Was macht die US-amerikanische Ultrarechte ohne Trump?

Donald Trump, Ron DeSantis. Bilder: US-Government

Es gibt andere, gefährlichere Kandidaten. Den Kulturkampf gegen links und den Kreuzzug gegen die Wokeness kann auch DeSantis führen. Die Basis für den Erfolg der reaktionären Kräfte ist schon lange gelegt.

In den USA hat Rechtspopulismus Tradition, dennoch neigen wir dazu, das Phänomen auf Trump zu beschränken. Das ist gefährlich, denn nicht Trump allein ist das Problem, sondern die der politischen Landschaft unterliegende sozioökonomische Struktur. Ändert sie sich nicht, wird die extreme Rechte in den USA immer wieder den politischen Kurs bestimmen.

Ein Ausschuss des US-Kongresses hat Donald Trump als "zentrale Ursache" des Angriffs auf das US-Kapitol bezeichnet. Der Abschlussbericht enthält detaillierte Beweise, inklusive einer vernichtenden Beschreibung der Bemühungen des ehemaligen Präsidenten, die Ergebnisse der Wahl 2020 zu kippen.

Die juristischen Anstrengungen, den Ex-Präsidenten rechtlich zu belangen, verstärkten sich, nachdem Trump seine Kandidatur im Wahlkampf um die Präsidentschaft 2024 bekannt gegeben hatte. Egal, ob die Versuche primär darauf abzielen, Trump zur Rechenschaft zu ziehen oder ihn von seinem Entschluss einer weiteren Kandidatur für das Amt des Präsidenten abzubringen, – feststeht, seine Basis in der Republikanischen Wählerschaft fängt an zu bröckeln.

Der Spalt, der sich derzeit immer stärker durch die Reihen der Konservativen zieht, spiegelt sich auch im frischbesetzten Repräsentantenhaus wider. Derzeit ringt der angeblich mächtigste Republikaner, Kevin McCarthy, um seine Wahl als Sprecher des Repräsentantenhauses.

Die Bestätigung seines Amtsantrittes durch eine Abstimmung der Republikaner im Kongress hätte eigentlich eine Formalität sein müssen. Nun könnte dem Kongressabgeordneten aus Kalifornien sein enges Verhältnis zu Trump zum Verhängnis werden.

Denn der Mangel an Disziplin in der Republikanischen Partei ist auf das enttäuschende Abschneiden in den Zwischenwahlen im vergangenen Jahr zurückzuführen, und die Frage, ob die Partei noch bereit ist, Donald Trump als Präsidentschaftskandidaten für die Wahl 2024 zu unterstützen.

All diese Entwicklungen weisen darauf hin, dass Trumps Herrschaft über die Republikanische Partei vielleicht bald zu einem jähen Ende kommt. Wenn die demokratiefreundlicheren Kräfte in Washington jedoch glauben, mit dieser Strategie die US-Amerikanische Rechte besiegen zu können, liegen sie falsch. Laut einer Umfrage der Suffolk Universität schlägt Konkurrent Ron DeSantis nicht nur Donald Trump, sondern auch Joe Biden.

Gefährlicher als Trump

Auch wenn die Maga-Bewegung1 tatsächlich immer dann am faschistischsten anmutete, wenn der Persönlichkeitskult um Trump am stärksten ans Licht trat, gilt: Anführer sind oft austauschbar und Ron DeSantis wäre ein hervorragender Nachfolger.

Vielleicht ist der Karrierepolitiker sogar gefährlicher als Trump, da er in der Lage ist, die Positionen seiner extrem rechten Basis auf eine Art und Weise umzusetzen, die Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig prägen. Der Gouverneur Floridas versteht selbst sein Vorgehen gegen einen Finanzriesen wie BlackRock als Ausdruck seines Kreuzzugs gegen die Wokeness.

Wer begreifen will, wie selbst solche ökonomischen Belange in der US-Politik auf einen Kulturkampf reduziert werden konnten, muss etwas weiter zurückblicken als auf den Sieg Donald Trumps im Jahr 2016. Rechtspopulistische Bewegungen haben in der Geschichte der USA oft eine reaktionäre Rolle eingenommen.

