SDĽ trug ab 1998 eine neoliberale Regierung mit und zerbrach daran innerhalb weniger Jahre.

Der damalige Oppositionspolitiker Fico gab der Smer zwar den Zusatztitel "Dritter Weg", orientierte sich aber nicht an den westeuropäischen Sozialdemokraten Tony Blair und Gerhard Schröder, sondern punktete mit einem antineoliberalen Programm und warb für eine außenpolitische Neuorientierung. Zur Parlamentswahl 2002 errang die Smer somit aus dem Stand 13,5 Prozent der abgegebenen Stimmen und durfte fortan neben den erst- und bis heute letztmals ins Parlament eingezogenen Kommunisten in der Opposition Platz nehmen.

Aus der Opposition gegen die radikal neoliberale Koalition heraus profilierte sich Fico weiter als antineoliberaler Sozialdemokrat und die Smer übernahm eine Reihe sozialdemokratischer Kleinparteien, u.a. die 1990 von Alexander Dubček mitbegründete SDSS. Außenpolitisch positionierte sich Fico gegen den Irakkrieg und reiste nach Belarus, um den dortigen Präsidenten Alexander Lukaschenko zu besuchen.

US-Botschaft sah schon einmal "Worst-Case-Szenario"

Ab 2006 regierte die Smer dann in einer Koalition mit zwei kleinen Rechtsparteien. In der US-Botschaft in Bratislava notierte ein Mitarbeiter, das "Worst-Case-Szenario" sei eingetreten. Die erste Regierung Fico stoppte alle Privatisierungen, erhöhte den Mindestlohn und ließ den Pipelinebetreiber Transpetrol verstaatlichen.

In der Außenpolitik positionierte sich die Regierung deutlich links, zog die Truppen aus dem Irak und dem Kosovo ab, erkannte die Unabhängigkeit des Kosovos demonstrativ nicht an und stellte sich gegen den damals in Polen und Tschechien geplanten Nato-Raketenschild.

Als 2008 georgische Truppen die abtrünnige De-facto-Republik Südossetien überfielen, sprach Fico das auch so deutlich aus und stufte den Waffengang als "georgische Aggression" ein. Fico kündigte an, nach Venezuela, Libyen und China reisen zu wollen – aus vielen der Trips wurde nichts – und besuchte mehrmals Empfängen in der kubanischen Botschaft zu den Jahrestagen der Revolution auf der Antilleninsel.

Kurz nach der Wahl reiste Fico nach Tripolis und ließ sich vom damaligen libyschen Machthaber Muammar Al-Gaddafi hofieren. Dieser Trip brachte milliardenschwere Investitionen für die slowakische Bauindustrie und den Gesundheitssektor des kleinen Landes. Ab 2009 tagte dann das zwischenstaatliche kubanisch-slowakische Komitee für wirtschaftliche Kooperation. Für ein Nato-Land eher eine unübliche Außenpolitik.

Nach dem Urnengang 2010 landete die Smer in der Opposition, da eine ihrer vormaligen Koalitionsparteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte und die andere ihr gefährlich nahekam. Für zwei Jahre regierte dann eine bunte Truppe aus sechs liberalkonservativen Formationen.

Fico, wieder in Opposition, reiste nach Moskau und nahm 2011 als einziger westlicher Politiker an dem Parteitag von "Einiges Russland" teil, auf welchem Wladimir Putin ankündigte, wieder Präsident werden zu wollen.

In der Slowakei zerbrach die bürgerliche Koalition nach nur 14 Monaten und nachdem herausgekommen ist, dass große Teile der Privatisierungen von 1998 bis 2006 mit Korruption in Verbindung standen, gewann die Smer die absolute Mehrheit zu den Neuwahlen 2012.

Die Smer hatte sich zu dem Zeitpunkt inhaltlich das erste Mal neu erfunden. In der Opposition stimmte die Partei der Schuldenbremse zu und votierte auch für den Griechenland-Rettungsschirm, welcher ein Austeritätsprogramm in jenem südosteuropäischen Land begleitete.

Bei der Rückkehr der Smer in Regierungsverantwortung gab es für die Annäherung an den neoliberalen Mainstream Lob aus Westeuropa, da die Partei "viel reifer" geworden sei, so etwa der österreichische SPÖ-Politiker Hans Swoboda.

Allein regierend kamen von 2012 bis 2016 immer mehr Korruptionsskandale im Umfeld der Partei ans Licht. Mit neoliberaler Haushaltsdisziplin und Schuldenbremse blieb dem Fiskus darüber hinaus wenig Spielraum.

Das zentrale sozialpolitische Vorhaben – die Verstaatlichung der Gesundheitsversorger – scheiterte an slowakischen Gerichten, und das wichtigste Infrastrukturvorhabe der Schnellstraße nach Košice, der Hauptstadt des Ostens, kam nicht voran.

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