Wegen "antisemitischer Ausfälle": Auftrittsverbote für den Komiker Dieudonné

Seite 4: Meinungsfreiheit gefährdet?

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Dieselbe Partei zieht sich unterdessen in der Öffentlichkeit auf einen Formelkompromiss zurück: Der FN distanziert sich inhaltlich von Dieudonné, beruft sich jedoch auf das Prinzip der Meinungsfreiheit, um gegen Auftrittsverbote für ihn zu wettern. Und um gleich auch vor einer "Zensur des Internet", die rassistischen und/oder antisemitischen Webseiten künftig verstärkt drohen könnte - etwa weil Internet das Hauptverbreitungsmittel von Dieudonnés Video und Propagandabotschaften bildet -, zu warnen.

Auch die sonstige Öffentlichkeit ist gegenüber den Mitteln, welche die Regierung wählte, um Dieudonné nach Möglichkeit den Mund zu verbieten, geteilt. Ein und dieselbe Umfrage ergibt etwa, dass 83 Prozent schlecht über Dieudonné denken, und 74 Prozent aber auch die Reaktion der Regierung für falsch halten. Liberale und linke Juraprofessorinnen wie Danièle Lochak, emeritierte Hochschullehrerin für öffentliches Recht, oder die progressive Richterin und Gewerkschafterin Evelyne Sire-Martin kritisieren das gewählte Rechtsmittel.

Sie sprechen von einem präventiven Auftrittsverbot; stattdessen wäre es besser und für die Grundrechte ungefährlicher gewesen, Dieudonné erst spielen zu lassen und dann jede rechtswidrige Äußerung zum Gegenstand von Strafverfolgungen zu machen. Diese Auffassung wird in Juristenkreisen sehr oft geteilt, auch wenn es abweichende Stimmen gibt, die von "durch eine Sondersituation gerechtfertigten Maßnahmen" sprechen.

Noch verbreiteter ist unterdessen die Kritik, durch sein eigenes martialisches Auftreten habe Innenminister Manuel Valls erst recht Dieudonné zum vermeintlichen "Systemgegner Nummer Eins" aufgebaut und ihm eine irrsinnige Publicity verschafft. Man hätte ihm, dieser Auffassung zufolge, nicht den Gefallen eines derartigen Aufsehens rund um die Auftrittsverbote tun sollen.

Was wird Dieudonné seinerseits tun? Er bereitet sich unterdessen als nächsten Schritt darauf vor, ein "neues oder abgeändertes Schaustück" zu präzisieren, wie seine Anwälte am Freitag erklärten. Denn das Auftrittsverbot kann nur für das nunmehr in mehreren Städten abgesagte Stück "Die Mauer" gelten. Dieudonné kann jedoch aus rechtlichen Gründen kaum mit einem generellen, sich auf alle potenziellen Theaterstücke aus seiner Feder beziehenden Berufsverbot belegt werden.

Dies käme nicht zuletzt beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte niemals durch. Abzuwarten bleibt, ob er klug genug sein wird, ein "unbedenkliches" Stück vorzulegen, um einem neuen Verbot zu entgehen und eventuell als moralischer Sieger dazustehen - oder ob er den Anlass nutzt, um noch mehr "auf die Kacke zu hauen".