Weder Benzin noch Gold für Venezuela
Die USA erbeuten iranische Treibstofflieferung an Venezuela. Großbritannien behält venezolanische Goldreserven
Die Erdölindustrien Venezuelas und des Iran unterliegen strengen amerikanischen Sanktionen. Die USA haben am Donnerstag diese geltend gemacht und iranische Treibstofflieferungen beschlagnahmt, die für Venezuela bestimmt waren. Die vier Tanker Bella, Bering, Pandi und Luna waren mit 1,1 Millionen Barrel Treibstoff beladen. Es handelt sich nach Angaben des US-Justizministeriums um die bisher größte Beschlagnahme iranischen Treibstoffs durch die USA.
"Das darf der Iran nicht tun", sagte Präsident Trump am Freitag vor Reportern. Der Iran bestritt dagegen, irgendeine Verbindung zu dem beschlagnahmten Treibstoff zu haben und beschuldigte die Vereinigten Staaten, einen "psychologischen Krieg" gegen das Land zu führen. "Weder die Schiffe sind iranisch, noch ihre Eigentümer oder ihre Fracht haben irgendeine Verbindung zum Iran", sagte Hojat Soltani, Irans Botschafter in Venezuela, am Donnerstag auf Twitter. Soltani äußerte sich jedoch nicht zur Ladung der Tanker.
Im vergangenen Monat reichte zunächst die US-Bundesstaatsanwaltschaft in Washington eine Zivilklage ein, um das Benzin an Bord der vier Tanker zu beschlagnahmen. "Die Gewinne aus diesen Aktivitäten unterstützen das gesamte Spektrum der ruchlosen Aktivitäten der [iranischen Revolutionsgarden], einschließlich der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihren Trägermitteln, der Unterstützung des Terrorismus und einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen im In- und Ausland", heißt es im Urteil. Angeblich wurde die Treibstofflieferung von Mahmoud Madanipour, einem Geschäftsmann mit Verbindungen zu den iranischen Revolutionsgarden, arrangiert. In den letzten zwei Jahren hat die US-Regierung das Nuklearabkommen mit Teheran aufgekündigt, um das Land mit Sanktionen zu belegen und den iranischen Energie- und Bankensektor sowie die Revolutionsgarden unter Druck zu setzen.
Im Juli hielten Sanktionsexperten es allerdings für ausgeschlossen, dass der US-Gerichtsbeschluss in internationalen Gewässern durchgesetzt wird. Laut Reuters hätten die Ladungen erst dann beschlagnahmt werden können, wenn sie sich in den Hoheitsgewässern der USA befinden. Ob sich daran etwas geändert hat, bleibt offen. Das Vorgehen der USA bleibt seitens europäischer Politiker bislang unkommentiert.
Damit unterbrechen die USA eine für die beiden OPEC-Länder Iran und Venezuela wichtige Handelsbeziehung, die sie trotz der schweren US-Sanktionen jüngst eingegangen waren. Die Trump-Regierung, die mit scharfen Sanktionen sowohl den iranischen Energiehandel blockieren als auch den venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro stürzen will, hatte zuvor mit Repressalien gedroht und Häfen, Reedereien und Versicherer davor gewarnt, die Tanker aufzunehmen. Auf einer Pressekonferenz sagte Pompeo im Juli, die Schiffe lieferten etwa 1,5 Millionen Barrel iranisches Benzin und zugehörige Komponenten und warnte Seeleute vor Geschäften mit der Regierung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro.
Wurden die Kapitäne bestochen?
In Venezuela explodieren die Benzinpreise. Da der Welthandel Venezuela zunehmend meidet, wendet sich die sozialistische Regierung von Nicolás Maduro zunehmend dem Iran zu. Im April hatte Venezuela Raffinerie-Materialien per Flugzeuglieferung aus dem Iran erhalten, die dabei helfen sollten, die 310.000 Barrel pro Tag umfassende Cardon-Raffinerie zu reparieren. Einem Bericht von Bloomberg zufolge hatten Flugzeuge der iranischen Mahan Air bei den Rückflügen nach Iran rund neun Tonnen Gold im Wert von 500 Millionen US-Dollar an Bord.
