Wahlen in der Slowakei: Wird das Land neutral im Ukraine-Krieg?
Seite 2: Machtwechsel in Kiew 2014 hatte auch Auswirken auf Bratislava
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- Machtwechsel in Kiew 2014 hatte auch Auswirken auf Bratislava
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Mit dem Coup in Kiew 2014 wurde die Slowakei zudem von Handelspartnern im Osten abgeschnitten. Das Militär des kleinen Landes orientierte sich danach um und die Regierung kaufte fortan neues Militärgerät in den USA, anstatt wie bis dahin alte Technik in Russland modernisieren zu lassen.
Den Urnengang 2016 setzte Fico nicht mehr auf soziale Themen, sondern auf die Hetze gegen Geflüchtete. Im Gegensatz zu den sozialen Themen zuvor zog das jedoch gar nicht und die Smer verlor fast ein Drittel der Stimmen und zog mit lediglich 28 Prozent in den Nationalrat ein.
Die neoliberal gewendete Partei koalierte fortan mit einer Reihe bürgerlicher und rechter Parteien und kam bei den wichtigsten sozialen Themen nicht mehr voran. 2018 ermordete ein Auftragskiller den Investigativjournalisten Ján Kuciak und dessen Lebensgefährtin.
Kuciak hatte über Kontakte der italienischen Mafia bis in die Regierung Fico hinein recherchiert. So hatte die Organisierte Kriminalität, die sich in dem Fall auf Steuerbetrug und den Missbrauch von EU-Fördergeldern spezialisiert hatte, mit Ficos persönlicher Assistentin Mária Trošková eine Verbindungsfrau direkt im Büro des Ministerpräsidenten. Fico, Innenminister Robert Kaliňák und der Polizeichef traten zurück und die Smer schien am Ende.
Der neue Premier Peter Pellegrini kam aus der Reihe der Smer, spaltete jedoch nach der verlorenen Parlamentswahl Anfang 2020 eine eigene Partei von der Smer ab und nannte sie Hlas (Slowakisch für "Stimme"). Ein Drittel der Abgeordneten lief zu dieser neuen Formation über.
Mit der kurz nach dem Urnengang 2020 auch in der Slowakei angekommenen Covid-19-Pandemie entdeckte Fico auf einmal ein neues Thema für sich. Er stellte sich gegen Lockdown-Maßnahmen und warb dafür, dass die Impfung gegen die Pandemie eine persönliche Entscheidung eines jeden Einzelnen sein soll.
2021 nahm ihn die Polizei sogar bei einer Demonstration gegen einen Lockdown fest. Doch auch dieser Kurs half nichts und die Demoskopen sahen die Smer für die Jahre 2020 und 2021 meist zwischen acht und zwölf Prozent der Stimmen. Die versuchte weitere Neuerfindung scheiterte.
Mit dem im Februar 2022 von Russland begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte Fico jedoch wieder ein neu-altes Thema: Die guten Beziehungen zu Belarus und Russland. Die Smer positionierte sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und gegen EU-Sanktionen, die Russland ins Visier nehmen.
Letzte wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen schadeten nur der russischen Bevölkerung und nicht der Regierung, sagte Fico dazu in einem Interview. Zu den Feierlichkeiten zum antifaschistischen Slowakischen Nationalaufstand im August vergangenen Jahres lud der Ex-Premier den russischen Botschafter in Bratislava als Gastredner ein, was viele Bürgerliche im Land empörte.
Überdies zeigte Fico klare Kante, als er sagte, dass ein EU-Beitritt der Ukraine bis zum Jahr 2025 eine unrealistische Perspektive sei. Der Ukrainekrieg ist laut Ansicht des Ex-Premiers ein Stellvertreterkonflikt zwischen den USA und Russland und müsse durch Verhandlungen beendet werden, wobei die Ukraine in Zukunft als Puffer zwischen Ost und West dienen solle. Gegen einen möglichen Nato-Beitritt des slowakischen Nachbarlandes wolle Fico ein Veto einlegen, sobald er wieder Ministerpräsident ist.
Anti-Nato-Stimmung in der Slowakei
In der Slowakei treffen solche Äußerungen auf offene Ohren. In der realsozialistischen Zeit bis 1989 wurde aus dem einstigen Agrarland eine Industrienation, woran heute noch viele Ältere gerne zurückdenken. Laut einer Umfrage vom Mai dieses Jahres ist die Slowakei neben Bulgarien das osteuropäische Land mit dem geringsten Nato-Rückhalt.
Bei einer möglichen Abstimmung über eine Mitgliedschaft in dem Militärbündnis würden lediglich 58 Prozent der Wähler dafür votieren. Noch vor Bulgarien läge die Slowakei bei den Wählern, die sogar für einen Austritt stimmen würden: Das wären 33 Prozent. Von einer Begeisterung für die Nato kann man im slowakischen Fall wohl kaum sprechen.
Trotz dieser Zahlen und der ukrainekritischen Aussagen des wahrscheinlichen nächsten Premiers Fico steht ein Zerbrechen der Nato nicht auf der Tagesordnung. Einen Nato-Austritt diskutiere man in der Smer nicht sagte Fico der Presse.
Bei der Vorstellung des Außenpolitikprogramms hieß es lediglich, dass die Smer an der Regierung neben den Beziehungen zu anderen EU- und Nato-Ländern die Beziehungen mit China, Kuba und Vietnam ausbauen und die Beziehungen zu Russland wiederherstellen wolle.
Nicht die Außenpolitik, sondern die im westlichen Ausland wenig beachtete Innenpolitik wird den Urnengang vom Samstag entscheiden. In der Slowakei erreichte die Inflation im vergangenen Jahr zwölf Prozent und wird dieses Jahr wohl auf rund elf Prozent kommen. Agrareinfuhren aus der Ukraine – eigentlich zum Weitertransport gedacht – belasten darüber hinaus die slowakische Landwirtschaft.
Vor allem die Lebensmittelpreise stiegen stark. Ficos Smer will mit einer Stärkung des Kartellamts und einer Kappung von Profiten für Lebensmittelhändler letzteres Problem in den Griff bekommen.
Während wahrscheinlich die sozialen Themen den Ausgang der Wahl in der Slowakei entscheidend bestimmen, ist man sich im politischen Bratislava nicht so sicher, ob die angedachten Rezepte der Spitzenpolitiker helfen. "Die dringendsten sozialen und ökonomischen Fragen werden von allen Parteien nicht adressiert", erklärte Peter Weisenbacher vom Institut für Menschenrechte in Bratislava gegenüber Telepolis.
Die slowakische Außenpolitik wird sich nach der Wahl wahrscheinlich deutlich ändern, aber ein Abwenden von EU und Nato steht nicht auf der Tagesordnung. Als mögliche Außenminister werden der derzeitige Nationalratsvizepräsident Juraj Blanár von der Smer und Peter Kmec von der Hlas gehandelt.
Ersterer gilt – im Gegensatz zu seinem Parteichef – als blass und unauffällig und zweiterer diente als slowakischer Botschafter in den USA und gilt als Technokrat.
Zwar ist ein Stopp slowakischer Waffenlieferungen in die Ukraine realistisch, aber das Land wird höchstwahrscheinlich nicht die Sanktionspolitik der EU stoppen, sondern versuchen in einem begrenzten Maße eigene Akzente zu setzen.
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