Warum hat Russland die Tomahawks nicht mit dem in Syrien stationierten S-400 Luftabwehrsystem angegriffen?
Das russische S-400-System ist eine wichtige Abschreckungs- und Exportwaffe, die auch mit Schwärmen von Flugzeugen, Drohnen und Raketen fertig werden soll
Noch immer herrscht Rätselraten nicht nur darüber, wie präzise die 1,6 Millionen US-Dollar teuren Präzisionsraketen Tomahawk den syrischen Luftwaffenstützpunkt getroffen haben, sondern auch, was mit dem russischen Raketenabwehrsystem S-400 war. Stationiert wurde das System im November 2015 auf der russischen Luftwaffenbasis Khmeimim zu dessen Schutz, nachdem eine russische Maschine von einem türkischen Kampfflugzeug abgeschossen worden war.
Das war als Abschreckung gedacht, was auch bedeutet, dass Russland davon ausgeht, dass das System mögliche Gegner wegen seiner vermuteten Leistungsfähigkeit beeindruckt. Russische Staatsmedien haben dies auch kräftig hervorgehoben. Der Spiegel schrieb in dem Sinne, dass die "hochmodernen Flugabwehrraketen des Typs S-400 … für fast alle westlichen Kampfflugzeuge eine Bedrohung - und auch für Israels Luftwaffe" seien.
Man wird sich noch daran erinnern können, wie Israel und die USA versuchten, Russland davon abzuhalten, dem Iran schon ältere S-300-Luftabwehrsysteme zu liefern. Man hatte Sorge, dass dann kein Angriff mehr auf die iranischen Atomanlagen geflogen werden könnte. Mit dem Gedanken hatte Israel lange gespielt, wurde aber auch durch die Verhandlungen zurückgehalten, die letztes Jahr in das von Donald Trump heftig kritisiertes Atomabkommen mündete.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat auch deutlich gemacht, dass die Intervention in Syrien nicht allein der Terrorbekämpfung und der für Russland geopolitisch wichtigen Unterstützung des Assad-Regimes dient, sondern auch zum Vorführen der russischen Waffen, weil Russland diese dann besser auf dem Weltmarkt verkaufen kann. Der Kriegseinsatz ist auch für andere Staaten und deren Rüstungsindustrien wichtig, weil verkaufsfördernd, man sagt dies nur nicht so ehrlich (Vom kommerziellen Nutzen der Kriege).
Dabei spielt das S-400 Raketenabwehrsystem "Triumf" und seine Vorgänger auch eine wichtige Rolle. Während der Iran nur S-300-Systeme erhielt, haben China und Indien einige der neuen S-400 Systeme gekauft - und wollen ebenso wie die Türkei weitere Systeme kaufen. Dabei geht es um viele Milliarden US-Dollar. Indien will 5 Einheiten kaufen, was 6 Milliarden kosten soll. Angeblich sollen die Raketen eine Reichweite von 400 km haben und bis auf 180 km hochsteigen können. Abgewehrt sollen damit Flugzeuge, Drohnen, Raketen, Marschflugkörper, ballistische Raketen und vielleicht auch Tarnkappenflugzeuge. Eine Wunderwaffe also, ein Höllensystem. Gleichzeitig sollen 160 Raketen auf Dutzende von Zielen abgefeuert werden können, das System könnte also auch Raketenschwärme abwehren.
Man kann davon ausgehen, dass zumindest bis vor dem US-Angriff auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt die Präsenz des S-400-Raketenabwehrsystems in Syrien die Strategie der US-Koalition mit den Flügen beeinflusst haben wird. Gut möglich, dass deswegen auch das Abkommen mit Russland zustande kam, sich gegenseitig über Flüge zu informieren. Das Abkommen hat Russland nach dem Tomahawk-Angriff aufgekündigt. Vermutlich hat die Präsenz auch für den US-Angriff eine Rolle gespielt. Die amerikanischen Kriegsschiffe, von denen die Tomahawks abgefeuert wurden, befanden sich jenseits der Reichweite, Tomahawk-Raketen haben hingegen eine Reichweite von 1600 km.
