Wahlen und Kontrolle: Was Deutschland und die USA gemeinsam haben
Die Debatte um das Hochamt der Demokratie in beiden Ländern: Ein kritischer Blick auf Wahlen, Möglichkeiten der Manipulation und die Berichterstattung darüber.
Wahlen gelten als das "Hochamt der Demokratie", in Staaten wie Deutschland sind sie auf nationaler Ebene die einzige Möglichkeit, als Bürger Entscheidungen über die Politik zu treffen. Daher ist es wenig verwunderlich, dass über Wahlverfahren viel diskutiert wird – einschließlich möglicher Manipulationen oder Verzerrungen.
Allerdings wird der kritische Blick auf Wahlen nicht immer objektiv geworfen. Gelegentlich wird eher vom Ergebnis her geschaut, ob Zweifel zu thematisieren sind oder nicht.
Mehrfachwähler in den USA?
Zu möglichen Wahlmanipulationen in den USA stellt ein Faktencheck von Correctiv schon in der Überschrift fest: "Nein, in den USA können Menschen nicht mehrfach wählen".
Angeblich haben Menschen aus verschiedenen Ländern Rundreisen durch die USA gemacht und dabei immer wieder gewählt. Möglich sei das angeblich, weil der Ausweis zur Wahl nicht kontrolliert werde. Das kann aber nicht stimmen.
Correctiv
Was dann erörtert wird, ist jedoch nur das Registrierungsverfahren für potentielle Wähler. Amerikaner, die an einer Wahl teilnehmen wollen, müssen sich demnach in ein Wählerverzeichnis eintragen lassen. Bei diesem Vorgang müsse man seinen Ausweis, Führerschein oder ggf. ein anderes Identitätsdokument vorlegen.
Öffentlich viel präsenter war jedoch ein ganz anderer Vorwurf, der eines Faktenchecks würdig wäre: Da in vielen US-Staaten keine Kontrolle der tatsächlich wählenden Personen stattfinde, könne man sich im Wahllokal als jemand anderes ausgeben – vorausgesetzt, diese Person steht im Wählerverzeichnis.
... und in Deutschland?
Zu Recht weist Correctiv darauf hin, dass dies auch in Deutschland möglich ist. Denn normalerweise genügt es, im Wahllokal seine Wahlbenachrichtigungskarte vorzulegen. Ob man tatsächlich die darauf genannte Person ist, wird meist nicht geprüft (§ 56 Bundeswahlordnung).
Elon Musk postete dazu im Nachgang zur US-Wahl eine Grafik von Newsmax, in der zu allen von Kamala Harris gewonnenen Bundesstaaten vermerkt ist, ob die Identität im Wahllokal überprüft wird. Laut dieser Grafik ist das ganz überwiegend nicht der Fall.
Musk schrieb dazu: "Must be a coincidence." Womit er wohl genau das Gegenteil nahelegen will: Es sei kein Zufall, dass Harris dort gewonnen hat, wo kein Ausweis vorgelegt werden musste.
Der große Schönheitsfehler dabei: Für die rot markierten Staaten, in denen Trump die Wahl gewonnen hat, wird keinerlei Angabe zur gesetzlichen Regelung einer Überprüfung der Wähler gemacht.
Über eine Ausweispflicht bei Wahlen wird in den USA schon lange gestritten. So verwarf ein Gericht 2012 eine entsprechende Neuregelung für Pennsylvania.
Die Vorlage eines Personaldokumentes würde vor allem viele Schwarze, Latinos sowie junge Leute und Arme benachteiligen. Sie haben oft keine Geburtsurkunde und können daher nur mit großem organisatorischen und finanziellen Aufwand einen Personalausweis beantragen. In den USA sind Personalausweise keine Pflicht.
dpa via Zeit
Schon vor den US-Wahlen haben zahlreiche Medien thematisiert, "wie Trump und seine Anhänger erneut die Wahl-Lüge vorbereiteten" (BR). Tenor: alles üble Gerüchte.