Feindbilder und Reaktion

Die ersten modernen rechtsreaktionären Bewegungen entstanden als Reaktion auf den Franklin D. Roosevelts New Deal, also auf eine Politik, die es dem Staat erlaubte, massiv in die sogenannte freie Marktwirtschaft einzugreifen. Zuerst als Maßnahme gegen die Depression der 1930er-Jahre und später in größerem Ausmaß, um die Kriegsanstrengungen des Zweiten Weltkriegs schultern zu können.

Obwohl Roosevelt bekanntlich "den Kapitalismus vor sich selbst retten wollte", wurde er schnell zum Feindbild für die Mächtigen in Wirtschaft und Politik. Um den unliebsamen Mann im Weißen Haus zu diskreditieren, initiierten seine Gegner eine antikommunistische Propaganda, eine perfide Mischung aus Antisemitismus und Verschwörungstheorien.

Das America First Comitee, dessen Slogan manchen aktuell vorkommen mag, sah seine Aufgabe primär darin, den US-amerikanischen Kriegseintritt in den zweiten Weltkrieg zu verhindern und war von "New Deal"- feindlichen Wall Street Bankern gegründet worden.

Der kurzlebigen Organisation gehörten berühmte Persönlichkeiten wie Charles Lindbergh an. Der berühmte Pilot hielt noch kurz vor der Attacke Japans auf den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbour eine zutiefst antisemitische Rede, in der er die jüdische Bevölkerung der USA der Kriegstreiberei bezichtigte und mit einem Pogrom drohte.

Auch der legendäre Autobauer Henry Ford war für den Vertrieb antisemitischer Propaganda bekannt. Und nicht nur dafür: Der angeblich arbeiterfreundliche Unternehmer ließ seine private Werkschutztruppe in Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei gleich mehrere Massaker an Angestellten begehen, die es gewagt hatten, gegen die Arbeitsbedingungen in seinen Fabriken zu demonstrieren.

Ebenfalls als Reaktion auf den New Deal entstand um Gouverneur Huey Long wohl auch die erste (rechts-)populistische Bewegung, die auch unter Linken in den USA Bewunderung findet. Auch der Start moderner rechtsreligiöser Bewegungen in den USA muss als Gegenmaßnahme gegen Franklin D. Roosevelts Politik verstanden werden.

Während die extreme Rechte heute vorwiegend von evangelikalen Protestanten dominiert wird, war es damals dem katholischen Priester Charles E. Coughlin und seiner Radiosendung zu verdanken, dass reaktionäre Kräfte in den USA bald an eine bolschewistisch-jüdische Weltverschwörung auf höchster Ebene glaubten.

Der Zweite Weltkrieg pausierte diese Entwicklungen, aber auch den Arbeitskampf der Linken, die im Kampf gegen den Faschismus eine Priorität sahen. Am Ende läutete die Integration der Gewerkschaften in das politische System unter Roosevelts freilich das Ende des militanten Arbeitskampfes ein.

Die Konservative Revolution

Nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings erholte sich hauptsächlich die Rechte. Grund hierfür war die antikommunistische Propaganda, die zu den großen Erfolgsgeschichten des Kalten Krieges gehört. Für eine gewisse Zeit konnte jedes Verbrechen, jede Form rassistischer Gewalt von Seiten des Staates, mit antikommunistischen Beweggründen gerechtfertigt werden, – und es waren viele.

Die Summe aus Verbrechen und Propaganda kennen wir heute als "Konservative Revolution", die erst Richard Nixon und später Ronald Reagan zur Macht verhalf.

Die Rüstungsindustrie, die unter FDR zu gigantischer Größe herangewachsen war, wurde von Nachkriegspräsidenten, Harry S. Truman, nicht zurückgeschraubt und war seitdem unter jedem Präsidenten zunehmend privatisiert worden.

Das war kein Problem, solange das Schreckgespenst der Sowjetunion als Begründung herangezogen werden konnte. Als erst der Eiserne Vorhang und später die UdSSR fielen, fanden sich die USA in folgender Situation wieder: Ein gewaltiger Anteil der US-Industrie war auf Krieg ausgerichtet und teilweise privatisiert worden, zum Umkehren schien es zu spät.

Daher beschloss der US-amerikanische Staat diese militärische Macht nutzbar zu machen. Wenn rechtspopulistische Bewegungen der Vor- und Nachkriegszeit als Reaktion auf den New Deal, den Kalten Krieg und die gegenkulturelle Bewegung der 1960er- und 1970er-Jahre verstanden werden können, kann das heutige politische Klima in den USA nur im Kontext des Neoliberalismus erklärt werden.