Wenige weltweit agierende Konzert-Multis dominieren die Branche

Zur Situation der Konzertbranche im Winter 2022/23, (Teil 1).

"Konzertabsagen plagen die Popszene", "Clubs in Not", "Sorgenvolle Gesichter bei Konzertveranstaltern", "Publikumsmangel bei Konzerten und Festivals", "Konzertbranche von Neustart noch weit entfernt" – die Hiobsbotschaften von abgesagten Konzerten und Tourneen und von fehlendem Publikum bei den stattfindenden Konzerten bestimmt seit Monaten die Schlagzeilen.

Gleichzeitig hören wir von ausverkauften Festivals und Konzerten, bei denen die Tickets mehrere Hundert Euros kosten, und die Großkonzerne der Konzertindustrie schreiben Rekordzahlen. Wie passt das alles zusammen? Was ist wirklich los in der Konzertbranche?

Nun, die Konzertbranche gibt es nicht. Im Grunde kann man diese Branche in mindestens zwei verschiedene Welten unterteilen.

Auf der einen Seite gibt es die weltweit agierenden Großkonzerne der "Liveindustrie", wie sich dieser Bereich der Konzertszene unironisch selbst nennt, ohne dabei den von Adorno und Horkheimer eingeführten, kritisch konnotierten Begriff der "Kulturindustrie" im Sinn zu haben.

Live Nation ist der weltgrößte Konzertveranstalter und hat gerade die Unternehmenszahlen für das dritte Quartal 2022 veröffentlicht: Der auch in Deutschland tätige US-Konzern konnte den erfolgreichsten Sommer der Unternehmensgeschichte berichten, mit gegenüber dem Vor-Pandemielevel um 63 Prozent auf 6,2 Milliarden US-$ gesteigerten Umsatzzahlen alleine für die drei Sommermonate – mehr als 44 Millionen Fans haben die weltweit 11.000 Veranstaltungen im dritten Quartal 2022 besucht und Live Nation einen Gewinn von 506 Millionen US-$ beschert.

Dazu kommen Umsatz und Gewinn der Unternehmenstochter Ticketmaster, denn mit dieser Firma ist Live Nation auch der weltgrößte Tickethändler: 6,7 Mrd. US-$ hat Ticketmaster durch den Verkauf von 71 Millionen Tickets im dritten Quartal 2022 umgesetzt, und die Sponsoring-Abteilung des Live Nation-Konzerns konnte immerhin noch 226 Mio. US-$ Umsatz zum Quartalsergebnis beitragen – 56 Prozent mehr als im Vor-Corona-Vergleichsquartal III/2019.

Und all diese Ergebnisse sollen keine Eintagsfliege sein: Für 2023 prophezeit der Live Nation-CEO Michael Rapino weitere Rekordzahlen, bereits jetzt seien zweistellige Zuwachsraten im Vergleich zu 2022 zu verzeichnen. Läuft.

Nicht anders sieht es bei CTS Eventim aus: Der deutsche Marktführer, der auch weltweit zu den drei größten Konzert- und Ticketing-Konzernen gehört, meldet ebenfalls Rekordzahlen, die deutlich über den Vergleichswerten vor der Pandemie liegen.

Der Konzernumsatz stieg im dritten Quartal 2022 auf 694 Millionen Euro (in III/2019 waren es noch 378 Mio. Euro), der Quartalsgewinn (normalisiertes EBITDA) lag bei 130 Millionen Euro. Für das gesamte Jahr 2022 erwartet CTS Eventim einen Rekordumsatz von 1,7 Milliarden und ein Rekordergebnis von mindestens 330 Millionen Euro – obwohl das erste Quartal 2022 coronabedingt noch schwach war.

Auch Konzerne wie die Anschutz Entertainment Group (AEG) oder die Deutsche Entertainment AG (DEAG) konnten im dritten Quartal 2022 Rekordzahlen bekanntgeben und erwarten für 2023 All-Time-Rekorde, zumal im Sommer 2023 so viele Top-Stars auf Tournee kommen werden wie noch nie zuvor.

Rosige Zeiten – alles in Butter also bei den Großkonzernen der Konzertbranche. Wo ist das Problem? Wie passen die Tourneeabsagen vieler Bands zu diesen Rekordzahlen?