Weiterer Kampf der Spielkonsolen?
Friedliche Koexistenz scheint möglich
Die Spiele-Industrie ist in der Umbruchphase, ein sich regelmäßig wiederholendes Ereignis: Ungefähr im Fünfjahresturnus vollzieht sich ein Generationswechsel der Spielkonsolen, die mit der steigenden Leistung von Computern mithalten müssen. Microsoft, Nintendo oder Sony heißen die Rivalen erneut. Diesmal jedoch reicht es, mehr als zuletzt, zu einer Koexistenz aller drei Plattformen, deren gegenständliche Reize unterschiedliche Spiel-„Bedürfnisse“ locken.
Nach Einführung der Xbox 360 im November 2005 erscheinen im vierten Quartal 2006 auch Sonys und Nintendos neue Konsolen. Alle drei Hersteller können sich auf positive Prognosen stützen, was sie nur andeutungsweise machen. Nintendo deutet stattdessen an, es beanspruche eine eigene Kategorie; sein charakterlich andersartiger Nintendo Wii – der Nachfolger des GameCube – bewege sich geradezu außerhalb der Konkurrenz. Das Psychogefecht der beiden anderen Parteien, Sonys PlayStation 3 und Microsofts Xbox 360, reicht derweil ins Jahr 2001 zurück. Damals war die Situation anders als heute.
Die erste PlayStation von 1995 entwickelte sich in den 90ern zum angesagten Dauerbrenner; bald nach Veröffentlichung stieß sie Marktführer Nintendo eiskalt vom Thron und verkaufte mehr als 106 Millionen Einheiten. Videospielen war cool geworden und hatte sich mit der PlayStation vom kindischen und freakigen Image befreit – das haben ihr die Fans nicht vergessen, ein Bonus, von dem Sony heute noch profitiert. Auch Nintendos N64 (1996), der sich knapp 35 Millionen Mal verkaufte, konnte den Siegeszug in der darauf folgenden, noch jetzt sehr lebendigen Generation nicht aufhalten: Die PlayStation 2 (2000) trabte trotz ihres hohen Einführungspreises von 869 DM an Segas insgesamt elf Millionen Mal verkaufter Dreamcast (1999) vorbei und setzte bisher ähnlich viele Einheiten wie ihr Vorgänger ab*. Die erste Xbox (2001), immerhin die technisch stärkste der damaligen Konsolen, erreichte lediglich das von Bill Gates vorgegebene Etappenziel einer über mehrere Konsolengenerationen angelegten Markteroberung und wurde mit beachtlichen 22 Millionen* verkauften Geräten unterm Strich Zweiter vor dem GameCube. Nintendos Spielsystem wurde 21 Millionen* Mal abgesetzt und ist seit seiner Markteinführung die günstigste der drei Konsolen. Die exklusiv von Panasonic entworfene, durchschnittlich 8 cm kleine GameDisc verhindert effektiv Raubkopien der Spiele, weshalb seine 184 Millionen verkauften Software-Einheiten aus eigenem Hause weniger kopiert worden sind als die der Konkurrenzkonsolen, die mit handelsüblichen DVDs als Datenträger fahren. (*Zahlen weltweit, bis Ende Geschäftsjahr 2005).
Knapp 5,5 Millionen Mal konnte sich bisher die Xbox 360 verkaufen und obwohl ihr der Ruf als wohnzimmerkompatibles Multimediacenter mit deutlich spürbaren Next Generation-Spielerlebnissen vorauseilt, ist sich Sony-Chef Howard Stringer sicher: „Die dritte Generation der Spielkonsolen beginnt erst, wenn wir sie starten.“
Ebenso gelassen und betont stolz entgegnet dem Microsofts Peter Moore (offizieller Titel: Corporate Vice President Interactive Entertainment Business, Entertainment and Devices Division) mit Leistungen der erweiterungsfähigen Xbox 360 und dem 2 Millionen Mitglieder starken Online-Service Xbox Live, dessen einfache Integration in nahezu jedes neue Spiel und dessen Datenübertragungsstabilität tatsächlich beispiellos ist. Stimmt die Bildqualität, was von der individuellen Ausstattung des Users abhängig ist, sind Moores Versprechen im Grunde stets Fakten. Da ein alter braunscher Röhrenfernseher für keine der neuen Spielkonsolen gemacht ist, beruhigt er mit der Voraussage, dass bis 2008 die Preise für erforderliche HDTV-Fernseher erschwinglicher sein werden, bzw. bis dahin mehr als 100 Millionen Haushalte über ein solches Gerät verfügen werden. Wer schöne Spiele haben will, muss nun mal zahlen.
Microsoft und Sony machen es vor und gehen den Weg des subventionierten Verkaufs: Zumindest vorerst werden sie nicht an ihren Systemen, die auch in Jahren noch konkurrenzfähig sein müssen, verdienen, sondern sogar noch draufzahlen: Microsoft soll 126 US-Dollar mit jeder Xbox 360 verlieren. Allein die Tatsache, dass die PlayStation 3 über ein Blu-Ray-Laufwerk verfügt, das auch Filme im möglichen Nachfolgeformat der DVD abspielen kann (woran Sony als Unterhaltungselektronikkonzern großes Interesse hat), macht die Konsole zur Technikwunderkiste mit hohem Wert und langer Lebensdauer.
