Warum die Klimakrise die Machtfrage stellt
- Warum die Klimakrise die Machtfrage stellt
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Ein neuer Dokumentarfilm stellt die These auf, dass ohne Revolution und Umsturz des kapitalistischen Systems die Klimakrise nicht überwunden werden kann. Der Film zeigt auch, wie das gelingen könnte.
"Der laute Frühling", ein Dokumentarfilm mit einer eingewobenen Passage "spekulativer Fiktion", ist kein weiterer Film über die Auswirkungen der Klimakrise. Auch Anleitungen zum klimaneutralen Leben durch technische Lösungen wird man vergeblich suchen. Der Untertitel "Gemeinsam aus der Klimakrise" ist kein Appell an etwas nachhaltigere Lebenspraxen. "Der laute Frühling" propagiert nichts anderes als den Umsturz des kapitalistischen Systems und zwar durch Revolution.
Alles andere wäre nach der Analyse der Autorin Johanna Schellhagen und der im Film Interviewten, zum Beispiel Andreas Malm, nicht folgerichtig. Der "grüne Kapitalismus" ist in dieser Logik kein Teil der Lösung, sondern Teil des Problems, da er die Wachstumslogik des Kapitalismus und dessen Ressourcenhunger nicht ausbremsen kann.
Kapitalismuskritik gibt es aus der Klimabewegung heute schon reichlich, eine Vorstellung davon, wie ein Systemwandel herbeigeführt werden könnte, liefert die Klimabewegung aber kaum. Das ist der Punkt, an dem "Der laute Frühling" ansetzt und Elemente aus verschiedenen Arbeiter:innenbewegungen integriert. Die Revolution bedeutet ganz im marxistischen Sinne die Übernahme der Produktionsmittel durch die Arbeiter:innen. Nur so kann die zerstörerische Überproduktion des Kapitalismus gestoppt werden.
"Als Lohnabhängige sind wir gezwungen, an einer Ökonomie teilzunehmen, die das Leben auf der Erde zerstört", sagt die Autorin Johanna Schellhagen. Gleichzeitig ist die menschliche Arbeitskraft auch die Stelle, an der das kapitalistische System von der großen Masse der Menschen abhängig ist. Und genau deswegen gelte es, den Aufstand gegen die Klimakrise in die Betriebe zu tragen. Die hier aufgezeigte Idee der Revolution, die von Arbeiter:innen wie sozialen Bewegungen ausgehen und in einer Selbstorganisation etwa in Stadtteilversammlungen und übernommenen Betrieben münden soll, folgt wohl am ehesten postoperaistischen Ideen (einer marxistischen Strömung, die antistaatlich und auf den Kampf gegen die Fabrikarbeit fokussiert ist).
Das Kollektiv Labournet TV, dem die Autorin Johanna Schellhagen angehört, hat bereits zahlreiche Dokumentarfilme zu Arbeitskämpfen realisiert. Häufig geht es dabei um Kämpfe, die sich jenseits der großen Gewerkschaften entwickelt haben, etwa die Organisierung von "Riders" – Essenslieferant:innen auf Fahrrädern – oder die Streiks von migrantischen Lagerarbeiter:innen in Italien.
Und auch im aktuellen Film wird kein Bezug auf die Rolle der Gewerkschaften im Kampf gegen die Klimakrise genommen, vielleicht, weil es dazu nicht besonders viel zu erzählen gibt und zumindest die deutschen Gewerkschaften sich stets hinter das kapitalistische Wachstumsmodell stellen, auf dem die Industriearbeitsplätze basieren.
Die Stimme der Autorin begleitet uns durch den Film aus dem Off und gleich zu Anfang erklärt sie ihre persönliche Motivation:
Ich habe 20 Jahre lang Streiks und soziale Bewegungen gefilmt und ich war sehr spät dran zu begreifen, was für eine Katastrophe der Klimawandel ist. Als der Groschen endlich gefallen war, beschloss ich, dass ich versuchen wollte, alles, was ich von streikenden Arbeiter:innen gelernt hatte, der Klimabewegung zugänglich zu machen.
Die folgenden Bilder der Klimakonferenz von Paris sowie der Zerstörung durch den Abbau fossiler Rohstoffe und durch Extremwetter sind kurz gehalten, es braucht hier keiner langen Erklärungen, dass die Welt auf eine Katastrophe zusteuert.
Damit steht schnell die Frage im Raum, warum die Regierungen, wenn sie doch das Problem erkannt haben, nichts getan haben, um den Treibhausgasausstoß einzudämmen – denn dieser ist seit Beginn der Klimakonferenzen nicht etwa gesunken, sondern um 60 Prozent gestiegen. Nur mit einigen wenigen Zahlen wird deutlich, wie drastisch die Missverhältnisse zwischen Absichtsbekundungen und Handeln sind.
Fossile Brennstoffe werden allein in den G20-Staaten laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) jährlich mit fast 200 Milliarden Dollar gefördert. Andere Studien kommen zu deutlich höheren Summen. So belaufen sich laut Internationalem Währungsfonds (IWF) die direkten und indirekten Subventionen für Kohle, Gas und Öl (inklusive der Kosten für Gesundheits- und Umweltschäden) im Jahr 2020 auf 5,9 Billionen Dollar, Geld, das ebenfalls von den Staaten aufgebracht werden muss. Laut der zwischenstaatliche Organisation IRENA wurden demgegenüber im Jahr 2017 weltweit nur 128 Milliarden Dollar für Erneuerbare Energien bereitgestellt. Zugleich springen Staaten fossilen Unternehmen bei, wie an einem Beispiel aus Kolumbien gezeigt wird, um Projekte gegen die Bevölkerung durchzudrücken, notfalls auch unter Einsatz (para)militärischer Gewalt.
Und trotz dieser verstörenden Fakten verkaufen die Staaten das Versprechen eines grünen Kapitalismus und sprechen von einer technologischen Lösung des Klimaproblems. Die Ressourcenverknappung wird der grüne Kapitalismus jedoch nicht lösen, es gibt neue ökologische Probleme und neokoloniale Ausbeutung, findet der interviewte Ökonom und Aktivist Matthias Schmelzer.
Teile der Klimabewegung wie etwa "Ende Gelände" stehen dem grünen Kapitalismus auch sehr kritisch gegenüber und fordern nicht nur ein Weniger beim fossilen Energieverbrauch, sondern zeigen sich insgesamt wachstumskritisch. Trotz großen Zulaufs und auch öffentlicher Wahrnehmung hat die Klimabewegung jedoch einen blinden Fleck, findet die Autorin: Wie lässt sich die nötige Macht für eine Transformation aufbauen? Und an dieser Stelle richtet sich ihr Blick auf die Arbeiter:innen, mit der eingangs formulierten These, dass die Arbeitskraft die Schwachstelle des Kapitalismus darstellt.