Was geht vor unter den Aufständischen in der Ost-Ukraine?

Seite 2: Warum dankte Militärchef Strelkow ab?

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Welche "Unordnung" unter den Aufständischen meinte der Musiker nun? Möglicherweise bezieht sich seine Andeutung auf den Wechsel in der Führung der Aufständischen. Am 7. August trat der aus Moskau stammende Journalist Aleksandr Borodai von seinem Posten als Ministerpräsident der Donezk-Republik zurück. Sein Nachfolger wurde der 1976 in Donezk geborene Unternehmer Aleksandr Sachartschenko. Der zurückgetretene Borodai gab bekannt, er wolle von nun an als Berater des neuen Ministerpräsidenten arbeiten.

Am 14. August wurde der 1964 im russischen Ischewsk geborene Marat Baschirow , Polit-Technologe aus Moskau und seit 2004 Berater des russischen Oligarchen Viktor Wechselberg, zum Ministerpräsidenten der Volksrepublik Lugansk ernannt. Am gleichen Tag trat der bis dahin starke Mann der Volksrepublik Lugansk, der im südrussischen Taganrog geborene Reserve-Soldat Waleri Bolotow, zurück. Bolotow begründete seinen Rücktritt mit den Folgen einer Verletzung, die er sich bei einem Anschlag auf ihn im Mai zugezogen hatte.

Die Umbesetzung nährt Spekulationen, nach denen sich aus Russland stammende führende Vertreter der Donezk-Republik in die zweite Reihe zurückziehen, um Vorwürfe, die Donezk-Republik sei von Moskau gesteuert, den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Diese Erklärung greift vielleicht noch im Fall Borodai, nicht aber im Fall des am 14. August zurückgetretenen Verteidigungsministers der Donezk-Republik, Igor Strelkow, der eigentlich Igor Girkin heißt und 1970 in Moskau geboren wurde. Neuer Militärchef der Donezk-Republik wurde 1974 im Lugansk-Gebiet geborene Judo-Trainer Wladimir Kononow .

Der zurückgetretene Militärchef Strelkow hatte enorme militärische Erfahrungen, weshalb sein Rücktritt viele Fragen aufwirft. Der ehemalige Militärchef der Donezk-Armee verdiente sich seine ersten Sporen 1992 als russischer Freiwilliger im Transnistrien- und dann im Bosnien-Konflikt. 1994 war er dann als Soldat der russischen Armee und 1995 als Experte für besondere Aufgaben im Tschetschenienkrieg im Einsatz. In einer Pressemitteilung der Donezk-Republik über den Rücktritt des Militär-Chefs hieß es - ganz im sowjetischen Stil - , Strelkow übernehme "eine andere Aufgabe".

Der Rücktritt des Militärchefs der Donezk-Republik deutet darauf hin, dass der Kreml versucht, die selbstbewussten Politiker und Militärs der Donezk-Republik mehr mit den Interessen der russischen Oligarchen in Einklang zu bringen und zu domestizieren, meint der Moskauer Politologe Boris Kagarlitsky in einem Beitrag für die linke Internetzeitung rabkor.ru. Strelkow befand sich während seines "Rücktritts" in Moskau. Eine persönliche Erklärung des zurückgetretenen Donezk-Militärchefs liegt bisher nicht vor.

Was könnte Strelkow bewogen haben, freiwillig zurückzutreten? Vermutlich habe der Kreml Nachschub aus Russland von einem Personalwechsel in der Führung der Donezk-Republik abhängig gemacht, meint der Politologe Kagarlitsky.

Der Druck auf Strelkow muss sehr groß gewesen sein, denn der Zurückgetretene hatte wegen seiner erfolgreichen Führung der Donezk-Armee sowohl bei den Aufständischen als auch bei vielen Bürgern der Russischen Föderation großes Ansehen. Auf Kundgebungen in Russland sah man schon ein Transparent auf dem Putin und Strelkow als die zwei größten Helden verehrt wurden.

Strelkow war überzeugter Monarchist, unterstütze aber den politischen und sozialen Umbau des Donezk-Gebietes in eine "Volksrepublik" und stellte sich nicht gegen die in der Ost-Ukraine populäre Forderung nach einer Nationalisierung der Kohleschächte und Stahlwerke. Das russische Großkapital habe jedoch kein Interesse an einem sozialistischen Noworossija, sondern hofft auf gute Geschäftsbedingungen in der Ost-Ukraine und unterstützt deshalb hinter den Kulissen jetzt offenbar den Oligarchen Rinat Achmetow.

"Teure Anzüge" und "teure Autos"

Dass es in der Donezk-Republik sozialrevolutionäre Tendenzen gibt, wurde Ende Juli offensichtlich, als "einfache Kämpfer" sich als Vertreter der Arbeiterklasse in einem "Offenen Brief" bei der Führung der Donezk-Republik beschwerten, dass die Business-Elite der Donezk-Republik "mit aller Kraft" in die Machtstrukturen der Donezk-Republik einzudringen versuche. Offizielle Vertreter der Aufständischen würden sich oft "hochmütig verhalten", "teure Autos fahren und teure Anzüge tragen". Man könne es nicht zulassen, dass "unter dem Schutz patriotischer Losungen" die ukrainische Business-Elite durch eine neue Elite der Donezk-Republik ausgetauscht wird. Man könnte nicht akzeptieren, dass "über uns, den einfachen Arbeitern und Bauern, neue Herren stehen".

Die Briefschreiber fordern demokratische Strukturen, Transparenz und eine klare Aussage darüber, wem die Fabriken, die Schächte und der Boden der Donezk-Republik nach dem erhofften Sieg gehören sollen.