Ende Mai drohten die USA bereits mit Konsequenzen, sollte der Iran seine Unterstützung für Venezuela fortsetzen. Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums konterte daraufhin, dass der Iran sich darüber hinwegsetzen werde. "Der Iran praktiziert seine Freihandelsrechte mit Venezuela, und wir sind bereit, mehr Schiffe zu schicken, wenn Caracas mehr Lieferungen aus dem Iran verlangt", sagte Abbas Mousavi bei einer wöchentlichen Pressekonferenz, die live im staatlichen Fernsehen übertragen wurde.
Zur Beschlagnahme der Lieferung geben weder das US-Justizministerium noch das US-Außenministerium an, wann, wo und wie sie stattgefunden hat, was nahe legt, dass sie in internationalen Gewässern stattgefunden haben muss. Laut eines Berichts der Associated Press soll die Operation außerdem "ohne physische Präsenz von US-Behörden oder Unterstützung durch eine ausländische Regierung" erfolgt sein. Die beschlagnahmten Lieferungen sollen Trump zufolge nach Houston gebracht werden, oder sind bereits dort, je nachdem, wie Trumps Worte zu verstehen sind. "Sie fahren nach Houston. Und, sie sind dort", sagte Trump auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus.
Fraglich bleibt nicht nur, wo sich die vier Tanker zurzeit befinden, sondern auch, wie die "Übergabe" der Ladung vonstattenging. Die vier Tanker, die die Ladungen zunächst transportierten, waren unter liberianischer Flagge gefahren. Informationen des Wall Street Journal zufolge befinden sie sich im Besitz und unter der Leitung von Unternehmen, die von den in Griechenland ansässigen Firmen Vienna LTD und Palermo SA kontrolliert werden. Jede Vereinbarung auf halber Fahrt und auf hoher See, die Ladung eines Schiffes an eine ausländische Regierung ohne Genehmigung des Verladers zu übergeben, wäre eine ungewöhnliche Entscheidung für einen Schiffseigentümer, schreibt Maritime Executive. Die Eigentümer der von der US-Klage betroffenen Schiffe müssen sich demnach bereit erklärt haben, auf hoher See ihre Ladung auf Schiffe der griechischen Eurotanker und der dänischen Maersk zu verladen, damit diese die Ladung nach Houston bringen.
Es ist nicht auszuschließen, dass die USA wie im vergangenen Jahr mit Bestechungsgeldern Überzeugungsarbeit leisteten. Wie die Financial Times berichtete haben die USA damals Akhilesh Kumar, dem indischen Kapitän des wochenlang vor Gibraltar festgesetzten iranischen Tankers "Adrian Darya 1", per E-Mail mehrere Millionen Dollar für eine Kooperation mit den US-Behörden angeboten. Im Gegenzug sollte Kumar den Tanker in den Hafen eines Landes steuern, in dem er beschlagnahmt werden könnte.
Großbritanniens Goldraub
Für die nun von den USA kassierte Treibstofflieferung hatte Venezuela bereits bezahlt, die Summe ist jedoch nicht bekannt. Zuletzt bediente sich Großbritannien in großem Stile an venezolanischem Eigentum, wie Amerika21 im Juli berichtete. Demnach hatte die Zentralbank von Venezuela im Auftrag von Staatschef Nicolás Maduro die Bank of England vor dem High Court wegen Vertragsbruchs verklagt, weil diese seit zwei Jahren die Rückgabe venezolanischer Goldreserven im Gegenwert von rund einer Milliarde US-Dollar verweigerte.
Das Handelsgericht in London entschied allerdings gegen eine Aushändigung des Goldes an die Regierung von Nicolás Maduro mit der Begründung, dass die britische Regierung nicht Maduro, sondern "den Oppositionsführer Juan Guaidó eindeutig als Interimspräsident anerkannt" habe. Selbst ernannter Interimspräsident Guaido hatte zuvor behauptet, Maduro wolle das Geld, um das venezolanische Volk zu unterdrücken.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der globalen Pandemie, der sinkende Ölpreis und die Sanktionen gegen die Regierung Maduro haben dazu geführt, dass die Regierung kaum über Mittel verfügt, um die Hilfsmaßnahmen gegen Covid-19 zu finanzieren. Maduro hatte daher versucht, die Währungsreserven zu liquidieren, um die Einnahmen zur Bereitstellung humanitärer Güter für die eigene Bevölkerung und insbesondere zur Bekämpfung des Coronavirus zu verwenden.