Was tun gegen hohe Strompreise?

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Hitzewellen, einsichtigen Liberalen, Energiepreisen und streikenden Ölarbeiterinnen und -arbeitern in Kasachstan

Das fängt ja wirklich gut an, das neue Jahr. Nein, gemeint ist nicht die aktuelle Corona-Wand, auf die das Land gerade zufährt. Auch nicht dieser Tennis-Star, der rumheulte, weil für ihn keine Ausnahme gemacht wurde, und er daher für ein paar Tage in einem Hotel absteigen musste, in dem weniger vom Glück geküsste Jugendliche viele Jahre festgehalten werden.

Vielmehr sind die 50,7 Grad Celsius gemeint, die zur gleichen Zeit, am 13. Januar, am anderen Ende Australiens in Onslow am Indischen Ozean gemessen wurden. Für die Weltmedien offensichtlich deutlich uninteressanter.

Klimakrise? War da was? Immerhin war es die heißeste je auf der Südhalbkugel gemessene Lufttemperatur. Genauer: Mit hoher Wahrscheinlichkeit war sie das. Denn nun wird zunächst, da es sich um einen neuen Rekord handelt, die Weltmeteorologieorganisation WMO in Genf ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern darauf ansetzen. Diese werden dann die Messbedingungen, die Instrumente sowie andere Messdaten in zeitlicher und räumlicher Nähe zur fraglichen Messung unter die Lupe nehmen.

In ein paar Monaten oder auch erst im nächsten Jahr werden wir wissen, ob tatsächlich ein neuer Rekord vorliegt. Fakt ist jedenfalls, dass Westaustralien vergangene Woche eine ganz außergewöhnliche Hitzewelle erlebte. Auch andere Orte registrierten Temperaturen um die 50 Grad Celsius.

Die Armen trifft es am härtesten

Zur gleichen Zeit litt auch der Norden Argentiniens sowie das benachbarte Uruguay und der äußerste Süden Brasiliens unter extremer Hitze. In Teilen des Großraums Buenos Aires brach dadurch das Stromnetz zusammen. 700.000 Menschen waren betroffen. Am internationalen Flughafen von Buenos Aires wurden am 14. Januar 42 Grad Celsius Tageshöchsttemperatur gemessen, einer der höchsten dort je beobachteten Werte.

Im nordwestlichen Inland kletterten die Thermometer am gleichen Tag bis auf 44 Grad Celsius, wie der brasilianische Wetterdienst MetSul berichtet. Der argentinische Ableger der Jugendklimaschutzbewegung Fridays for Future macht darauf aufmerksam, dass besonders die Armen in den Elendsvierteln unter der Hitze zu leiden haben:

Die Hitzewellen sind das beste Beispiel dafür, dass uns die Klimakrise nicht alle im gleichen Maßen betrifft.

Der Staat müsse sich um die besonders gefährdeten Menschen kümmern.

Derweil gingen unmittelbar im Anschluss an die australische Hitzewelle in Australien östlich von Onslow massive Niederschläge aus einem Tiefdruckgebiet nieder, das vom Tropensturm "Tiffany" übriggeblieben war. In der entsprechenden Vorhersage des australischen Wetterdienstes ist hier sehr schön zu sehen, dass sich auf der Südhalbkugel die Tiefdruckgebiete im Uhrzeigersinn drehen, also andersherum als hierzulande.

Anleger misstrauen Ölkonzernen

Unterdessen stöhnt in Deutschland alles über die hohen Energiepreise, allerdings nicht alle im gleichen Maß. Eine Tankstellensuche beim ADAC zeigt, dass es zwischen Nord- und Süddeutschland Preisunterschiede von 40 Cent und mehr pro Liter Kraftstoff gibt.

Im europäischen Vergleichs bewegt sich Deutschland zum Beispiel beim Benzinpreis mit 1,616 Euro pro Liter (Stand letzte Woche) im oberen Mittelfeld, beim Diesel ebenfalls, und zwar jeweils hinter Großbritannien, Italien und Frankreich.

