"Warum Krieg?"
Im Raum der systemischen Gier: Pazifistische Notizen zur militärischen Heilslehre
Kriege werden von "Eliten" (nie von Landesbevölkerungen!) aus vielen Gründen geführt. Da wäre zunächst - gemäß Planzielvorgaben in Militärdoktrinen - das Ansinnen, geostrategische (machtpolitische) und ökonomische Interessen der eigenen Seite zu befördern. Es muss hierbei nicht zwingend darum gehen, z.B. Statthalter und Militärstützpunkte in Territorien zu installieren, auf denen man von Rechts wegen nichts zu suchen hat.
Geostrategen können sich durchaus auch einen Nutzen davon versprechen, andere Länder oder ganze Erdregionen in Chaos und Gewalteskalation zu stürzen. In solchen Fällen mag dann der Blauäugige lamentieren, eine bestimmte Kriegsintervention habe das vorgegebene Ziel ja gar nicht erreicht, obwohl genau das erreicht worden ist, was die Drahtzieher der Kriegsmaschine erreichen wollten.
Machtstreben als systemischer Motor des Weltgeschehens - also nicht als individuelles Psychogramm verstanden - ist freilich kein rationales Zivilisationsprogramm. Es ist verwoben mit Strukturen der Angst und geht somit zwangsläufig mit einer Vernebelung des klaren Denkens einher. Es ist völlig gleichgültig, wie großkotzig unter solchem Vorzeichen die eigenen Strategien und Handlungen als "rational" (zielführend usw.) gepriesen werden: Die Dinge kollidieren mit den Pathologien der Gegenseiten, geraten aus dem Ruder und werden unkontrollierbar - auch da, wo man gar kein Chaos anrichten wollte.
Das destruktive Ganze
Hier bietet es sich nicht mehr an, den Blick auf diesen oder jenen kategorialen Interessenskomplex im imperialen Ringen zu fixieren. Vielmehr müsste zum Vorschein kommen, dass das Ganze des militarisierten Zivilisationsgefüges destruktiv, ja selbstmörderisch ist! Auch die Möglichkeit, dass ein psychiatrisch behandlungsbedürftiges Individuum am Schaltpult eines Atombomben-Arsenals sitzt, kann nur als Sonderfall einer größeren Pathologie betrachtet werden.
Die Notwendigkeit, bei den konkreten Einzelschauplätzen zu differenzieren, gilt selbstredend auch bei der militärischen Absicherung von Wirtschaftsinteressen. "Krieg für Öl", der den "richtigen Konzernen" Zugang zu bestimmten Ressourcen der Erde verschafft, ist nur eine Variante. In der "Logik" der systemischen Gier kann es bereits zielführend sein, anderen die Nutzung von Rohstoffen, Energiequellen usw. in ihrem eigenen Land oder auf auswärtigen Territorien unmöglich zu machen.
Hier ist es z.B. schon "nützlich", Güter des Planeten oder Infrastrukturen zu ihrer Erschließung einfach zu zerstören, ohne sich die betreffenden Ressourcen selbst anzueignen. Auch bezüglich der Erschließung von Sektoren des Welthandels und der Absicherung von "Handelswegen" muss es nicht unbedingt immer darum gehen, sich selbst freien Zugang zu verschaffen.
Es kann schon als Vorteil betrachtet werden, anderen den Zugang zu verschließen. Ein Begriff wie "Währungskrieg" bewahrt uns schließlich davor, bei ökonomischen Schlachtfeldern - mit vielen Toten - immer nur an Militärinterventionen zu denken.
Interessen einer Minderheit werden durchgesetzt
Unter den Bedingungen eines freien und rationalen Diskurses der Weltgesellschaft - mit entsprechenden politischen Verfahren zur Verfolgung des Weltgemeinwohls - hätten die Betreiber der Kriegsapparatur schlechte Karten. Bekanntermaßen sind wir aber weit entfernt von jenen Bedingungen, die ein Emmanuel Kant als Voraussetzung für dauerhaften Frieden ansah. Innerhalb der Länder und auf der nunmehr eng vernetzten Erdkugel insgesamt werden nicht die Interessen der Bevölkerungsmehrheit, sondern die einer Minderheit durchgesetzt.
