Was macht die US-amerikanische Ultrarechte ohne Trump?

Seite 2: Militärische Macht in ökonomische Dominanz verwandeln

In den 1990er-Jahren sahen die USA mit der Gründung der WTO (World Trade Organisation) das Entstehen einer Institution, die es in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sowohl Demokratischen und als auch Republikanischen Regierungen erlaubten, ihre militärische Macht in ökonomische Dominanz umzuwandeln.

Während der IWF die legal fortgeführte Plünderung der südlichen Erdhalbkugel unter dem Deckmantel der Schuldenpolitik durchführen konnte, zahlten verbündete Staaten, allen voran Deutschland und Japan, die USA für militärischen Schutz in Form von Krediten.

Diese Politik fand im Krieg des Präsidenten George Bush Senior gegen den Irak einen ersten Höhenpunkt. Die gleiche Clique von Neokonservativen um Donald Rumsfeld, Dick Cheney und Präsident Bush Jr. war es auch, die später den Krieg gegen den Terror nach 9/11 und den damit einhergehenden Patriotismus ausnutzten, um die Lebensdauer des Neoliberalismus zu verlängern.

Später brach das Kartenhaus während der Finanzkrise 2008 teilweise zusammen. Bushs Nachfolger Obama bekam es mit der Krise zu tun.

Es gehört zu den Irrtümern des US-amerikanischen Neoliberalismus, dass ein System, das auf absoluter globaler militärischer Vormachtstellung beruht, ewig aufrechterhalten werden kann.

Illusionen

Natürlich gelang es der Regierung in den 1990ern und frühen 2000ern, einen Großteil der US-Bevölkerung durch das Versprechen ewig andauernden billigen Konsums ruhigzustellen. Proteste gegen die WTO in Seattle 1999 und kulturelle Artefakte wie der Film Fight Club zeigten jedoch, dass bei weitem nicht alle US-Amerikaner:innen davon überzeugt worden waren, am Ende der Geschichte angekommen zu sein.

Dennoch konnte die Illusion einer absoluten militärischen Übermacht noch eine Weile aufrechterhalten werden. Erst der Unmut der Bevölkerung über den Krieg im Irak und in Afghanistan zeigte, dass ein Großteil der US-Bürgerschaft nicht mehr bereit war, besonders da die Finanzkrise 2008 ihnen bewiesen hatte, dass eine solche Politik keineswegs ökonomische Sicherheit garantierte.

Das Ende eines universal geltenden Schuldenregimes wurde eingeläutet, als Venezuela 2017 erklärte, die 60 Millionen Schulden der staatlichen Ölförderungsfirma (PDVSA) nicht bezahlen zu können und die Trump-Regierung vom befürchteten Einsatz der US-amerikanischen Militärs absah.

Die Sanktionen, die den Schulden vorangegangen waren, um die sozialistische Regierung unter Nicolas Maduro zu stürzen, gelten bis heute. Der Krieg in der Ukraine könnte das ändern.

Schon während seiner Amtszeit war Präsident Obama Angriffen durch die rechtspopulistische Tea-Party-Partei ausgesetzt. Sein Versagen, die Banken nach der Finanzkrise 2008 zur Rechenschaft zu ziehen, ließ viele US-Amerikaner:innen endgültig vom Glauben an das politische System abfallen.

Das hatte zur Folge, dass während der Präsidentschaftswahl 2016 und 2020 Außenseiterkandidaten wie Donald Trump und Bernie Sanders den politischen Diskurs bestimmten. Wer von den beiden am Ende das Rennen machte, ist bekannt.

Die Lust am Hass auf politische Gegner

Eine Präsidentschaft des linksdemokratischen Kandidaten Bernie Sanders hätte vielleicht einen Ausweg aus einer ökonomischen und sozialen Ordnung geboten, die auf militärischer Macht in Übersee beruht. Trump hingegen lieferte der Gegenseite einen Grund, sich dieser Politik und ihres Versagens nicht zu schämen.

Während den Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 wurde klar, was unter der Oberfläche geschlummert hatte. Die US-Bürgerschaft war seit den 1990ern jeglicher politischer Subjektivität beraubt worden, doch zwang das Gefühl einer andauernden Krise des Neoliberalismus die Menschen in ihre politischen Identitäten zurück.

Eine gefährliche Mischung, denn einer politisierten US-Bevölkerung, die des Glaubens an die Möglichkeit kollektiven politischen Handelns beraubt ist, bleibt nur die Lust am Hass auf politische Gegner. Wer diesen Hass bedient, spielt keine Rolle

Selbst wenn Joe Biden die Präsidentschaftswahl 2024 noch einmal gewinnt, ist die oben beschriebene politische Entwicklung schwer rückgängig zu machen. Auch zeigen der Ukrainekrieg und Chinas Rolle in diesem Konflikt, dass eine Rückkehr zu einer monopolaren Weltordnung nicht möglich ist.

Solange die Spannung zwischen der wiedererweckten US-amerikanischen politischen Libido und der gefühlten Unmöglichkeit kollektiven politischen Handelns besteht, wird der Kulturkampf weitergehen – egal ob Donald Trump oder Ron DeSantis an der Spitze der Rechten stehen.

Das demokratische System der USA ist nicht konzipiert, um einen solchen Druck auszuhalten, sondern es beruht auf dem Versprechen landesweiten Wohlstands durch Ausdehnung des US-amerikanischen Herrschaftsbereichs.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich die linke Gegenseite noch einmal aufrappeln kann, denn einem angeschlagenen Empire ohne Plan-B bleibt nur die Flucht nach außen.