Desinformation in Wahljahren: Experten erklären wirksame Gegenmaßnahmen
Fake News haben Hochkonjunktur – gerade in Wahljahren. Experten erklären, wie man sie entlarven kann. Doch es gibt keinen Königsweg.
Die Verbreitung falscher und irreführender Informationen hat eine lange Tradition. In Kriegen, Arbeitskämpfen und vielen anderen gesellschaftlichen Konflikten haben sie Hochkonjunktur. Mit der Entwicklung der künstlichen Intelligenz ist ihre Verbreitung noch einfacher geworden.
Fake News als Gefahr für Demokratie: Experten warnen vor Desinformation im Superwahljahr
Gerade in diesem Jahr ist das Thema besonders brisant. Das Jahr 2024 ist ein "Superwahljahr". In Deutschland sind die Wähler aufgerufen, das EU-Parlament sowie die Landtage in Thüringen, Sachsen und Brandenburg zu wählen. Von großer Bedeutung ist auch die Wahl des nächsten US-Präsidenten.
Bei allen Wahlen sind die Wähler auf korrekte Informationen angewiesen. Deshalb ist eine Debatte darüber entbrannt, wie Bürger Fake News erkennen können, um nicht in die Irre geführt zu werden. Das Science Media Center (SMC) hat dazu mit verschiedenen Experten gesprochen.
Die Rolle von Faktenchecks im Wahlkampf
Falsche und irreführende Informationen haben das Potenzial, den demokratischen Prozess zu stören, ist Sabrina Heike Kessler, Kommunikationswissenschaftlerin an der Universität Zürich, überzeugt. Professionelle Faktenchecks könnten helfen, dem entgegenzuwirken.
"Faktenchecks sind wichtige Werkzeuge gegen Desinformation, besonders bei Themen, die Bürgerinnen und Bürger nicht leicht selbst überprüfen können", so Kessler. Sie können die Öffentlichkeit aufklären, kritisches Denken fördern und dazu beitragen, öffentliche Debatten durch evidenzbasierte Argumente zu verbessern.
Faktenchecks können aber auch das Gegenteil bewirken und den Glauben an Desinformation verstärken. Das erklärte Philipp Müller, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Mannheim, mit Verweis auf Forschungsergebnisse.
Dass sie den Glauben an Fake News verstärken können, sei vorwiegend dann der Fall, wenn diese den Vorstellungen der Leser entsprechen. Bei Menschen, die ohnehin mit der Stoßrichtung einer Falschmeldung übereinstimmen, wirken Faktenchecks oft schwächer oder sogar kontraproduktiv.
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"Prebunking" als psychologische Impfung gegen Desinformation
Neben Faktenchecks hält Edda Humprecht, Professorin für Digitalisierung und Öffentlichkeit an der Universität Jena, auch das frühzeitige Widerlegen von zu erwartender Desinformation durch "Prebunking" für einen vielversprechenden Ansatz.
Darunter versteht man einen präventiven Prozess. Indem Menschen über typische Strategien von Desinformation aufgeklärt werden, seien sie besser gewappnet, wenn sie tatsächlich mit Desinformation konfrontiert werden, so Humprecht.
Auch Nicole Krämer, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Duisburg-Essen, sieht im Prebunking Potenzial, warnt aber vor überzogenen Erwartungen. Zwar könne diese "psychologische Impfung" die Glaubwürdigkeit von Desinformation reduzieren, aber sie habe oft keinen Einfluss darauf, ob die Falschinformation dennoch weiterverbreitet werde.
Medienkompetenz und Plattform-Regulierung: Gemeinsam gegen Fake News
Daher sei es vor allem wichtig, die Medienkompetenz zu stärken und die Bevölkerung für einen verantwortungsvollen Umgang mit Informationen zu sensibilisieren, betonen die befragten Forscher. Gleichzeitig sehen sie die Plattformbetreiber und die Politik in der Pflicht, Rahmenbedingungen zur Eindämmung von Desinformation zu schaffen.
"Social-Media-Plattformen können durch Anpassungen der Algorithmen, Moderation und Faktenprüfungen die Verbreitung falscher Informationen reduzieren", erläutert Kessler. Gleichzeitig müsse die Politik rechtliche Standards setzen und durch internationale Zusammenarbeit effektiver auf länderübergreifende Desinformationskampagnen reagieren.
Es bleibe eine Gratwanderung, so die Forscher einhellig, die Meinungsfreiheit zu wahren und nicht durch überzogene Maßnahmen demokratische Prinzipien selbst zu gefährden. Im Kampf gegen Desinformation gebe es daher keine Patentrezepte, sondern nur das Zusammenspiel von Akteuren aus Wissenschaft, Politik, Plattformen, Journalismus und kritischer Zivilgesellschaft.