Warum die Klimakrise die Machtfrage stellt

Seite 2: Aussichten auf den kommenden Klima-Aufstand

An dieser Stelle springt der Film in einen fiktiven Teil, einen imaginären Aufstand, der sich im Jahr 2024 ereignet. Fiktive Interviewpartner:innen sind nun animierte Schwarzweiß-Zeichnungen, die über ihre Rolle beim revolutionären Umbruch berichten. Dabei wirken diese fiktiven Personen durchaus authentisch, nicht nur, weil sie verschiedene Sprachen sprechen, sondern auch, weil ihre Berichte an Erfahrungen aus vergangenen Protestbewegungen weltweit angelehnt sind.

Was der genaue Anlass des revolutionären Aufstands im Jahr 2024 ist, erfahren wir nicht. Im Zuge dessen legen jedoch massenhaft Menschen ihre Arbeit nieder und suchen sich neue, sinnvolle Beschäftigungen etwa in den Krankenhäusern oder in den Kitas. Und während die Kohlearbeiter:innen zunächst in den Ausstand gehen, arbeiten die Mitarbeiter:innen in der Berliner Stromversorgung weiter und denken über deren Umstrukturierung nach. Als erstes heben sie jedoch die Stromsperren von verschuldeten Privathaushalten auf. (In Bezug auf die genannte Versorgungssicherheit durch langfristige Gaslieferverträge mit Russland hinkt der Film leider den aktuellen Entwicklungen hinterher.)

Menschen widmen sich dem Aufbau kommunaler Strukturen wie Kantinen, richten leerstehende Häuser her und organisieren die Lebensmittelversorgung neu, wobei auch illegalisierte Beschäftigte in Südeuropa in die Revolution einbezogen werden. Die Repression, die wohl unweigerlich auf massenhafte Aufstände und Betriebsbesetzungen folgen würde, und der mögliche Umgang damit, wird leider im Film nur kurz angeschnitten.

Die Revolution und damit die Rückgewinnung der Entscheidungsmacht sind erst die Voraussetzung, um Wege aus der Klimakrise einschlagen zu können. Mit dieser Entscheidungsmacht kann die Überproduktion nutzloser Gegenstände gestoppt und Arbeit in Bereiche verlegt werden, wo heute Arbeitskräftemangel und Ausbeutung herrschen.

Doch wie kommen wir zur Revolution und was bedeutet diese Erkenntnis für die Klimabewegung? Die interviewte Amazon-Arbeiterin Agniezka Mróz bemängelt, dass Arbeiter:innen sich bisher nicht engagieren können, weil sie dazu nur nach der Arbeit kämen, diese Zeit aber für die Reproduktion bräuchten. Sie fordert eine Organisierung in den Betrieben, um über die Klimakrise diskutieren zu können. Organizing könnte also ein erster Ansatzpunkt für die Ausweitung der Klimabewegung sein.

Und zu guter Letzt gibt es eine Aufforderung zum strategischen Denken. So sollte man sich darin einarbeiten, wie die lokale Versorgung aufgebaut ist, um diese gegebenenfalls übernehmen zu können. Auch Bewerbungen bei bestimmten Betrieben aus strategischen Gründen seien denkbar. Dabei werden selbst Polizei und Militär nicht ausgeschlossen, um im entscheidenden Moment zum Niederlegen der Waffen beitragen zu können.

Die skizzierte Lösung mag viele Fragen offen lassen. Deutlich wird jedoch, dass, um einen Ausweg aus der Klimakrise zu finden, die Systemfrage nicht nur gestellt, sondern offensiv angegangen werden muss. In dem Film kommen Aktivist:innen aus der Klimabewegung wie auch aus Arbeiter:innenkämpfen zu Wort, Ikonen der Bewegung wie der Humangeograph und Autor Andreas Malm, die Professorin für ökologische Ökonomie und IPCC-Autorin Julia Steinberger, der exilierte argentinische Anti-Fracking-Aktivist Esteban Servat sowie viele, deren Namen aus verständlichen Gründen nicht genannt werden.

Der Film "Der laute Frühling" hat am 2. August 2022 im Kino Tonio in Berlin-Weissensee Premiere. Danach läuft er vom 4. bis 10. August im Lichtblickkino in Berlin. Weitere europaweite Aufführungstermine finden sich hier.