Waldbrände "Tick" und "Kincade" verwüsten Teile Kaliforniens
Gouverneur droht Stromversorger Schadensersatzforderungen an
Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom hat in seinem US-Bundesstaat am Wochenende den Notstand ausgerufen. Anlass dafür waren Waldbrände, die derzeit auch jenseits der Grenze im mexikanischen Baja California toben.
Ein Tick ("Zecke") genannter Waldbrand in der Nähe von Santa Clarita in der Metropolregion Los Angeles ist durch den Einsatz von knapp tausend Feuerwehrleuten inzwischen so weit unter Kontrolle, dass dort viele der vorher 50.000 Evakuierten in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren konnten. Wenn ihre Häuser nicht zu den 16 gehören, die abbrannten. Oder zu den weiteren 18, die stark beschädigt sind. Oder wenn sie östlich des Sand Canyon wohnen - einem Gebiet, das für eine Rückkehr weiterhin als zu gefährlich gilt. Außerdem brach in der Nähe des Kunstmuseums Getty Center ein neuer Waldbrand aus.
Nur zu etwa fünf Prozent unter Kontrolle haben gut 3.000 Feuerwehrleute den inzwischen über 12.000 Hektar umfassenden Waldbrand "Kincade" im Weinbaugebiet Sonoma, wo bislang 49 Gebäude ein Raub der Flammen wurden. Hier haben sie etwa 185.000 Personen aufgefordert, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Dafür, dass diese Häuser und Wohnungen nicht geplündert werden, sollen dem örtlichen Polizeichef Mark Essick zufolge mehrere hundert Polizeibeamte sorgen.
Marode Masten und Kabel und ein Gouverneur, dem Bäume am Herzen lagen
Noch mehr Kalifornier als evakuiert wurden - nämlich rund 940.000 - hatten oder haben wegen der Feuer keinen Strom mehr. Das war oder ist jedoch keine unmittelbare Folge der Brände, sondern einer vorsorglich erfolgten Abschaltung durch ihren Energieversorger Pacific Gas & Electric (PG&E). Dem unter Gläubigerschutz arbeitenden S&P-500-Unternehmen hat Gouverneur Newsom Schadensersatzforderungen angedroht. Nicht wegen der Stromabschaltungen, sondern wegen der Brandschäden.
PG&E steht nämlich seit dem letzten Jahr im Verdacht, seine Infrastruktur unverhältnismäßig vernachlässigt zu haben, weswegen umgefallene Masten und gerissene Kabel das so genannte "Camp Fire" im nordkalifornischen Butte County auslösten. Der Energieversorger verweist wiederum darauf, dass Jerry Brown, der damalige demokratische Gouverneur von Kalifornien, 2016 sein Veto gegen ein Gesetz einlegte, das das Abholzen von Bäumen vorsah, die gefährlich nahe an Stromleitungen herangewachsen waren.
Camp Fire kostete im letzten November 86 Menschen das Leben - so vielen, wie kein einziger der aufgezeichneten kalifornischen Waldbrände vorher. Der kalifornische Waldbrand, der flächenmäßig den bislang größten gemessenen Schaden anrichtete, wütete ebenfalls in diesem Jahr: Das "Mendocino Complex Fire", bei dem im Juli 2018 185.800 Hektar Land und ein Mensch verbrannten. Damit löste er das "Santiago Canyon Fire" von 1889 ab, das sich vorher mit 130.000 zerstörten Hektar Land 119 Jahre lang an der Spitzenposition der Liste der verheerendsten Waldbrände im Golden State gehalten hatte.
Günstige Bedingungen
Sein Entstehungsjahr zeigt, dass es nicht unbedingt marode elektrische Leitungen braucht, um so eine Katastrophe auszulösen. Dass dafür auch ein Blitz genügt, liegt daran, dass in Kalifornien eine relative Trockenheit zwischen dem Frühjahr und dem Spätherbst auf Winde wie die Diablos oder den gerade in Sonoma wehenden Santa Ana stößt, die Feuer schnell anfachen und verbreiten.
Hinzu kommt ein häufiger Bewuchs von Brachland mit Gestrüpp, das besonders leicht brennt. Die Temperatur spielt bei der Entstehung solcher Waldbrände - anders als Trockenheit und Wind - keine Rolle, wie der bekannte deutsche Wetterexperte Jörg Kachelmann nicht müde wird, zu erklären. Auch Glasscherben sind seinen Angaben nach im Gegensatz zu "Idioten" als relevante Ursache vernachlässigbar.
Unter solchen Bedingungen kommt es in manchen Gegenden Kaliforniens mehr oder weniger regelmäßig zu Waldbränden: In Oakland beispielsweise gab es sie in den letzten hundert Jahren 1923, 1931, 1933, 1937, 1946, 1955, 1960, 1961, 1968, 1970, 1980, 1990, 1991, 1995, 2002 und 2008.
350.000 Kalifornier leben in Waldbrand-Hochrisikozonen
Der aktuellen Einstufung nach leben 350.000 Kalifornier in Waldbrand-Hochrisikozonen und weitere 2,4 Millionen in einfachen Waldbrand-Risikozonen. Das Risiko, das dort nicht nur ihr Eigentum, sondern auch sie selbst ein Opfer der Flammen werden, ist weiterhin real, wie die 86 Todesopfern des Camp Fires von 2018 zeigen.
Besser als früher geschützt sind aber die Brandbekämpfer, die heute nicht nur über sehr nützliche technische Hilfsmittel, sondern auch über eine sehr viel bessere Ausbildung verfügen als ihre Kollegen aus früheren Jahrzehnten: Bei den 29 Todesopfern des Griffith-Park-Feuers, das im Oktober 1933 in Los Angeles ausbrach, handelt es sich beispielsweise ausnahmslos um Weltwirtschaftskrisenarbeitslose, die die staatliche Arbeitsbeschaffungsfirma Reconstruction Finance Corporation als Freiwillige annahm oder abstellte, weil sie gerade zur Landschaftspflege vor Ort waren.
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