Wahlbetrug
Anders allerdings beim Portal Der Westen (Funke Mediengruppe). Hier wurde ein möglicher Wahlbetrug gerade ausführlich beschrieben.
Hat Elon Musk Wahlbetrug durchgeführt, um Ex-Präsident Donald Trump gewinnen zu lassen? Demokraten machen ihn für den Sieg verantwortlich.
Der Westen
Den Plot fasst Autor Alexander Riechelmann so zusammen:
So habe Musk seine technische Infrastruktur verwendet, um bei der US-Wahl einen Wahlbetrug durchzuführen. Insbesondere in den "Swing States" habe er Daten verfälscht, die über sein "Starlink"-Netzwerk übertragen wurden. Das sollen einige seiner Satelliten beweisen, die direkt nach der Wahl zum Absturz gebracht wurden.
Der österreichische Standard spricht in dem Zusammenhang von haltlosen Vorwürfen, der Tagesschau-Faktenfinder davon, dass es keine Beweise gebe.
Ganz ausgeschlossen ist Wahlbetrug wohl nie. Den Vorwurf der mehrfachen oder unberechtigten Stimmabgabe ordnet Correctiv daher letztlich auch so ein:
Es gibt Fälle, wo es Personen gelungen ist, mehrfach zu wählen. Das ist in den gesamten USA aber eine Straftat – darauf stehen bis zu 10.000 Dollar Geldstrafe, fünf Jahre Gefängnis oder beides.
Correctiv
Neuwahl-Termin in Deutschland
Auch in Deutschland stehen vielleicht bald Wahlen an, früher als regulär vorgesehen. Nach dem faktischen Aus der Ampel-Koalition ging es in der Öffentlichkeit intensiv um den konkreten Termin. Das Ergebnis vermeldeten viele Medien dieser Art:
Jetzt wird es wohl der 23. Februar. Auf diesen Vorschlag haben sich Union und SPD geeinigt.
Tagesschau
Gesundheitsminister Karl Lauterbach kommentierte:
Guter Kompromiss. Früher wäre ein zu großes Risiko gewesen. Jetzt wurde heftig gestritten um 1-2 Wochen, ein Tiefpunkt der Debattenkultur. Auch von Parteien, die im Amt zum Teile jahrelang Stillstand zugelassen haben oder die Regierung geschmissen haben.
Karl Lauterbach
Was viele Journalisten (und Politiker) im Eifer des anstehenden Wahlkampfgefechts übersehen haben: Verfassungsrechtlich ist noch gar kein Anlass, über einen Neuwahltermin zu diskutieren.
Denn zunächst muss der Bundeskanzler dem Parlament die Vertrauensfrage stellen – und diese negativ beschieden bekommen. Erst danach entscheidet der Bundespräsident, ob es Neuwahlen geben soll (Art. 68 GG).
Aber der Bundespräsident muss den Bundestag nicht auflösen – und dieser selbst darf es nicht, wie es die Vereinbarung eines Neuwahltermins nahelegt. Der Bundestag kann sich auch auf einen neuen Bundeskanzler verständigen, ohne Neuwahl.
Mehr als eine Formalie
Angesichts dessen, dass gerade in den Medien so viel auf das Grundgesetz geschworen wird (zu quasi jedem Jahrestag gibt es irgendwelche Lobeshymnen) ist das keine Formalie – auch wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schon "signalisiert" haben soll, "dass er grünes Licht geben könnte".
Denn was immer Fraktionsspitzen miteinander aushandeln: Sie sind nicht das gesamte Parlament. Dessen Mitglieder sind bekanntlich frei und an keinerlei Weisungen gebunden (Art. 38 GG). Sie allein dürfen und müssen entscheiden, ob sie dem Kanzler das Vertrauen aussprechen oder nicht, wenn darüber abzustimmen ist.