Weltwirtschaft im Wandel: Warum wird China stärker, während G7 verlieren?
Seite 2: Chinas hybride Struktur als Erfolgsrezept
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- Chinas hybride Struktur als Erfolgsrezept
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Die Entschärfung von Konflikten, insbesondere im umstrittenen Nahen Osten, ermöglicht es China, eine friedliche Weltwirtschaft zu fördern, in der das Land gedeihen konnte. Im Gegensatz dazu hat der von Trump und Biden verfolgte wirtschaftliche Nationalismus (Handelskriege, Zollpolitik, gezielte Sanktionen usw.) China als Bedrohung und Gefahr hingestellt.
Als Reaktion darauf ist es China gelungen, viele andere Nationen zu mobilisieren, die sich der Politik der Vereinigten Staaten und der G7 in verschiedenen globalen Foren widersetzen und diese ablehnen.
Quelle des bemerkenswerten Wirtschaftswachstums Chinas – und der Schlüssel zur inzwischen erfolgreichen Herausforderung der globalen wirtschaftlichen Dominanz der G7 durch die BRICS-Staaten – ist sein hybrides Wirtschaftsmodell. China brach mit dem sowjetischen Modell, indem es die Industrie nicht in erster Linie als staatlich kontrollierte und betriebene Unternehmen organisierte.
Es brach auch mit dem US-amerikanischen Modell, indem es die Industrie nicht als privatwirtschaftlich organisierte und betriebene Unternehmen organisierte. Stattdessen wurde eine Mischform aus staatlichen und privaten Unternehmen organisiert, die unter der politischen Aufsicht und Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas stehen.
Diese hybride makroökonomische Struktur ermöglichte es China, mit seinem Wirtschaftswachstum sowohl die UdSSR als auch die Vereinigten Staaten zu übertreffen.
Sowohl die privaten als auch die staatlichen Unternehmen Chinas organisieren ihre Arbeitsplätze – die Mikroebene ihrer Produktionssysteme – in Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Strukturen, wie sie in den öffentlichen Unternehmen der Sowjetunion und in den privaten Unternehmen der USA anzutreffen sind. China hat sich nicht von diesen mikroökonomischen Strukturen gelöst.
Wenn wir den Kapitalismus genau als diese besondere mikroökonomische Struktur (Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis, Lohnarbeit usw.) definieren, können wir ihn von den mikroökonomischen Strukturen der Sklaven- und Feudalarbeitsplätze als Herr-Sklave oder Herr-Leibeigener unterscheiden.
Nach dieser Definition ist das, was China aufgebaut hat, ein hybrider staatlich-privater Kapitalismus, der von einer kommunistischen Partei geführt wird. Es handelt sich um eine recht originelle und besondere Klassenstruktur, die in der Selbstbeschreibung der Nation als "Sozialismus mit chinesischen Merkmalen" bezeichnet wird.
Diese Klassenstruktur hat bewiesen, dass sie sowohl der UdSSR als auch den G7-Staaten in Bezug auf die erzielten Wirtschaftswachstumsraten und die unabhängige technologische Entwicklung überlegen ist. China ist zum ersten systemischen und globalen Konkurrenten geworden, dem sich die Vereinigten Staaten im letzten Jahrhundert stellen mussten.
Lenin bezeichnete die frühe UdSSR einst als einen "Staatskapitalismus", der vor der Aufgabe stand, einen weiteren Übergang zum postkapitalistischen Sozialismus zu schaffen. Xi Jinping könnte China heute als einen hybriden Kapitalismus bezeichnen, der in ähnlicher Weise vor der Aufgabe steht, seinen Weg zu einem echten postkapitalistischen Sozialismus zu beschreiten.
Das würde einen Übergang von der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Struktur zu einer demokratischen alternativen mikroökonomischen Struktur umfassen und erfordern: eine genossenschaftliche Partizipation im Betrieb oder ein von den Arbeitnehmern selbst verwaltetes Unternehmen.
Die UdSSR hat diesen Übergang nie vollzogen. Für China stellen sich zwei Schlüsselfragen: Kann es das? Und wird es?
Auch die Vereinigten Staaten stehen vor zwei Schlüsselfragen. Erstens: Wie lange noch werden die US-Regierungschefs ihren wirtschaftlichen und globalen Niedergang leugnen und so tun, als hätte sich die Stellung der USA seit den 1970er und 1980er-Jahren nicht verändert?
Zweitens: Wie lässt sich das Verhalten dieser Politiker erklären, wenn große Mehrheiten in den USA diese Rückgänge als anhaltende langfristige Trends anerkennen? In einer Umfrage des Pew Research Center, die zwischen dem 27. März und dem 2. April 2023 unter Amerikanern durchgeführt wurde, fragte man die US-Amerikaner, wie sie die Situation der Vereinigten Staaten im Jahr 2050 im Vergleich zu heute einschätzen.
Etwa 66 Prozent erwarten, dass die Wirtschaft der USA schwächer sein wird. 71 Prozent erwarten, dass die Vereinigten Staaten in der Welt weniger wichtig sein werden. 77 Prozent erwarten, dass die Vereinigten Staaten politisch gespaltener sein werden. 81 Prozent erwarten, dass sich die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößern wird.
Die Menschen spüren deutlich, was die politisch Verantwortlichen verzweifelt leugnen. Diese Diskrepanz schlägt die Politik der USA in Bann.
Dieser Artikel wurde von Economy for All, einem Projekt des Independent Media Institute, produziert. Übersetzung: David Goeßmann.
Richard D. Wolff ist emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University of Massachusetts, Amherst, und Gastprofessor im Graduiertenprogramm für internationale Angelegenheiten der New School University in New York. Er ist Moderator und Produzent der weitverbreiteten Radio- und Videosendung "Economic Update with Richard D. Wolff". Seine letzten Bücher sind: "The Sickness Is the System: When Capitalism Fails to Save Us From Pandemics or Itself", "Understanding Marxism" und "Understanding Socialism".