Der Ölpreis hat sich unterdessen von seinem starken Rückgang im November wieder erholt und bewegt sich inzwischen auf seinem höchsten Niveau seit 2015. Für ein Barrel (159-Liter-Fass) der US-amerikanischen Sorte WTI müssen 86,49 und für eines des europäischen Standards Brent 88,49 US-Dollar gezahlt werden.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg macht auf eine bemerkenswerte Entwicklung aufmerksam. Obwohl sich mit Öl und Gas immer noch viel Geld verdienen lässt, nimmt das Gewicht der entsprechenden Konzerne im Konzert des großen Kapitals offenbar rapide ab.

Offenbar haben die Anleger das Vertrauen in die Konzerne verloren. Bloomberg meint, es gebe das Gefühl, dass die Gewinne nicht richtig reinvestiert werden, aber vielleicht hegt der eine oder andere ja auch Zweifel, dass das Geschäftsmodell auf Dauer nicht mehr trägt.

Immerhin glaubt ja inzwischen selbst der Bundesverkehrsminister Volker Wissing, dessen FDP noch vor Kurzem das Nein zum Tempolimit zur Schicksalsfrage der Ampelkoalition gemacht hatte, nicht mehr an eine Zukunft des Verbrennungsmotors. Noch vor zwei oder drei Jahren durfte sich kein Politiker der Grünen oder der Linkspartei mit derartigen Äußerungen auch nur in der Nähe der Stammtische sehen lassen.

Windige Pleitiers

Viele Haushalte treibt zurzeit vor allem der Strompreis um, aber auch hier ist das Bild uneinheitlich. Zu leiden haben im besonderen Maße Verbraucher, die auf Schnäppchenjagd bei Billiganbietern gelandet sind. Von denen haben einige offensichtlich nicht ausreichend langfristige Verträge mit Erzeugern abgeschlossen, sondern ganz darauf gesetzt, sich jeweils kurzfristig und günstig am Spotmarkt mit Strom für ihre Kunden eindecken zu können.

Doch dieses Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr. Die Preise an der Strombörse sind nach oben geschnellt, und eine ganze Reihe von Billiganbietern haben daher die Belieferung ihrer Kunden eingestellt.

Die landen nun automatisch bei den sogenannten Grundversorgern. Das sind jene Unternehmen, die in der jeweiligen Kommune die meisten Kunden bedienen. Meist sind das Stadtwerke oder andere alte Unternehmen, die vor der Liberalisierung des Strommarktes ein Gebietsmonopol hatten.

Diese Grundversorger müssen aufgrund der neuen Kunden jetzt kurzfristig zusätzlichen Strom beschaffen. Während sie ihre alten Kunden überwiegend aus günstigeren langfristigen Lieferverträgen bedienen können, muss der zusätzliche Bedarf an der Börse gedeckt werden.

Das ist, wie beschrieben, teuer, weshalb die Neukunden besonders schlechte Verträge bekommen. So die Argumentation der Unternehmen. Verbraucherschützer sind allerdings skeptisch.

Ungleichbehandlung illegal?

In Nordrhein-Westfalen kritisiert ihr dortiger Verband die Unterscheidung zwischen Alt- und Neukunden und sieht die Energiekartellbehörde gefordert.

Die Ungleichbehandlung verstoße gegen das Energierecht, weshalb die Verbraucherschutzzentraleinzwischen Abmahnungen an die Rheinenergie, die Stadtwerke Gütersloh und die Wuppertaler WSW Energie & Wasser AG verschickt hat.

Bei allem Verständnis für die nicht ganz einfache Situation der Grundversorger – so geht es nicht. Die Benachteiligung von Verbraucher:innen, die ohne eigenes Verschulden in die Grundversorgung zurückfallen, ist rechtswidrig und widerspricht dem eigentlichen Schutzzweck der Grundversorgung. Wir werden daher mit allen juristischen Mitteln gegen diese Benachteiligung vorgehen, die nur auf Grundlage eines willkürlich festgelegten Stichtags erfolgt.

Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW

Die Gründe für die hohen Preise sind vielfältig, aber eines ist sicher: Die sogenannte EEG-Umlage, mit der zusätzliche Kosten für den Grünstrom abgedeckt werden, ist erst zu Jahresanfang um gut 40 Prozent abgesenkt worden. Statt 6,5 zahlen private Verbraucher und kleine Gewerbebetriebe nur noch 3,723 Cent pro Kilowattstunde. Das ist der niedrigste Stand seit zehn Jahren.

Trotzdem liegen auf dem EEG-Konto, mit dem die Differenz zwischen der an die Anlagenbesitzer für den Strom gezahlten Vergütung und dem Preis ausgeglichen wird, der für diesen an der Börse zu erzielen ist, inzwischen über zehn Milliarden Euro Guthaben, wie der Fachinformationsdienst IWR berichtet. Die hohen Börsenstrompreise führen nämlich dazu, dass der Grünstrom dort nicht mehr verramscht werden muss, wie es jahrelang nach dem Willen des Gesetzgebers geschehen ist.

Nachhaltig verseucht

Zu den vielen Gründen für die hohen Börsenstrompreisen gehört neben dem erheblich gestiegenen CO2- und Erdgaspreisen auch die vermehrte Nachfrage aus Frankreich.

Wie berichtet stehen dort zu viele Atomkraftwerke still, weshalb man sich schon mal ganz gerne diesseits des Rheins ein wenig eindeckt.

Wir hatten ja bereits über den Irrsinn der Woche (ab ca. Minute 21:30) berichtet, wonach die EU-Kommission auf Drängen Frankreichs die Atomkraft als nachhaltig einstufen will, was interessierten Bauherren Vorteile bei Förderung und Kapitalbeschaffung bescheren würde.

Wie nachhaltig der Betrieb von Atomkraftwerken in der Tat wirken kann, ist noch immer in baden-württembergischen Wäldern zu beobachten. Dort kann es durchaus vorkommen, dass erlegte Wildschweine als Strahlenmüll entsorgt werden müssen.

20 Prozent der in Oberschwaben erlegten Tiere überschreiten den Grenzwert für Cäsium. Das radioaktive Material war vor 25 Jahren bei der Reaktorkatastrophe im ostukrainischen Tschernobyl freigesetzt worden. Neben der weiteren Nachbarschaft in der Ukraine und im angrenzenden Weißrussland waren seinerzeit je nach Wetterlage auch einige andere Regionen Europas verseucht worden.

Zwar ging in Süddeutschland erheblich weniger Fallout aus der (Wasserstoff-)Explosion des Atomkraftwerks nieder, aber offensichtlich immer noch genug, um Wild und Wildfrüchte nachhaltig zu verseuchen.

Strompreis senken

Doch zurück zu den Strompreisen, die besonders für Haushalte mit geringerem Einkommen inzwischen eine enorme Belastung darstellen. Was tun?

Die drastische Senkung der EEG-Umlage ist schon mal ein erster Schritt und bedeutet zudem auch, dass weniger Mehrwertsteuer gezahlt werden muss. Die wird nämlich noch zusätzlich auf die Umlage fällig. Im letzten Jahr machte das noch etwas mehr als einen Cent pro Kilowattstunde Strom aus.

Ab dem nächsten Jahr soll die Umlage ganz wegfallen, dann wird das Konto für den Grünstrom aus Steuereinnahmen ausgeglichen. Klaus Müller vom Bundesverband der Verbraucherschutzzentralen fordert, diesen Schritt vorzuziehen.

Wenn dann noch die Stromsteuer – jetzt 2,05 Cent pro Kilowattstunde – auf das aufgrund des EU-Rechts notwendige Minimum gesenkt und die Industrieausnahmen bei den Netzentgelten gestrichen würden, könnten die Verbraucherinnen und Verbraucher um weitere vier bis fünf Cent pro Kilowattstunde entlastet werden.

Ähnliche Vorstellungen hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Neben den genannten Vorschlägen fordert er, die Mehrwertsteuer auf Erdgas und Fernwärme zumindest vorübergehend auf den ermäßigten Steuersatz abzusenken.

Ähnliche Vorschläge hatte es im vorletzten Bundestagswahlkampf auch von der SPD in den Bezug auf Strom gegeben. Allerdings sind sie nach der Wahl in der Versenkung verschwunden.

