Warum ist das Leben linkshändig?
Astronomen identifizieren erstmals chirale Moleküle im All
Propylenoxid, eigentlich 1,2-Epoxypropan, ist eine farblose Flüssigkeit, die nach Ether riecht und schon bei 34 Grad Celsius verdampft. Sie ist krebsfördernd und verändert das Erbgut, reizt Haut, Augen und Atemwege, wirkt narkotisch und gilt als stark wassergefährdend. Auf der Erde kommt der Stoff nicht natürlich vor, Jahr für Jahr werden allerdings einige Millionen Tonnen industriell hergestellt.
Das Molekül besteht im Grunde aus drei Methylgruppen (CH3). Allerdings ist nur eine noch komplett. Bei den anderen beiden hat sich ein Sauerstoff-Atom jeweils eine der Bindungen geklaut. Es bleibt in der Mitte als CH, am Ende CH2. Das führt zu einem interessanten Effekt: Je nachdem, an welchem Ende der Sauerstoff angedockt hat, entstehen zwei verschiedene Strukturen, die nur auf den ersten Blick identisch sind.
Versucht man nämlich, sie durch irgendwelche Drehungen übereinander zu legen, stellt man schnell fest, dass das nicht funktioniert - die eine Variante ist eine Spiegelung der anderen, so wie die rechte Hand eine Spiegelung der linken darstellt. Diese Eigenschaft eines Moleküls nennt man Chiralität oder Händigkeit.
Eins der großen Rätsel des Lebens
Was wie ein unwichtiges Detail klingt, ist eins der großen Rätsel des Lebens. Eigentlich sollte man doch annehmen, dass keine der beiden Spiegelformen bevorzugt werden. Tatsächlich jedoch basiert biologisches Leben auf Linkshändigkeit - auf linkshändischen Varianten der Aminosäuren, ein Phänomen, das als Homochiralität bekannt ist.
Es lässt sich zwar zeigen, dass diese einen evolutionären Vorteil darstellt, weil weniger biochemische Prozesse zur natürlichen Produktion von Aminosäuren gebraucht werden, wenn diese gleichhändig sind. Doch irgendwann - und zwar vor der Entstehung des Lebens - muss sich die Natur für die eine oder die andere Version entschieden haben.
Wann und wie das passiert ist, gehört derzeit noch zu den offenen Fragen der Entstehung des Lebens. Womöglich handelte es sich um einen reinen Zufall. Wir wissen aber auch, dass zwei unterschiedliche Formen sich in ihrem Energiegehalt unterscheiden. Das ergibt sich aus der nachgewiesenen Paritätsverletzung der elektroschwachen Wechselwirkung. Die Differenz ist allerdings sehr klein - ob sie als Erklärung genügt, wird von manchen Forschern bezweifelt.
Eine andere gängige Vermutung besteht darin, dass der Evolution auf der Erde schon zum Start ein gewisser Überschuss chiraler Moleküle aufgeprägt wurde - aus dem All nämlich. Eine logische Voraussetzung dafür wäre, dass im Weltall chirale Moleküle existieren. Hier kommt das Propylenoxid ins Spiel.
Erstmaliger Nachweis der Verbindung
Im Wissenschaftsmagazin Science berichten Forscher, wie es ihnen erstmals gelungen ist, die Verbindung im Kosmos nachzuweisen. Der Fundort befindet sich zwar nicht um die Ecke, sondern ist sehr weit entfernt, in der Nähe des Zentrums der Milchstraße, in einer gigantischen molekularen Wolke, die Sagittarius B2 genannt wird.
Dabei handelt es sich um eine Struktur, die bei etwa 150 Lichtjahren Durchmesser rund 3 Millionen Sonnenmassen enthält und 20 bis 40 Mal dichter als typische Molekularwolken ist. Dementsprechend ist der Bereich für die Sternentstehung prädestiniert. Schon früher hat man in diesem Gebiet diverse organische Moleküle wie etwa Alkohol identifiziert.
Allerdings befinden sich die organischen Moleküle vor allem in den kälteren, dünneren Bereichen des Nebels. Was nun noch fehlt, ist ein Mechanismus, der die Chiralität auf die Bestandteile protoplanetarer Scheiben überträgt, aus denen irgendwann Geschwister der Erde geboren werden.