Russische und amerikanische Quellen bestätigten, dass Russland vor dem Angriff informiert worden ist. Nicht ganz klar ist, ob die Russen wussten, dass der der Luftwaffenstützpunkt Schairat bombardiert werden sollte. Der wird auch von russischen Truppen benutzt, weswegen es wahrscheinlich ist, dass die Amerikaner diese informierten, um zu vermeiden, dass russische Soldaten getötet werden, was einen schweren Konflikt verursachen würde. Denkbar wäre, dass Moskau den Angriff zuließ, ohne S-400 einzuschalten, um Assad einen Dämpfer zu versetzen, eine Eskalation mit den USA zu vermeiden und den schon lange angestrebten Schulterschluss nicht zu verhindern. Wäre dagegen das S-400-Flugabwehrsystem eingesetzt worden, hätte dies sicherlich zu einer Konflikteskalation mit den USA geführt, die ein Zeichen setzen wollte, weil, wie Trump sagte, der Tod der "wunderschönen Babys" zu weit geht.
Andererseits wäre aus militärischen und rüstungsökonomischen Gründen die Aktivierung des Systems aus russischer Sicht gut gewesen, um seine Kapazitäten zu demonstrieren, was auch die Verkaufschancen steigern würde. Wenn es stimmen sollte, was das russische Verteidigungsministerium berichtet, dass nur 23 der 59 abgefeuerten Raketen ihr Ziel getroffen hätten, könnte es sein, dass die übrigen abgeschossen worden sein könnten.
Allerdings scheint es durchaus so sein zu können, dass die Tomahawk-Präzisionsraketen so präzise auch nicht sind und viele einfach daneben gingen, weswegen so viele abgeschossen werden mussten (Ein wenig präziser Präzisionsschlag?). Während russische Informationen von einer sehr begrenzten Zerstörung berichteten und von 6 getroffenen Flugzeugen sprachen, die zur Reparatur in Hangars waren, sagt das Pentagon, dass 20 Prozent der Flugzeuge der syrischen Luftwaffe zerstört worden seien. Man könnte natürlich auch fragen, warum die Amerikaner den Stützpunkt bombardieren, wenn sie davon ausgehen, dass es hier angeblich Vorräte von Chemiewaffen gibt, mit denen die Flugzeuge für den Angriff auf Chan Scheichun ausgerüstet worden seien. Wenn die USA wissen, dass das syrische Regime hier Chemiewaffen lagert, wäre ein Angriff zumindest schwer zu verantworten.
Sollte also S-400, auch wenn die Tomahaks detektiert wurden, von den Russen nicht aktiviert worden sein, wovon man bislang ausgehen muss, könnte der Grund dafür auch sein, dass die Radarsysteme beispielsweise von Boeing EA-18 Growler-Kampfflugzeugen zur elektronischen Kriegsführung lahmgelegt oder gestört wurden. Das wäre für die russische Rüstungsindustrie und für Russlands Abschreckung nicht gut, dafür aber fördernd für die amerikanische Kriegstechnik, aber auch für die Kriegsführung, weil man dann weniger zurückhaltend sein müsste.
Vermutlich wollte Russland den Konflikt mit den USA nicht noch weiter eskalieren, weswegen S-400-Raketen nicht abgefeuert wurden. Es könnte aber auch sein, dass man sich unsicher war, ob das Luftabwehrsystem mit 59 Raketen fertig geworden wäre, es wäre der erste Test im Ernstfall gewesen. Moskau kündigte jedenfalls an, den Luftabwehrschild in Syrien zu verstärken. Im Übrigen ist auch das amerikanische Raketenabwehrsystem, beispielsweise THAAD, das gerade in Südkorea gegen nordkoreanische Raketen installiert wurde, ebenso wie Aegis oder NMD ungetestet.