Streik in der Ölindustrie

Um Energiefragen ging es auch bei den Unruhen in Kasachstan, die inzwischen blutig niedergeschlagen wurden. Die Bewegung war von den Ölarbeitern im Westen des Landes ausgegangen. Später hätten sich die Arbeiter anderer Industriezentren angeschlossen, berichtet Aynur Kurmanov von der Sozialistischen Bewegung Kasachstans in einem Interview (Russisch mit englischen Untertiteln), das einige Tage vor dem blutigen Ende der Proteste entstand.

Den Anstoß zu den Demonstrationen hatte die plötzliche Verdoppelung des Gaspreises gegeben. Gas wird in dem zentralasiatischen Land vielfach auch als Pkw- und LKW-Kraftstoff eingesetzt. Die Regierung hatte die Subventionen drastisch gekürzt, sodass viele der ohnehin kaum über die Runden kommenden Arbeiter und kleinen Selbstständigen auf einmal die volle Wucht der hohen Weltmarktpreise zu spüren bekamen.

Das Erdgas wird zwar im Inland gefördert, doch wenn es nicht mit einem Ausfuhrzoll belegt oder der Verkaufspreis mit staatlichen Subventionen gedrückt wird, schlägt der Weltmarktpreis auf die inländischen Verbraucher durch.

Die Unternehmen, in denen die Streiks begannen, befänden sich im Besitz kasachischer Oligarchen, die alle ausländische, meist britische und US-amerikanische Partner hätten, so Kurmanov. Auch wenn viele politische Beobachter versuchten, es anders darzustellen, sei es keine Maidan-Bewegung und keine Farbenrevolution gewesen.

Die Arbeiter hätten Forderungen nach der Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen, nach der Rückkehr zur Verfassung von 1993 mit ihren demokratischen Rechten und nach der Zulassung ihrer Gewerkschaften gestellt.

Seit 2008 gebe es in der Region im Westen eine Tradition harter Arbeitskämpfe, so Kurmanov. Die Arbeiterinnen und Arbeiter hätten mit eigenen Augen gesehen, was die Privatisierungen und das ausländische Kapital bedeuten.

Die Vorgeschichte

In Schanaosen, der Stadt, in der die diesjährigen Proteste ihren Anfang nahmen, war 2011 ein Streik der Ölarbeiterinnen und -arbeiter gewaltsam zerschlagen worden. Acht Monate waten sie für höhere Löhne und das Recht, sich in Gewerkschaften zu organisieren, im Ausstand.

Schließlich hatte die Polizei am 16. Dezember 2011 in eine unbewaffnete Menge geschossen, schreibt der Energie- und Klimajournalist Simon Pirani auf seinem Blog. Nach offiziellen Angaben kamen 16 Menschen ums Leben, nach Ansicht der Arbeiterinnen und Arbeiter deutlich mehr. (Telepolis berichtete seinerzeit.)

In den Tagen danach habe es in der Stadt und im Umfeld eine Verhaftungswelle gegeben. 37 Personen wurden schließlich angeklagt und zu Haftstrafen bis zu sechs Jahren verurteilt. Einer der Verhafteten sei zuvor kurz nach der Freilassung an den Folgen erlittener Folter gestorben.

Vor Gericht widerriefen die Angeklagten ihre Geständnisse, da diese unter Folter erzwungen worden seien. Eine internationale Kampagne von Gewerkschaftsverbänden erwirkte schließlich 2014 die Freilassung einer der letzten Inhaftierten.

Was die jüngsten Unruhen angeht, sprechen einige Beobachter davon, dass es in einigen Städten eine Spaltung zwischen den Demonstranten gegeben habe. Junge Männer aus den Dörfern hätten mit den Plünderungen begonnen, Städter hätten sich organisiert, um diese zu verhindern. Im Westen, wo die Bewegung ihren Ausgang genommen habe, sei nicht geplündert worden.

Die linke Abgeordnete des EU-Parlaments Clare Daly spricht im Telepolis-Interview davon, dass es ihrer Ansicht nach um Arbeiterproteste gehandelt habe, sie aber auch Hinweise auf andere Interessen sehe.