Die Vermögensrelationen fallen global so aus: "1 Prozent versus 99 Prozent" und "8 (88 oder 888) Individuen versus die Hälfte der Weltbevölkerung". Die Symbiose der Komplexe Ökonomie, Politik und Militärapparatur macht solchen Widersinn möglich und kommt - wie schon Thomas Morus (1478-1535) wusste - nie den Armen zugute.
Die Besitzenden - als Profiteure der real existierenden Ökonomie - zeichnet freilich keine harmonische Interessensgleichheit aus. Bei bestimmten Militärinterventionen oder Wirtschaftssanktionen gibt es für die einen Gewinne und für eine andere Fraktion Verluste. Da die großen ökonomischen Komplexe zum beträchtlichen Teil transnational operieren, sind ihre Interessen nicht unbedingt deckungsgleich mit bestimmten "nationalen Wirtschaftsinteressen".
Schließlich ist es leider erwiesen, dass sogenannte Eliten ein Land zum Kriegführen bringen können, obwohl dies im Ergebnis den Zusammenbruch der gesamten Volkswirtschaft des Landes bewirkt. Wie widersprüchlich von Fall zu Fall die Interessen auch sein mögen, eines ist allen Akteuren im Raum der systemischen Gier gemeinsam: Sie sind nicht in der Lage, über kurz-/mittelfristige Zeiträume hinaus zu denken, das Wohl der menschlichen Gemeinschaft zu achten und eine zivilisatorische Perspektive auch für die noch nicht geborenen Generationen zu verfolgen.
Kriegsprofiteure und Politiker: Die Liebe ist beidseitig
Zu den "Herren der Welt", die dem Schweizer Dichter Kurt Marti zufolge "mit dem Tod uns regieren", gehören allüberall auf dem Planeten auf jeden Fall und vorzüglich jene, die am Krieg direkt verdienen - seien es nun die Produzenten von Rüstungsgütern, privatisierte Waffenverbände oder solche Dienstleister auf Kriegs- und Besatzungsschauplätzen, die sich als Teil einer ehrenwerten "Friedensindustrie" präsentieren.
Ihr Getriebe schmieren die Kriegsprofiteure zu allen Zeiten mit Menschenblut. In ihren Werkstätten wird der Sache nach seit eh und je das Gleiche getan: Man erforscht, wie man möglichst effizient möglichst viele Mitglieder der menschlichen Spezies durchlöchern, zerfetzen, vergiften, verstrahlen ... kann, und produziert die entsprechenden Mordtechnologien.
Die Politik in einem kriegerischen Zivilisationskomplex fördert die milliardenschweren Rüstungsprofiteure, denn diese gewährleisten u.U. die "nationale militärtechnologische Souveränität" und ermöglichen es, über Waffenlieferungen ("Ertüchtigungen") an ferne Kriegsfreunde auf Militärschauplätzen mitzumischen, auf denen man selbst gar keine eigenen Soldaten etc. einsetzt.
Die Kriegsprofiteure ihrerseits sind an einem guten Draht zum politischen Komplex sehr interessiert. Ohne eine Politik, die bereit ist Krieg zu führen und für Mordtechnologien astronomische Summen auszugeben, würde man ja keine Profite erzielen. Die Liebe ist also beidseitig und etwas ganz Gewöhnliches. Niemand regt sich noch darüber auf, wenn z.B. der ehemalige Anti-Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel oder Ex-Militärminister Franz-Josef Jung in die private Kriegsindustrie wechseln - unter hoher Dotierung, versteht sich.
Obwohl viele kluge Köpfe, darunter Albert Einstein oder die US-Präsidenten Eisenhower und Kennedy, auch diesen Sektor des ökonomisch-militärischen Komplexes deutlich beim Namen genannt haben, reden selbst bürgerliche Kritiker des Kriegsdenkens nicht gerne davon. Man befürchtet, öffentlich als Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt zu werden.