War Shakespeare stoned ...
... bzw. war er überhaupt Shakespeare?
Vor einigen Monaten sorgten zwei südafrikanische Wissenschaftler mit der Behauptung für Aufsehen, William Shakespeare habe Haschisch geraucht, was sie anhand der Rückstände von zwei Pfeifen aus seinem Haus in Stratford upon Avon nachweisen wollten.
Ein Ergebnis liegt bisher nicht vor, doch gleich wie es ausfällt, dürfte es wenig über den "Kaiser der Literatur" aussagen, denn in diesem Haus in Stratford lebte zwar ein William Shakspere, aber bei seinem Tod 1616 wusste niemand in der Stadt, dass es sich bei dem vermögenden Kornhändler um einen Dichter handelt. Seine Kinder waren des Lesens und Schreibens nicht mächtig, in seinem Nachlass befand sich kein einziges Buch, sein Testament erwähnt mit keinem Wort literarische Werke oder Rechte und sein Grabmal zeigt einen Mann, der die Hände auf einen Kornsack legt.
Erst über 100 Jahre nach seinem Tod wurde das auf dem Friedhof in Stratford zu sehende Grabmonument von "William Shakespeare" mit einer Feder und einem Buch errichtet. Es ist heute, nach London, die größte Touristenattraktion Englands - und so falsch wie das Grabmal sind wohl auch alle anderen Belege, die die Person des Krämers Will Shakspere aus Stratford mit dem Dichter der Shakespeare-Dramen identifizieren.
Der Streit um den "wahren" Shakespeare tobt seit über 200 Jahren, über 30 verschiedene Autoren wurden ins Spiel gebracht, der berühmteste darunter Francis Bacon, doch erst in jüngster Zeit haben sich die Indizien so auf eine Person verdichtet, das von einer Lösung gesprochen werden kann. Edward de Vere, 17. Earl of Oxford - Schatzkanzler von Elisabeth I. und als "Propagandaminister" zuständig für das Theater - wird schon seit den 20er Jahren als "heißer" Kandidat gehandelt, doch erst 1992 machte sich ein Doktorand die Mühe, die persönliche Bibel des Earls zu sichten und entdeckte erstmals die umfangreichen Unterstreichungen und handschriftlichen Randnotizen - genau an den Stellen, die als Bibelzitate in Shakespeares Werken auftauchen.
Da sich ein Krämer aus der Provinz nicht die Prachtbibel eines Feudalherrn ausleihen konnte, muss es so gewesen sein, dass der Lordchamberlain de Vere "Shake-speare" als Pseudonym gewählt und den Kornhändler als Strohmann genutzt hat. Die offizielle Shakespeare-Forschung springt angesichts dieses Befunds im Dreieck und wer sich mit dem spannenden Buch von Walter Klier ("Das Shakespeare-Komplott", Steidl-Verlag, 16,80 DM) munitioniert, kann Englisch-Dozenten garantiert zur Weißglut bringen.
Die Frage, ob Shakespeare stoned war, wird darin allerdings nicht beantwortet - und sie ist ja auch mindestens solange irrelevant, wie der Mythos, dass Shakspere Shakespeare war, weiter auf seinem Sockel und in allen Lexika eine Phantombiographie steht.
Da die Stratford-Fraktion angesichts der absoluten Dürftigkeit biographischer Belege zunehmend unter Beweisnot gerät und es nicht mehr ausreicht, die Oxford-Abteilung einfach ex cathedra als spinnerte Idioten abzutun, dürften die orthodoxen Shakespeare-Experten mittlerweile sogar das Teufelskraut Cannabis akzeptieren - Hauptsache irgendetwas erklärt das Rätsel, wie der gute Will mit drei Jahren Grammar School und ohne jede weitere Ausbildung mit einem Schlag zum Universalgenie der Weltliteratur mutieren konnte.
Wie immer die Pfeifenkontrolle in Stratford ausfallen mag - auch die Behauptung, dass Shakespeare dem "weed", das er besungen hat, zusprach, deutet eher in Richtung Oxford. Als Sir Walter Raleigh, höfischer Zeitgenosse von Edward de Vere, die mit den Kolonialraubzügen importierte Mode des Tabakrauchens erstmals vorführte, leerte der Diener einen Eimer Wasser über ihm aus, weil er dachte, dass sein Herr "brennt". Wenn also einer Zugang zu exotischen Ekstasen und Genüssen hatte, dann eher ein hedonistischer, bi-sexueller Welt- und Lebemann wie der Earl of Oxford als der biedere Krämer Will Shakspere aus Stratford. Der mag am Abend ein Knasterpfeifchen mit Hanf geraucht und von seinen Bilanzen geträumt haben. Inspiriert hat es ihn jedenfalls nicht - zumindest nicht zum Schreiben, denn er hat keine einzige Zeile hinterlassen.
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