Doch Spiele in hochauflösender Qualität (High Density, dt. hohe (Daten-) Dichte) lassen sich auch per DVD wiedergeben, weshalb Microsoft kein Risiko eingeht und die Xbox 360 mit einem Laufwerk seines anvisierten DVD-Nachfolgeformats, HD-DVD, nachrüsten lässt. Das britische Branchenmagazin Gamesindustry.biz will sogar herausgefunden haben, dass das Bundle aus Xbox 360 und HD-DVD-Player, als Konter auf den PlayStation 3-Launch, günstiger als die kompakte PS3 zu haben sein wird. Sollte entgegen Microsofts Planung Blu-Ray als Gewinner hervorgehen, ließe sich ohne Probleme ein zusätzliches Blu-Ray-Laufwerk für die Xbox 360 entwickeln und anschließen. Im Microsoft-Lager vergleicht man Blu-Ray vorerst jedoch milde süffisant mit Betamax, dem Magnetbandsystem, das trotz besserer Bildqualität in den 80er Jahren VHS kommerziell unterlegen war und verschwand. Zynisch, wenn man bedenkt, dass Betamax auch ein Sony-Produkt war. Damals gab es jedoch kein Zugpferd namens PlayStation.
Ganz oder gar nicht: Verkauft Sony ebenso oft die PlayStation 3, ständen 100 Millionen einheitliche Blu-Ray-Film-Player im Regal der Zielgruppe. Berufs-Visionär Bill Gates verbindet seinen Glauben an die in der Produktion günstigere, dafür aber weniger große HD-DVD hingegen mit der immer rasanteren Etablierung des datenträgerlosen Onlinehandels von Medien wie Musik, Film und Games, was in Zukunft Laufwerke überflüssig machen würde. Logisch folgernd legt sein Konzern mehr Gewicht auf die Ausweitung des Onlineservices Xbox Live und will mit Microsofts kommendem Betriebssystem Windows Vista die Xbox-Community mit der von PC-Spielern verschmelzen.
Parallel dazu eröffnen sich Möglichkeiten, die dem Service noch mehr Dimension verleihen sollen. So dient die angekündigte Xbox Live Vision Cam zur Übertragung von Videokonferenzen, Bildtelefonie sowie als zusätzliches Spielelement. Und auch Entwickler nutzen Xbox Live zur Vertiefung des Spielerlebnisses: Bei Segas kommendem Massively Multiplayer Online-Rennspiel „Test Drive Unlimited“ (Test Drive Unlimited-Gameplay-Film), das auf der Hawaii-Insel Oahu stattfindet, dürfen Spieler z.B. individuell zusammengestellte Autos versteigern. Limitierte Luxuskarossen oder welche mit virtueller Renngeschichte könnten dabei hohe Gewinne machen. Microsofts im Spätjahr erscheinendes kostenloses Entwicklertool XNA Game Studio Express soll erstmals Freizeit- und Jung-Spielentwicklern die Möglichkeit bieten ein Konsolenspiel zu entwerfen und das Produkt (Shareware oder Mods) über Xbox Live, als Portal im Stile von YouTube, gewinnbringend zu vermarkten.
Unbekümmert und losgelöst setzt Nintendo derweil auf den Wii-Faktor, ein Action- und Party-Feeling aus klassischem und zukünftigem Spielen in einem: Games für Nintendo Wii sind, neben Plattform-übergreifenden Veröffentlichungen von Drittanbietern, Exklusiventwicklungen, die nur mit dieser Plattform spielbar sind. Sie unterstützen den so genannten Nunchaku-Controller, der mit Bewegungssensoren und anschließbarem Minijoystick neue Spielerlebnisse ermöglicht. Der Wii-Controller (Wii-Demo) ersetzt das, was man in der Hand hält: Er dient als Angel, als Dirigentenstab, als Lenkrad, als Schwert oder als Gewehr – Nichtspieler, die vor der kompliziert anmutenden Steuerung bisheriger Controller zurückschreckten, sollen so ihre Hemmungen gegenüber Videospielen fallen lassen.
Wahrscheinlich mit dem Release des Nintendo Wii, der, Prognosen nach, ungefähr zeitgleich mit der PlayStation 3 (17.11.) den Markt betritt, erscheint z.B. „Wii Sports“ (Demonstration), eine Sportspielesammlung aus Golf,- Tennis,- und Baseball-Simulationen, die den Wii-Joystick beispielhaft zum Einsatz bringt. Der Spieler hält dabei das optisch einer Fernbedienung gleichende Steuerelement in der Faust und schwingt es wie einen Schläger. Die Sensoren im innovativen Joystick übertragen die räumliche Bewegung zeitgleich auf die Figur im Bildschirm, so dass das passive Gefühl ein virtuelles Männchen über Hebel und Knöpfe zu steuern der „körperlichen Verschmelzung“ schwindet.
Welche der drei Konzerne am Ende die meisten Spieler überzeugen wird – Sony mit seiner ultracoolen Spiel- und Film-Wunderkiste PlayStation 3, Microsoft mit seinem grenzenlosen Onlineservice Xbox (360) Live oder Nintendo mit seinem innovativen Spielerlebnis, wird wohl erst in ein paar Jahren entschieden, wenn die auslaufende Generation vollends Vergangenheit ist.