Olaf Scholz gegen "Scheinlösungen" für Ukraine – ist damit auch EU-Politik gemeint?

Symbolbild: Olaf Scholz bei einem Pressetermin.

(Bild: Regierung Finnlands, CC BY 2.0, flickr.com)

In Europa schwindet die Solidarität für die Ukraine und ein neuer Rechtstrend droht. Das liegt auch an Brüssel und Berlin, die Probleme nicht nachhaltig lösen. Ein Kommentar.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach am Dienstagabend vor der UNO-Generalversammlung. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine warnte er vor Lösungen, die den Frieden nur zum Schein sichern würden. Vor solchen Scheinlösungen müsse man sich hüten, sagte Scholz bei seinem Auftritt vor spärlich besetzten Reihen.

Das Auditorium dürfte diesen Worten verwundert gelauscht haben. Denn in den zurückliegenden anderthalb Jahren waren es die Deutschen und Europäer selbst, die in dem Krieg vorrangig mit Scheinlösungen zu punkten versuchten. Die Sanktionen und der Wirtschaftskrieg gegen Russland blieben ohne Erfolg, wie selbst die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) unlängst zugeben musste.

Europäische Politiker und Regierungen beschwören die Solidarität mit der Ukraine – und dieses Bekenntnis nimmt schon fast religiös-fanatische Züge an: Gut ist, was der Ukraine hilft, ungeachtet aller Risiken, Gefahren und Kosten. Schlecht ist, was auch versucht, das rationale Eigeninteresse zu berücksichtigen.

Der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bot zu Beginn der Woche ein anschauliches Beispiel dafür. Er bezichtigte osteuropäische Regierungen, die das Wohl ihrer eigenen Bauern in den Fokus nahmen, der "Teilzeitsolidarität". Diese Länder würden sich nur dann mit der Ukraine solidarisch zeigen, wenn sie Lust dazu hätten, schimpfte er.

Als die Europäische Union kürzlich das Einfuhrverbot für ukrainische Agrarprodukte aufhob, dürfte damit nur einer Scheinlösung der Weg geebnet worden zu sein. Die zudem dazu beiträgt, das Fundament der Ukraine-Solidarität in Europa zu untergraben.

Von einer nachhaltigen Lösung der Getreidefrage ist die EU aber noch weit entfernt, wie die Debatte im EU-Parlament letzte Woche zeigte. Während Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski die Maßnahmen der EU-Kommission lobte, ernte er von den Abgeordneten hauptsächlich Kritik.

Kein Konzept, nur Durcheinander der Meinungen in der EU

Besonders die polnischen EU-Abgeordneten zeigten sich sehr emotional, wie Telepolis nun aus Diplomatenkreisen erfahren hat. Die polnischen Vertreter aus verschiedenen Fraktionen des EU-Parlaments hätten einander beharkt, heißt es in einem Dokument, das Telepolis vorliegt.

Mal erklärten sie, der jeweils andere würde das "russische Narrativ" vertreten. Ein anderes Mal beschuldigten sie einander, sich nicht ausreichend für die Interessen der polnischen Bauern einzusetzen. Andere rechtfertigten wiederum, dass die Regierung in Warschau ein Importverbot im Alleingang eingeführt hat.

Interessanter an der Debatte war allerdings, dass sich ein weiteres Mal zeigte, dass die EU nach wie vor keine Gesamtstrategie hat, die sowohl die Interessen der europäischen Landwirte als auch die der Ukraine berücksichtigt. Auch wie der Transit der ukrainischen Agrarprodukte durch die EU-Länder effizient gewährleistet werden kann, ist scheinbar auch noch ungeklärt.

Der rumänische Abgeordnete Dacian Cioloș schlug vor, einen speziellen Koordinator für Getreide einzusetzen, um einen reibungslosen Transit zu ermöglichen. Andere plädierten für einen Ausbau der notwendigen Infrastruktur. Abgeordnete aus Litauen schlugen vor, die Transporte aus der Ukraine mit GPS- und digitalen Systemen zu überwachen. Auf diese Weise solle der korrekte Transport zu den Exporthäfen sichergestellt und illegale Einfuhren verhindert werden.

Die italienische Abgeordnete Paola Ghidoni möchte gleich noch gegen Finanzspekulanten vorgehen, welche Produktionskosten erhöhen und Verkaufspreise drücken würden. Martin Hlaváček sprach sich für Steuern auf Importgetreide und Anti-Hunger-Maßnahmen aus. Andere plädierten dafür, Preiskontrollen bei Rohstoffen in Europa einzuführen.

Die deutsche Abgeordnete Özlem Demirel (Linke) kritisierte dagegen die EU-Sanktionen gegen Russland. Sie sollten ihrer Meinung nach aufgehoben werden, weil sie zu höheren Lebensmittelpreisen in der EU führen und auch im Globalen Süden erheblichen Schaden anrichten würden.

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